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Maddrax 297 - Die Zeit läuft ab
Sascha Vennemann
Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2011
ISBN 9783838709819 , 64 Seiten
Format ePUB
Kopierschutz Wasserzeichen
"Die Zeit läuft ab (S. 7-8)
Die Soldaten hatten sie aufgespürt! „Bleibt unten, verdammt!“, zischte Jola. Sie hatte sich mit Tomasz und Oleg hinter einem Mauervorsprung verschanzt, der ihnen Deckung vor den Truppen des Solnosc bot, die in ihren grauen Uniformen näher rückten und dabei die Fenster rechts und links des Straßenzugs im Auge behielten. Bewegte sich auch nur ein Fensterladen im Wind, wurde sofort das mechanische Ungetüm auf dem Hänger des Dampfpanzers dorthin ausgerichtet. Und dann erklang er wieder, dieser dumpfe Schlag, der Mauern erbeben ließ und wie von Geisterhand Glasreste und Gardinen wegfetzte und Bäume entlaubte.
Neben Jola japsten die beiden jungen Männer nach Luft. Der Sprint, mit dem sie sich vor den Angreifern in Sicherheit gebracht hatten, war zwar kurz, aber nichtsdestotrotz anstrengend gewesen. Selbst für Widerständler, die es gewohnt waren, ständig auf der Flucht zu sein. Wie, bei Orguudoo, hatten sie sie diesmal gefunden? War einer der Informanten geschnappt worden? Dann hätte Jola doch davon gehört. Oder war gar jemand aus ihren eigenen Reihen dafür verantwortlich? Tatsache war, dass man ihr Treffen auf einem der Hinterhöfe verraten hatte und ihnen nun die Handlanger des Solnosc auf den Fersen waren.
Der Zufall hatte es gewollt, dass Oleg und Tomasz dieselbe der insgesamt fünf geplanten Fluchtrouten durch das Erdgeschoss des mehrstöckigen Gebäudes genommen hatten. Das war strategisch nicht optimal, aber Jola war froh, die beiden treuen Freunde und Kampfgenossen, die sie schon aus ihren Kindertagen im Bunker von Waarza1 kannte, bei sich zu wissen. Tomasz’ Haut war kreidebleich, obwohl sein Gesicht, wie bei ihnen allen, mit einer dicken Schicht Ruß verschmiert war. Er drückte sich dicht an die bröckelnden Ziegel ihres Verstecks, das keinesfalls einem Schuss aus der neuartigen Kanone standhalten würde. Schlimmer noch, die Steine würden gegen sie prasseln wie Projektile. Jola wollte sich gar nicht vorstellen, was für Verletzungen sie davontragen würden.
Oleg wischte sich den Schweiß von der Stirn und schickte sich an, über den Mauerrest zu spähen. Offenbar wollte er die Lage sondieren, denn neben den ratternden Geräuschen des vorrückenden Dampfpanzers und den leisen Rufen der etwa ein Dutzend Männer des Solnosc hatten sie keinerlei Orientierung, wo sich der Feind gerade befand. Und auch die Geräusche konnten täuschen, hallten sie doch von der Häuserwänden der Straße wider. „Hey, was hast du vor?“, knurrte Jola leise und hieb ihrem Kameraden gegen die Schulter. „Lasst euch nicht sehen! Vielleicht haben wir dann eine Chance!“ Tomasz zog die Nase hoch und sah sie ungläubig an.
„Du willst hier weiter hocken bleiben? Wenn sie ausschwärmen, war’s das für uns! Ich habe keine große Lust, in den Kerkern des Solnosc zu verrecken!“ Der Rothaarige wandte sich an Oleg. „Du etwa?“ Olegs verfilzte schwarze Mähne flog hin und her, als er den Kopf schüttelte. Dennoch ging er nach Jolas Rüffel wieder in Deckung. „Wir können jetzt nicht weg!“, schnappte Jola und zog eine mit Stoff umwickelte Spiegelscherbe aus ihrer Jackentasche. „Wir müssen rauskriegen, was das für eine neue Waffe ist!“ Sie presste sich mit dem Rücken gegen die Mauer und checkte den Sonnenstand. Waarza lag wie meist unter einer düsteren Wolken- und Staubdecke. Der verwaschene Fleck, der die Sonne darstellte, lag ihr gegenüber; der Spiegel würde also auch keinen zufälligen Sonnenstrahl reflektieren können. Sie hob vorsichtig den Arm und schaute mit dem Spiegel über die Mauer hinweg. Tomasz und Oleg drängten sich an sie und versuchten ebenfalls einen Blick zu erhaschen."