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Vicious Love

L. J. Shen

 

Verlag LYX, 2018

ISBN 9783736307698 , 439 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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KAPITEL 1


EMILIA


Meine Großmutter sagte mir einmal, dass Liebe und Hass ein und dasselbe Gefühl seien, nur unter verschiedenen Vorzeichen erlebt. Bei beiden empfindet man Leidenschaft. Und Schmerz. Diese merkwürdige Empfindung, die sich wie Champagnerbläschen in der Brust anfühlt? Dito. Ich glaubte ihr nicht – bis ich Baron Spencer traf und er zu meinem Albtraum wurde.

Dann verwandelte sich mein Albtraum in meine Realität.

Ich dachte, ich wäre ihm entkommen. War sogar dumm genug, mir einzureden, er habe vergessen, dass ich überhaupt existierte.

Als er dann zurückkehrte, war er härter, als ich jemals für möglich gehalten hätte. Und ich fiel um wie ein Dominostein.

Zehn Jahre zuvor

Ich hatte das Herrenhaus erst einmal betreten, kurz nachdem ich mit meiner Familie nach Todos Santos gezogen war. Das lag zwei Monate zurück. Damals stand ich wie festgewurzelt auf genau diesem Eisenholzboden, der nirgendwo knarrte.

Bei jenem ersten Besuch hatte meine Mutter mich mit dem Ellbogen in die Rippen gestoßen. »Wusstest du, dass das der härteste Fußboden auf der Welt ist?«

Sie ließ dabei unerwähnt, dass er dem Mann mit dem härtesten Herzen auf der Welt gehörte.

Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wieso wohlhabende Leute ihre Kohle für ein derart deprimierendes Haus verschwenden sollten. Zehn Schlafzimmer. Dreizehn Bäder. Ein Fitnessstudio und ein dramatischer Treppenaufgang. Die beste Ausstattung, die für Geld zu haben war … und bis auf den Tennisplatz und den zwanzig Meter langen Pool alles in Schwarz gehalten.

Sobald man durch die große, eisenbeschlagene Tür trat, erstickte Schwarz jedes positive Gefühl, das man bis dahin empfunden haben mochte. Den kalten, leblosen Farben und den mächtigen, metallenen Kronleuchtern, die von der Decke hingen, nach zu urteilen, hatte hier ein mittelalterlicher Vampir als Innenarchitekt fungiert. Sogar der Fußboden war so dunkel, dass es mir vorkam, als schwebte ich über einem Abgrund, um im nächsten Augenblick ins Nichts zu stürzen.

Ein Haus mit zehn Schlafzimmern und drei Bewohnern – von denen zwei kaum je da waren –, und dennoch hatten die Spencers beschlossen, mich und meine Familie in der Dienstbotenwohnung neben der Garage einzuquartieren. Obwohl sie größer war als unsere Bruchbude in Richmond, Virginia, hatte es mich genervt.

Jetzt tat es das nicht mehr.

Alles am Anwesen der Spencers war dafür konzipiert einzuschüchtern. Sie waren stinkreich und doch in vielerlei Hinsicht arm. Hier wohnen keine glücklichen Leute, dachte ich bei mir.

Ich starrte auf meine Schuhe – ramponierte weiße Vans, auf die ich farbige Blumen gemalt hatte, um zu vertuschen, dass es Imitate waren – und schluckte, fühlte mich klein, noch bevor er mich herabgewürdigt hatte. Bevor ich ihn überhaupt kannte.

»Wo er wohl steckt?«, flüsterte meine Mutter.

Das Echo, das von den nackten Wänden der Eingangshalle, in der wir standen, zurückgeworfen wurde, verursachte mir einen Schauer. Sie wollte fragen, ob sie und mein Vater ihren Lohn zwei Tage früher bekommen könnten, weil wir Medizin für meine jüngere Schwester Rosie kaufen mussten.

»Ich höre Geräusche, die aus diesem Zimmer kommen.« Sie zeigte zu einer Tür auf der anderen Seite des von einer Gewölbedecke überspannten Raums. »Los, klopf an. Ich gehe zurück in die Küche und warte dort.«

»Ich? Wieso ich?«

»Weil Rosie krank ist und seine Eltern verreist sind.« Sie taxierte mich mit einem Blick, der an mein Gewissen appellierte. »Du bist in seinem Alter. Er wird dir zuhören.«

Ich gehorchte – nicht um ihretwillen, sondern um Rosies willen –, ohne zu ahnen, was die Konsequenzen sein würden. Die nächsten paar Minuten ruinierten mein ganzes letztes Schuljahr und sorgten dafür, dass ich im Alter von achtzehn meiner Familie entrissen wurde.

Weil Vicious dachte, ich wüsste über sein Geheimnis Bescheid.

Was nicht der Fall war.

Er glaubte, ich hätte an jenem Tag mitbekommen, worum es bei dem Streit in der Bibliothek ging.

Ich hatte nicht den blassesten Schimmer.

Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, wie ich zu einer dunklen Tür tapse und meine Faust Zentimeter davor in der Luft verharrt, als ich den rauen Bass eines älteren Mannes vernehme.

»Du kennst die Regeln, Baron.«

Er klang nach einem Raucher.

»Meine Schwester sagt, dass du ihr wieder Ärger machst.« Die Worte waren nur undeutlich zu verstehen, doch dann hob er die Stimme und schlug mit der Hand auf eine harte Oberfläche. »Ich hab genug von deiner Respektlosigkeit ihr gegenüber.«

»Scheiß auf dich«, hörte ich einen jüngeren Mann in beherrschtem Tonfall sagen. Er klang … amüsiert? »Und auf sie auch. Moment mal, bist du deswegen hier, Daryl? Du willst auch ein Stück von ihr abhaben? Da gibt es gute Nachrichten für dich: Sie ist zu allem bereit, wenn man das nötige Bargeld hat.«

»Achte auf dein loses Maul, du kleiner Wichser.« Klatsch. »Deine Mutter wäre sicherlich stolz auf dich.«

Nach kurzem Schweigen: »Noch ein Wort über meine Mutter, und ich gebe dir einen echten Grund, dir diese Zahnimplantate zu besorgen, über die du mit meinem Vater gesprochen hast.« Seine vor Gehässigkeit triefende Stimme weckte Zweifel in mir, ob er wirklich so jung war, wie meine Mutter dachte.

»Bleib mir ja vom Leib«, fuhr Baron in warnendem Ton fort. »Sonst prügle ich die Scheiße aus dir raus, wozu ich inzwischen nicht nur imstande wäre, sondern auch gute Lust hätte. Und das schon verdammt lange. Ich lass mir diesen Dreck nicht länger von dir gefallen.«

»Wie, zum Teufel, kommst du darauf, dass du eine Wahl hast?« Daryl lachte unheilvoll.

Ich spürte seine Stimme bis in die Knochen, wie ein zersetzendes Gift.

»Hast du’s noch nicht gehört?«, stieß Baron zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich prügle mich gern. Der Schmerz törnt mich an. Vielleicht, weil ich mich dadurch viel leichter damit arrangieren kann, dass ich dich eines Tages umbringen werde. Denn das werde ich, Daryl. Irgendwann töte ich dich.«

Ich schnappte nach Luft, war vor Schreck wie gelähmt. Ein Geräusch wie ein Schlag ertönte, dann schien jemand zu Boden zu stürzen und mehrere Gegenstände mit sich zu reißen.

Da dieses Gespräch eindeutig nicht für meine Ohren bestimmt war, beschloss ich zu türmen, als er mich unvorbereitet ertappte. Ehe ich wusste, wie mir geschah, schwang die Tür auf, und ich sah mich einem Jungen in meinem Alter gegenüber. Nur war an ihm rein gar nichts Jugendliches.

Hinter ihm beugte sich der ältere Mann schwer keuchend über einen Schreibtisch, auf den er die Handflächen presste. Seine Lippe war aufgeplatzt und blutete, rings um seine Füße lagen Bücher verstreut.

Es war eine Bibliothek. Deckenhohe, mit Hardcovers bestückte Bücherregale aus Walnussholz säumten die Wände. Ich spürte einen Stich in der Brust, weil ich instinktiv ahnte, dass ich hier nie wieder Zutritt haben würde.

»Was fällt dir ein?«, zischte der Teenager. Er verengte die Augen zu Schlitzen. Es fühlte sich an, als würde die Mündung eines Gewehrs auf mich gerichtet.

Siebzehn? Achtzehn? Die Tatsache, dass wir ungefähr gleich alt waren, machte die Situation noch schlimmer. Ich zog den Kopf ein, während mir eine Hitze in die Wangen schoss, die gereicht hätte, um das ganze Haus abzufackeln.

»Hast du gelauscht?« An seinem Kiefer zuckte ein Muskel.

Ich schüttelte wild den Kopf, aber es war eine Lüge. Ich war schon immer eine grauenvolle Lügnerin gewesen.

»Ich habe überhaupt nichts gehört, das schwöre ich.« Fast blieben mir die Worte im Hals stecken. »Meine Mutter arbeitet hier. Ich habe nach ihr gesucht.« Noch eine Lüge.

Ich war immer eine mutige Person gewesen, nie ein Angsthase. Doch in diesem Moment fühlte ich mich kein bisschen tapfer. Immerhin durfte ich gar nicht hier sein, in seinem Haus, und schon gar nicht hatte ich das Recht, ihren Streit zu belauschen.

Er machte einen Schritt auf mich zu, ich wich einen zurück. Seine Augen waren tot, wohingegen seine vollen, roten Lippen überaus lebendig wirkten. Dieser Junge wird mir das Herz brechen, wenn ich es zulasse. Die Stimme kam irgendwo aus meinem Kopf, und die Eingebung verwirrte mich, weil sie überhaupt keinen Sinn ergab. Ich hatte mich noch nie verliebt, außerdem war ich viel zu eingeschüchtert, um auch nur auf seine Augenfarbe oder Frisur zu achten, geschweige denn, mich mit dem Gedanken zu tragen, Gefühle für ihn zu entwickeln.

»Wie heißt du?«, blaffte er. Er verströmte den unverwechselbaren Geruch eines Jungen auf dem Weg zum Mann, süßlicher Schweiß und säuerliche Hormone vermischt mit dem Duft frischer Wäsche – deren Erledigung zum vielfältigen Aufgabenbereich meiner Mutter gehörte.

»Emilia.« Ich räusperte mich und streckte ihm die Hand hin. »Meine Freunde nennen mich Millie. Das darfst du auch gern.«

Seine Miene gab keinerlei Regung preis. »Du bist verdammt noch mal erledigt, Emilia.« Er sagte meinen Namen mit einem undeutlichen Näseln, um meinen Südstaatenakzent zu verhöhnen, meine dargebotene Hand würdigte er keines Blickes.

Ich zog sie hastig zurück, meine Wangen wieder flammend rot vor Verlegenheit.

»Verdammt falsche Zeit, verdammt falscher Ort. Sollte...