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Breakdown - Sie musste sterben. Und du bist schuld - Psychothriller

B.A. Paris

 

Verlag Blanvalet, 2018

ISBN 9783641169312 , 448 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

FREITAG, 17. JULI

Das Gewitter setzt ein, als wir uns für die Dauer der Sommerferien verabschieden. Ein lauter Donnerschlag lässt Connie zusammenzucken. John lacht, und die schwülheiße Luft scheint uns noch dichter einzuhüllen.

»Beeil dich lieber!«, ruft er.

Ich renne mit einem Winken zu meinem Auto. Kurz bevor ich es erreiche, beginnt mein Smartphone zu klingeln – in den Tiefen meiner Umhängetasche nur gedämpft. Der Klingelton zeigt mir, dass der Anrufer Matthew ist.

»Ich bin unterwegs«, sage ich ihm, während ich in der Dunkelheit nach dem Türgriff taste. »Ich steige gerade ins Auto.

»Schon? Ich dachte, du wolltest noch mit zu Connie?«

»Das wollte ich, aber der Gedanke, dass du auf mich wartest, war zu verlockend«, scherze ich. Dann fällt mir auf, wie ausdruckslos er gesprochen hat. »Alles in Ordnung?«, frage ich.

»Klar, ich habe nur eine schreckliche Migräne. Sie hat vor ungefähr einer Stunde angefangen und wird stetig schlimmer. Deshalb rufe ich an. Macht’s dir was aus, wenn ich schon ins Bett gehe?«

Ich spüre die Luft drückend auf meiner Haut und denke an das Gewitter; noch regnet es nicht, aber mein Instinkt sagt mir, dass der Regen nicht mehr lange auf sich warten lässt. »Natürlich nicht. Hast du was dagegen genommen?«

»Ja, aber die Tabletten scheinen nicht anzuschlagen. Ich dachte, ich gehe rauf und lege mich im Gästezimmer hin; falls ich einschlafen kann, wache ich dann nicht auf, wenn du heimkommst.«

»Gute Idee.«

»Eigentlich mag ich nicht ins Bett gehen, ohne zu wissen, dass du sicher wieder zu Hause bist.«

Darüber muss ich lächeln. »Mach dir keine Sorgen, die Fahrt dauert doch nur vierzig Minuten. Durch den Wald wäre ich sogar noch schneller.«

»Untersteh dich!« Den Schmerzstrahl, der durch sein Gehirn zuckt, als er die Stimme erhebt, kann ich fast körperlich spüren. »Autsch, das hat wehgetan«, sagt er, leiser jetzt. »Cass, versprich mir, dass du nicht die Blackwater Lane nimmst. Erstens möchte ich auf keinen Fall, dass du nachts allein durch den Wald fährst, und zweitens kommt ein Gewitter.«

»Okay, ich tu’s nicht«, sage ich, während ich mich auf dem Fahrersitz zusammenfalte und meine Tasche auf den Beifahrersitz werfe.

»Versprichst du’s?«

»Versprochen.« Ich lasse den Motor an und lege den ersten Gang ein, wobei das Smartphone warm und glatt zwischen Ohr und Schulter klemmt.

»Fahr vorsichtig«, ermahnt er mich.

»Das tue ich. Liebe dich.«

»Ich liebe dich mehr.«

Ich lächle über seine Besorgnis, während ich das Handy wieder in meine Tasche fallen lasse. Als ich aus der Parklücke stoße, klatschen die ersten dicken Regentropfen auf die Frontscheibe. Jetzt geht’s los, denke ich.

Als ich die vierspurige Fernstraße erreiche, gießt es in Strömen. Zuerst klemme ich hinter einem riesigen Sattelschlepper, und meine Scheibenwischer schaffen es kaum, das von seinen Rädern aufgewirbelte Spritzwasser zu bewältigen. Als ich ausschere, um ihn zu überholen, zuckt ein Blitz über den Himmel, und in alte Kindergewohnheiten verfallend, beginne ich, die Sekunden zu zählen. Das dazugehörige Donnergrollen setzt ein, als ich bei vier angelangt bin. Vielleicht hätte ich doch mit den anderen zu Connie mitfahren sollen. Ich hätte das Gewitter dort abwarten können, während John uns mit seinen Witzen und Geschichten unterhalten hätte. Plötzliches Schuldgefühl versetzt mir einen kleinen Stich, als ich an seinen Blick denke, bei meinen Worten, ich würde doch nicht mitkommen. Es war ungeschickt und taktlos von mir, Matthew zu erwähnen. Wie Mary, unsere Rektorin, hätte ich einfach sagen sollen, ich sei müde.

Der Regen wird zu einer Sintflut, und die Fahrzeuge auf der Überholspur drosseln ihr Tempo entsprechend. Sie sammeln sich um meinen kleinen Mini, scheinen ihn zu bedrängen, und diese plötzliche Enge veranlasst mich dazu, wieder auf die linke Spur zu wechseln. Ich beuge mich auf dem Fahrersitz nach vorn, spähe durch die Frontscheibe und wünsche mir, die Scheibenwischer würden etwas schneller arbeiten. Ein Lastwagen röhrt vorbei, dann noch einer, und als er ohne zu blinken dicht vor mir einschert und mich zwingt, scharf zu bremsen, erscheint es mir plötzlich zu gefährlich, auf der Schnellstraße zu bleiben. Weitere Blitze zucken über den Himmel, und in ihrem Kielwasser taucht der Wegweiser nach Nook’s Corner, dem Cottage, in dem ich lebe, im Regen auf. Die schwarze Schrift auf reflektierendem weißem Hintergrund wirkt so einladend, dass ich im allerletzten Augenblick, als es fast schon zu spät ist, links abbiege, um die Abkürzung zu nehmen, die Matthew mir verboten hat. Hinter mir hupt jemand aufgebracht, und als das Gellen mich auf der schmalen Straße in den Wald verfolgt, erscheint es mir wie ein Omen.

Selbst mit Fernlicht kann ich kaum erkennen, wohin ich fahre, und bedaure sofort, die durch viele Scheinwerfer erhellte Fernstraße verlassen zu haben. Obwohl diese Straße tagsüber sehr hübsch ist – sie führt durch einen Wald, in dem Glockenblumen wachsen –, machen ihre unübersichtlichen Kurven und Senken sie in einer Nacht wie dieser gefährlich. Mein Magen verkrampft sich bei dem Gedanken an die Strecke, die vor mir liegt. Aber bis zu unserem Haus ist’s nur eine Viertelstunde. Behalte ich die Nerven und tue nichts Unüberlegtes, bin ich bald zu Hause. Trotzdem gebe ich ein bisschen mehr Gas.

Vor mir biegen sich die Bäume von einem plötzlichen Windstoß, der meinen kleinen Wagen durchrüttelt, und während ich mich bemühe, ihn auf der Straße zu halten, treffe ich plötzlich auf eine Senke. Einige beängstigende Sekunden lang verlassen alle vier Räder den festen Boden, und mein Magen rebelliert, als säße ich in einer Achterbahn. Als sie dann krachend wieder aufsetzen, überflutet eine Welle Motorhaube und Frontscheibe, sodass ich vorübergehend blind bin.

»Nein!«, rufe ich aus, als der Mini in der mit Wasser gefüllten Senke zum Stehen kommt. Die Angst davor, hier im Wald liegenzubleiben, löst einen Adrenalinschub aus, der mich zur Tat antreibt. Krachend lege ich den ersten Gang ein und gebe Gas. Der Motor heult auf, aber der Wagen setzt sich gehorsam in Bewegung, pflügt mit einer Bugwelle durchs Wasser und überwindet den Anstieg aus der Senke. Mein Herz jagt im Takt mit den Scheibenwischern, die auf der Frontscheibe wie verrückt hin und her gehen, und ich brauche ein paar Sekunden, um wieder zu Atem zu kommen. Aber ich wage nicht, irgendwo zu halten, weil ich fürchte, der Motor könnte nicht wieder anspringen. Also fahre ich weiter, jedoch etwas vorsichtiger.

Einige Minuten später lässt ein jäher Donnerschlag mich so heftig zusammenzucken, dass meine Hände das Lenkrad nicht mehr halten können. Der Wagen schleudert gefährlich nach links, und als ich ihn mit zitternden Händen abfange, empfinde ich plötzlich Angst, ich könnte es vielleicht nicht heil bis nach Hause schaffen. Ich versuche mich zu beruhigen, aber ich fühle mich bedrängt – nicht nur von den Elementen, sondern auch von den Bäumen, die vor mir einen makabren Tanz aufführen, sich drehen und winden, bereit, mein kleines Auto von der Straße zu holen und dem Sturm in den Rachen zu werfen. Wenn Regen aufs Autodach trommelt, heulender Wind die Scheiben klappern lässt und die Scheibenwischer wie verrückt arbeiten, fällt es schwer, sich zu konzentrieren.

Vor mir liegt der kurvenreichste Teil der Strecke, deshalb beuge ich mich leicht nach vorn und umklammere das Lenkrad mit beiden Händen. Auf der Straße ist sonst niemand unterwegs, aber während ich die nächsten Kurven meistere, wünsche ich mir sehnlich ein Paar Heckleuchten vor mir, um ihnen auf der restlichen Strecke durch den Wald folgen zu können. Ich möchte Matthew anrufen, nur um seine Stimme zu hören, nur um mich zu vergewissern, dass ich nicht die einzige Überlebende der Menschheit bin, auch wenn ich mir jetzt so vorkomme. Aber ich will ihn nicht aufwecken, nicht, wenn er seine Migräne hat. Außerdem wäre er wütend, wenn er wüsste, wo ich jetzt bin.

Als ich schon denke, diese Fahrt werde niemals enden, bewältige ich eine Kurve und sehe etwa hundert Meter vor mir die Heckleuchten eines Autos. Ich stoße einen zittrigen Seufzer der Erleichterung aus und gebe etwas mehr Gas. Weil ich darauf fixiert bin, zu dem anderen Wagen aufzuschließen, habe ich ihn schon fast erreicht, bevor ich erkenne, dass er gar nicht fährt, sondern schlecht geparkt an einer kleinen Ausweichstelle steht. Überrascht kann ich ihm gerade noch ausweichen, verfehle ihn nur um eine Handbreit, starre im Vorbeifahren aufgebracht zu dem anderen Fahrer hinüber und mache mich bereit, ihn anzubrüllen, weil er seine Warnblinkanlage nicht eingeschaltet hat. Eine Frau, deren Gesichtszüge im starken Regen verschwimmen, erwidert meinen Blick.

Weil ich vermute, dass sie eine Panne hat, halte ich ein kleines Stück vor ihr und lasse den Motor laufen. Sie tut mir leid, weil sie unter so schrecklichen Umständen aus ihrem Auto steigen muss, und während ich in den Rückspiegel sehe – mit leicht perverser Freude darüber, dass außer mir noch jemand so töricht gewesen ist, in dieser Nacht durch den Wald zu fahren –, stelle ich mir vor, wie sie nach ihrem Schirm tastet. Mindestens zehn Sekunden vergehen, bevor mir klar wird, dass sie nicht aussteigen wird, und ich bin irritiert, denn sie erwartet doch wohl nicht, dass ich bei strömendem Regen aussteige und zu ihr zurückrenne? Außer, sie wäre durch irgendetwas am Aussteigen gehindert – aber würde sie in diesem Fall nicht blinken oder hupen, um mir zu...