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Hochzeit im Café am Meer - Roman

Phillipa Ashley

 

Verlag DuMont Buchverlag , 2018

ISBN 9783832184056 , 368 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

1

»He! Demi! Ich glaube, sie kommen!«, ruft Polly, als ich gerade versuche, im Schlafzimmer des Farmhauses eine Kingsize-Bettdecke in einen Bezug zu stopfen. Unser Mädchen für alles arbeitet seit Jahrzehnten für die Penwiths und wohnt in einem Cottage hinter dem Haupthaus. Jetzt ist es fast zehn Uhr vormittags, und ich bin seit sieben auf, um meine ellenlange To-do-Liste abzuarbeiten – abgesehen von der ersten halben Stunde heute Morgen, die Cal und ich anders genutzt haben.

»Demi! Komm schnell her!«

Die Tür knallt gegen den Eichenrahmen, sodass ich vor Schreck zusammenzucke. Pollys Stimme kann zwar Mauern erschüttern, die seit dreihundert Jahren stehen, aber ich glaube nicht, dass sie diesen Luftzug verursacht hat. Ich lasse die Decke fallen – vor lauter Nervosität hatte ich sie sowieso verkehrt herum bezogen – und eile über den Treppenabsatz ins Gästezimmer. Das Fenster steht weit offen, und Polly beugt sich mit einem Fernglas hinaus. Offensichtlich hat sie nicht bemerkt, dass der Wind ums Haus faucht und Schneeregen aufs Fensterbrett weht.

Ich stelle mich zitternd neben sie. »Was machst du da?«

»Nach ihnen Ausschau halten. Was du auch tun solltest.«

»Sie sollten noch lange nicht hier sein, und es ist eiskalt hier.«

Polly lässt das Fernglas sinken, das um ihre Augen rote Abdrücke hinterlassen hat. »Die Jugend von heute. Alle aus Zucker. Was seid ihr empfindlich.«

»Gib mir mal das Fernglas. Bitte.« Ich nehme es Polly ab und riskiere, zu einem Eiszapfen zu erstarren, als ich mich aus dem Fenster lehne, um besser sehen zu können.

»Ach du Sch…«

»Was hab ich dir gesagt?«, höre ich Polly hinter mir.

Ein großer, schwarzer Pick-up mit verdunkelten Scheiben schaukelt über den Weg, der von der Hauptstraße herunter nach Kilhallon Park führt. Zum Glück ist es kein protziger Sportwagen, also wird er wohl nicht in dem riesigen Schlagloch stecken bleiben, das die Überschwemmungen um Weihnachten herum hinterlassen haben. Cal hatte immer noch keine Zeit, es aufzufüllen … Ich muss ihm Bescheid sagen, dass unser Hochzeitspaar früh dran ist.

»Das müssen sie sein: Bonnie und Clyde«, sagt Polly. Sie benutzt die Decknamen, die sie sich für Lily und Ben überlegt hat.

Mein Herz schlägt schneller. »Noch nicht. Ich bin noch nicht fertig.« Durch das Fernglas kann ich das Nummernschild und den Fahrer erkennen. Er trägt einen Bürstenschnitt, hat den Körperbau eines Rugby-Spielers und ist definitiv nicht Ben. Der Beifahrersitz ist leer, und durch die hinteren Fenster kann man nicht durchgucken, aber dort müssen die Stars sitzen. Das Auto gehört keinem unserer Winterferiengäste, und mein Café, Demelza’s, hat heute offiziell nicht geöffnet. Später erwarte ich zwar eine Lieferung gefrorener Meeresfrüchte, aber ich glaube eher nicht, dass der Fischhändler seinen Van gegen einen BMW-Geländewagen eingetauscht hat.

Ich lasse das Fernglas sinken und versuche, meine Aufregung unter Kontrolle zu bringen, aber mein Magen verknotet sich. »Vielleicht ist es ein Geschäftspartner oder ein potenzieller Gast, der sich einmal umschauen will. Ich kenne das Auto nicht.«

Polly schnaubt. »Ich wette mit dir um einen Zehner, dass es Bonnie und Clyde sind.«

»Wenn wir unter uns sind, musst du sie nicht Bonnie und Clyde nennen. Du kannst ihre richtigen Namen benutzen.«

Polly stemmt die Hände in die Hüften. Sie ist nicht besonders groß, und ihr aschblonder Bob macht sie jünger als ihre sechsundfünfzig Jahre. Wenn man sie nicht kennt, kann ihre schroffe Art einschüchternd wirken. Wenn man sie kennt, übrigens auch. »Für mich bleiben sie Bonnie und Clyde«, erklärt sie. »Ich kann sie nicht mehr anders nennen – und warum sie hier ihre Hochzeit feiern wollen, ist mir unbegreiflich. Bei diesem Wetter werden sie nur einen Blick auf Kilhallon werfen und dann direkt wieder umkehren und zurück nach London fahren.«

»Danke, dass du an uns glaubst.«

»Ich sage nur, was ich denke.«

»Es ist ja keine richtige Hochzeit, sondern ein keltisches Hochzeitsritual. Lily und Ben nennen es ›Handfasting‹. Wir dürfen in Kilhallon keine standesamtlichen Trauungen durchführen. Wenn der ganze Medienrummel abgeebbt ist, werden die beiden an ihrem Wohnort offiziell heiraten.«

»Hmm. Eine ziemlich seltsame Art, die Dinge anzugehen, wenn du mich fragst.« Polly grummelt weiter vor sich hin, während sie versucht, bei dem Sturm das Fenster zu schließen. Sie ist fleißig und macht sich um alles und jeden viel zu viele Gedanken. Leider auch um Cal und mich, was ein bisschen anstrengend sein kann. Außerdem hat sie kein Problem damit, ihre Meinung zu sagen, ob es uns passt oder nicht.

Der heulende Wind lässt nach, und Polly wirft mir ein grimmiges, aber ermutigendes Lächeln zu, als würde mir meine Hinrichtung bevorstehen. »Dann geh ihnen besser mal entgegen, aber bring sie lieber nicht zur Rezeption. Die streunende Katze, die immer hier herumläuft, hat vorhin auf den Fußboden gemacht, und ich bin noch nicht zum Putzen gekommen, weil ich ja nach diesen Schauspielern Ausschau halten musste.«

Ich verziehe das Gesicht. »Hast du eine Ahnung, wo Cal steckt?«

Polly wirft mir einen durchdringenden Blick zu. »Nein. Ich hab ihn seit gestern Abend nicht mehr gesehen. Eigentlich solltest du besser wissen als ich, wo er sich herumtreibt …«

Dazu muss ich anmerken, dass Polly mit der Beziehung zwischen Cal und mir nicht ganz einverstanden ist. Was, glaube ich, nicht daran liegt, dass er mein Chef und der Besitzer von Kilhallon ist. Oder daran, dass sie moralische Bedenken hätte. Aber sie ist anscheinend fest davon überzeugt, dass »es« – also das mit uns – eines Tages böse enden wird. Außerdem fühlt sie sich mitunter dazu berufen, sich wie Cals Mum aufzuführen. Seine Mutter ist vor einigen Jahren gestorben. Und in gewisser Weise ist Polly auch für mich zu einer Art Ersatzmutter geworden, obwohl ich sie nicht darum gebeten habe. Meine Mum lebt ebenfalls nicht mehr, und ich hatte eine Weile keinen Kontakt zum Rest meiner Familie. Ich weiß, dass Polly es nur gut meint, aber …

Vielleicht wird es böse enden, vielleicht auch nicht. Cal und ich reden nicht über die Zukunft. Wir haben beide im Leben schon Erfahrungen gemacht, die uns gelehrt haben, lieber nicht zu weit vorauszuplanen und keine Versprechen zu geben, die wir nicht halten können.

Und im Moment läuft alles gut.

Zumindest wird alles gut laufen, wenn ich ihn finde.

»Seit er nach dem Frühstück zur Mülldeponie gefahren ist, hab ich ihn nicht mehr gesehen. Er hat versprochen, wieder in Kilhallon zu sein, bis Bonnie und Clyde ankommen – ach, ich meine Lily und Ben, jetzt hast du mich auch schon angesteckt.«

Polly grinst zufrieden über meinen Versprecher.

»Kannst du bitte aufpassen, dass Mitch im Farmhaus bleibt, während ich Lily und Ben begrüße?«, frage ich und versuche meinen Ärger über Cal und mich selbst zu unterdrücken. »Er hatte schon Auslauf und Frühstück, also kann er schön im Warmen warten, bis sie wieder weg sind.«

Nicht jeder mag Hunde, und ich will nicht, dass Mitch unsere Gäste allzu »überschwänglich« begrüßt oder verloren geht wie in dem Nebel letzten Herbst. Das war schrecklich, und am Ende sind Mitch und ich in eins der alten Minenlöcher an den Klippen gefallen. Zum Glück haben wir uns beide jeweils nur am Bein verletzt, aber es hätte viel schlimmer kommen können.

»Ich kann wohl ein Auge auf den Köter haben, während ich meine übrigen Aufgaben erledige«, brummt Polly.

»Danke!«

Während Polly weiter über »verwöhnte Schoßhündchen und Möchtegern-Promis« vor sich hin schimpft, laufe ich die Treppe hinunter und schnappe mir eine alte Wachsjacke aus der Diele. Ich eile durch die Rezeption hinaus auf den Parkplatz, um unsere Gäste zu empfangen. Der Wind pfeift ums Farmhaus und lässt mich frösteln. Auf dem Kies haben sich kleine Pfützen Schneematsch gebildet, und Hagelkörner prasseln auf die alten Farmgebäude, die wir jetzt als Lagerräume nutzen. Es würde mich nicht wundern, wenn Pollys Hühner Thermounterwäsche tragen würden. Lily und Ben hätten sich kaum einen ungünstigeren Zeitpunkt für ihren Besuch aussuchen können. Ich hoffe nur, sie haben viel Fantasie.

Während ich darauf warte, dass sie auf den Parkplatz fahren, sehe ich mich kurz im Hof um. Cal muss irgendwo in der Nähe sein, denn sein verbeulter, alter Land Rover steht auf seinem üblichen Platz vor der Scheune, die uns als Werkstatt dient. Aber ich habe den Verdacht, dass er diesem Treffen absichtlich aus dem Weg geht. Promis und ihr Leben findet er etwa so spannend wie ich einen Traktormotor. Ich meine, ist es denn zu fassen, dass er von Lily Craig und Ben Trevone noch nicht mal gehört hatte?

Allerdings hat Cal in den letzten Jahren auch nicht viel Fernsehen oder Filme gesehen. Er war in Syrien in sein eigenes Drama verwickelt, das für seine gute Freundin Soraya und ihre Tochter Esme tragisch endete. An Weihnachten erzählte Cal mir schließlich von den schrecklichen Ereignissen, die zu Sorayas Tod und Esmes Verschwinden während des Kriegs führten. Ich war schockiert, aber ich glaube, wir sind einander auch nähergekommen dadurch, dass er seine Last mit mir geteilt hat.

Tatsächlich mussten in der Zeit um Weihnachten und Neujahr alle in und um Kilhallon zusammenrücken, nachdem eine Sturmflut viele Häuser in St Trenyan zerstört hatte. Wir haben einige der obdachlosen Familien kurzzeitig hier aufgenommen, auch meinen Dad und seine Frau Rachel und ihr...