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G. F. Unger 1951 - Yellowstone Pierce

G. F. Unger

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2018

ISBN 9783732562596 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Man schreibt das Jahr 1867, und Benito Juarez’ Soldaten jagen alle Gringos, die über die Grenze nach Mexiko kamen, um sich am Krieg zu beteiligen und nach Landsknechtsart Beute zu machen.

Tom Haley und die anderen Reiter des Rudels grinsen triumphierend. Dann sagt Jesse Slade, ihr Anführer, trocken zum kleinen Shorty Wells: »Also, schickt ihnen zum Abschied noch einen Gruß hinüber, Shorty.«

»O ja«, sagt dieser heftig und schwingt sich vom Pferd. »Die haben uns eine ganze Woche lang Tag und Nacht gejagt. Denen sollten wir noch einen Denkzettel verpassen für all die Ungelegenheiten, die sie uns bereitet haben.«

Indes der kleine, krummbeinige und sommersprossige Shorty diese Worte spricht, zieht er die schwere Sharps aus dem Sattelschuh.

Es ist ein weit reichendes Büffelgewehr, mit dem man auf dreihundert Yards noch einen Büffelbullen fällen kann.

Aber bis zum anderen Ufer auf der Mexiko-Seite sind es gewiss noch dreihundertundfünfzig Yards.

Shorty kniet hinter seinem Pferd nieder und zielt kniend mit der schweren Büchse unter dem Bauch des Tieres hinweg auf den ersten Reiter.

Dieser ist ein Capitan, also ein Hauptmann, und er will tatsächlich über den Strom kommen, obwohl dieser die Grenze zwischen Mexiko und Texas bildet.

Shorty zielt nicht lange, dann kracht der Schuss.

Der Captain drüben fällt vom Pferd in das flache Wasser.

Und seine Reiter reißen ihre Pferde herum und reiten zurück. Nur zwei bleiben bei ihm, springen ab und knien neben ihm.

Als sie ihn aufheben und quer über den Sattel seines Pferdes legen, da ist völlig klar, dass der Capitan tot sein muss. Nur einen Toten legt man auf diese Art quer über ein Pferd. Sie schütteln drohend die Fäuste. Dann folgen sie mit dem Toten den geflüchteten Reitern.

»Soll ich noch mal?« So fragt Shorty Wells, und in seinem faltigen Gesicht brennen seine Augen. Er ist ein verdammter Killer. Aber das wissen seine Partner längst.

Jesse Slade schüttelt den Kopf. Er wendet sein Pferd und blickt zu den Hügeln hinüber. »Bis dorthin werden es unsere Pferde noch schaffen«, sagt er heiser. Sein Blick richtet sich dann auf die Frau, welche mit ihnen reitet.

»Du hast uns Glück gebracht, Jessica«, sagt er. »Bald werden wir mit dir ein Fest feiern.«

In seinen Augen erkennt sie seine Wünsche, und sie weiß, dass er ein Mann ist, der sich wie ein Raubtier erjagt, was er haben will.

Sie erwidert seinen Blick und lächelt. Geschmeidig sitzt sie im Sattel, trägt einen Anzug wie ein mexikanischer Hidalgo und hat ihr rotes Haar unter dem schwarzen Hut verborgen. In ihrem gebräunten Gesicht blinken nun ihre weißen Zahnreihen zwischen den vollen Lippen. Die Farbe ihrer Augen ist grün. Sie ist auf eine eigenwillige und rassig wirkende Art mehr als nur hübsch. Man kann sie nicht als reine Schönheit bezeichnen, aber ihre Ausstrahlung ist die einer Vollblutfrau. Diese Ausstrahlung ist so stark, dass nur sehr selbstbewusste Männer es wagen, sich an sie heranzumachen. Sie trägt einen Colt an der Seite, als könnte sie auch damit umgehen.

»Sicher, Jesse Slade«, sagt sie mit blinkendem Lächeln, »wir werden ein Fest feiern.« In ihrer Stimme ist ein Klirren.

Er zieht sein Pferd herum und reitet auf die Hügel zu, welche keine Meile weit entfernt sind. Die Sonne steht ziemlich tief im Westen. Bald werden von Osten her die Schatten der Nacht heraufkriechen.

Die Reiter folgen Jesse Slade. Es sind Tom Haley, Vance Rounds, Shorty Wells und Bac Longley. Sie sind eine üble Bande, welche doppelt so zahlreich war, als sie nach Mexiko ritt, um während der Revolution zu rauben. Einige von ihnen starben.

Jessica Mahoun schließt sich den Männern an. Und sie weiß, dass es gleich dort drüben in den Hügeln, wenn sie das Camp aufgeschlagen haben, um alles oder nichts gehen wird für sie. Aber auch sie ist eine Abenteuerin. Auch sie hat in ihrem Leben schon viel gewagt und manchmal verloren. Diesmal will sie endgültig gewinnen – für immer. Und dann wird ihr die ganze Welt offen stehen.

Sie finden in den Hügeln schnell einen kleinen Creek und dicht bei diesem einen geeigneten Lagerplatz unter einigen Bäumen. Auch Holz für das Feuer ist genügend zu finden. Sie haben noch einige Vorräte für ein Abendbrot.

Für die größte Überraschung aber sorgt Jessica Mahoun. Denn aus ihrem Gepäck, welches sie vor allen Dingen in der Sattelrolle mitführt, bringt sie eine Flasche zum Vorschein.

»Das ist echter Bourbon. Den habe ich aufgehoben. Hier, damit eröffnen wir das Fest. Nein, die Vorfeier dieses Festes. Denn richtig feiern werden wir wohl erst in San Antonio, nicht wahr?«, sagt sie lächelnd.

Slade lacht, nimmt die Flasche und entkorkt sie.

»Jessica, du bist stets für eine Überraschung gut«, spricht er und setzt die Flasche an. Er nimmt drei lange Züge daraus – aber dann ruft Tom Haley drängend: »He, lass uns was übrig! Auch wir wollen was von diesem edlen Stoff! Her damit! Das gehört dir nicht allein!«

Jesse Slade lacht ein wenig ärgerlich, als er Haley die Flasche reicht.

»Aaah«, sagt er, »ihr seid doch nur Pumaspucke gewöhnt, Tequila und Mescalschnaps. Dieser Bourbon ist zu schade für euch. Aber hier …«

Auch Haley nimmt drei lange Züge und dann geht die Flasche reihum, bis Bac Longley endlich einfällt, dass die Spenderin noch keinen einzigen Schluck nahm.

Er hält Jessica Mahoun die fast schon leere Flasche hin.

Aber Jessica Mahoun schüttelt den Kopf. »Das ist alles für euch«, sagt sie. »Ich mache mir nichts aus Feuerwasser. Und ich will jetzt zuerst ein Bad nehmen im Creek. Lasst mich nur für eine Weile in Ruhe.«

Sie geht mit einem Bündel davon. Und sie sehen ihr in der Abenddämmerung nach, leeren den Rest aus der Flasche.

Vance Rounds sieht Jesse Slade an. »Eigentlich sollten wir um sie losen«, murmelt er heiser. »Als wir sie am Leben ließen und mitnahmen, da wusste sie genau, dass sie dafür würde bezahlen müssen. Und jetzt ist es so weit. Also losen wir!«

»Nein«, widerspricht Jesse Slade, »sie gehört mir – von Anfang an. Damit müsst ihr euch abfinden.« Er steht lauernd da, wartet auf Widerspruch.

Shorty Wells lacht kichernd. »Aaah«, sagt er. »für mich wäre die ohnehin nichts. Ich mag nur fette Weiber. Und überdies haut der Whisky mich um.«

Er sagt es mit immer schwerer werdender Zunge. Und er wischt sich über das Gesicht, wendet sich plötzlich ab, um zum Creek zu stolpern und sich dort der Länge nach hinzuwerfen.

Auch die anderen Männer – zwar größer und schwerer als Shorty – merken nun etwas in ihren Köpfen. Vielleicht glauben sie in dieser Minute, dass es der heiße Tag war, das lange Reiten, der wenige Schlaf – aber plötzlich ruft Vance Rounds: »Hölle, was ist das? Ich kann sonst eine ganze Flasche leeren! Was war denn in diesem Whisky drin?« Die letzten Worte kreischt er böse und wild.

Auch die anderen begreifen jetzt, dass etwas nicht mit ihnen stimmt. Und es kann nur mit dem Whisky zusammenhängen.

»Shanghaitropfen!«, keucht Bac Longley mühsam, der auch mal zur See gefahren ist. »Sie hat uns …«

Er zieht seinen Colt und setzt sich in Bewegung. Die anderen folgen ihm.

Jesse Slade brüllt mühsam mit schwerer Zunge: »Hoiii, du verdammte Hexe, wir erwischen dich noch, bevor wir umfallen! Uns legst du nicht rein!«

Sie stolpern auseinander. Ihre Bewegungen werden immer mühsamer. Sie gleichen mehr und mehr Volltrunkenen, die sich kaum noch auf den Beinen halten können. Und als sie in ihren benebelten Hirnen zu begreifen beginnen, dass sie verloren haben und Jessica Mahoun, die sich irgendwo versteckt hält, nicht mehr rechtzeitig werden finden können, da beginnen sie, wahllos zu schießen. Sie jagen ihre Kugeln in die Büsche zu beiden Seiten des Creeks. Doch dann brechen sie Mann für Mann zusammen und sinken in tiefe Bewusstlosigkeit. Denn in der Flasche war wirklich nicht nur guter Bourbon, sondern befanden sich Betäubungstropfen, die in den Hafenstädten der Westküste als »Shanghaitropfen« bekannt sind.

Als die fünf Männer endlich alle da und dort am Boden liegen und sich nicht mehr rühren, da taucht Jessica Mahoun aus der Dämmerung auf. Ihre Bewegungen sind langsam. Sie ist erschöpft. Dennoch wird sie sich keine lange Rast gönnen können. Denn ihr Vorsprung muss möglichst groß sein.

Sie hält den schussbereiten Colt in der Hand. Ja, sie hatten ihr eine Waffe gelassen, weil sie auf der Flucht vor den Juarez-Soldaten jeden Kämpfer brauchten – und war es auch nur eine Frau.

Sie tritt zu jedem der Männer, zielt auf ihn und stößt ihn derb mit der Stiefelspitze zwischen die Rippen. Doch keiner rührt sich.

Als sie bei Jesse Slade verharrt, blickt sie nachdenklich auf ihn nieder. Eigentlich hat er ihr als Mann sogar irgendwie gefallen. Und dass er ein Sattelpirat ist, störte sie nicht sehr. Sie mag verwegene Männer, die sich durch Kühnheit behaupten.

Indes sie so verharrt und auf ihn nieder blickt, da eilen ihre Gedanken tausend Meilen in der Minute – und sie eilen zurück in die Erinnerung.

Ja, es gab eine Zeit an der Westküste, da tat sie solche Betäubungstropfen den dummen Burschen in die Gläser und erhielt Geld dafür von den Männern, die mit den Kapitänen im Geschäft waren, diesen also Matrosen beschafften.

Es war ein langer und elender Weg für Jessica von der Westküste nach Mexiko, ein verdammter und rauer Weg, auf dem ihr nichts erspart blieb.

Doch...