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Der letzte Auftrag des Ritters - Historischer Roman

Elizabeth Chadwick

 

Verlag Blanvalet, 2018

ISBN 9783641229535 , 672 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

3

Turm von Rouen, Juli 1183

Ancel hielt die Zügel von Williams mächtigem rotbraunem Schlachtross Bezant. »Ich behaupte noch immer, dass du verrückt bist. Warum überlässt du dem König dein bestes Pferd – deine beiden besten Pferde, um genau zu sein?« Er deutete auf Williams zweites Schlachtross, Bezants jüngeren Halbbruder Cuivre, um das sich Eustace kümmerte.

William rang um Geduld. Sie hatten bereits mehrere Male darüber diskutiert, aber wenn Ancel sich einmal eine Meinung gebildet hatte, hielt er unerschütterlich daran fest. »Ich habe dir doch erklärt, warum. Ich will nicht riskieren, die Tiere auf einer langen, anstrengenden Reise einzubüßen, und ich weiß, dass der König nichts anderes im Gegenzug für Geldmittel akzeptieren wird.« Abgesehen davon verspürte William das persönliche Bedürfnis, Buße zu tun und seine Schuld zu sühnen. Seine besten Pferde zu opfern würde dazu beitragen, dass er seine Sünde wieder ausgleichen konnte.

»Die Lords, die vor langer Zeit aufgebrochen sind, um Jerusalem zu befreien, haben ihre Schlachtrösser mitgenommen«, wandte Ancel ein.

»Und sie haben sie unterwegs verloren. Glaubst du wirklich, auch nur ein Mann ist auf dem Pferd in Jerusalem eingetroffen, auf dem er daheim losgeritten ist?«

Ancel öffnete den Mund, um erneut zu widersprechen, aber William zwang ihn mit einem scharfen Blick zum Schweigen und machte sich auf den Weg zu seiner Audienz beim König.

Er hatte mit Henry bereits über den Tod seines Sohnes gesprochen – eine schmerzliche Befragung über sich ergehen lassen, die im königlichen Feldzugszelt im Limousin stattgefunden hatte. Henrys Trauer war tief und aufrichtig gewesen, aber hinter einer Fassade aus eiserner Selbstbeherrschung verborgen geblieben. Nun, da Harry in der Kathedrale von Rouen begraben worden war, war es an der Zeit für eine zweite Audienz. William war von der Aussicht nicht sonderlich angetan, aber darauf vorbereitet und gefasst.

Er wurde in das Gemach des Königs geführt, in dem es von Beamten, Schreibern, Geistlichen, Edelleuten, Dienern und Boten wimmelte – all den vielen kleinen und großen Rädchen, die die Maschinerie des dynamischsten Hofes des Christentums in Betrieb hielten. Der für die Steuerung all dieser Rädchen verantwortliche Mann saß zusammengesunken in seinem mit Kissen gepolsterten Stuhl und umfasste mit einer Hand seinen grau gesprenkelten rötlichen Bart. Sein Gesicht war ausdruckslos, und für einen König, der den geradezu legendären Ruf hatte, keinen Moment zur Ruhe zu kommen, war diese stumpfe, lebensüberdrüssige Haltung erschreckend ungewöhnlich. Allerdings hatte er gestern seinen ältesten Sohn begraben.

William kniete vor Henry nieder und senkte den Kopf. Henry schwieg lange, ließ zu, dass die Stille an Gewicht gewann. Als er endlich das Wort ergriff, haftete seiner Stimme die weiche Sandigkeit gesiebter Asche an. »Ihr kommt also zu mir, und ich muss mich fragen, warum Ihr das tut und warum ich Euch jemals wieder empfangen sollte.«

»Sire, Ihr seid mein Lehnsherr. An wen sollte ich mich sonst wenden?«, gab William zurück.

»So habt Ihr nicht gedacht, als Ihr mir in den Rücken gefallen seid, nicht wahr?« Henry richtete sich auf und beugte sich ein wenig vor, sodass sein Hals ein Stück zwischen seinen Schultern verschwand. »Warum sollte ich Euch an meinem Hof dulden? Warum sollte ich Euch nicht hinauswerfen oder in den Kerker sperren lassen?«

Williams Nackenhaare richteten sich auf. Es wäre für Henry ein Leichtes, ihn zum Sündenbock für seine Trauer zu machen. »Sire, Ihr habt mir den Posten als Marschall Eures Sohnes übertragen, und ich habe mich stets bemüht, dieser Aufgabe nach Kräften gerecht zu werden. Mehr stand nicht in meiner Macht – ich wünschte, es wäre anders.«

Henry verstummte erneut. William warf ihm einen verstohlenen Blick zu und sah, dass der König mit dem Saphirring herumspielte, den Harry auf seinem Sterbelager getragen hatte. Henry betrachtete ihn, zog ihn geistesabwesend von seinem Finger und steckte ihn wieder an.

William holte tief Atem und sprach, bevor das Schweigen undurchdringlich wurde. »Sire, Euer Sohn hat mich in seinen letzten Stunden gebeten, seinen Umhang nach Jerusalem zu bringen, ihn auf das Grab Christi zu legen und in seinem Namen um Vergebung zu bitten, und ich habe geschworen, seinen Wunsch zu erfüllen. Ich beabsichtige, diesen Schwur zu halten, koste es, was es wolle – nichts wird mich davon abhalten, nur mein eigener Tod.«

Henry maß ihn mit einem säuerlichen Blick. »Somit leistet Ihr zumindest etwas, und vielleicht ist es das Beste, wenn Ihr mir einige Zeit lang nicht mehr unter die Augen kommt. Wann wollt Ihr aufbrechen?«

William räusperte sich. »So bald wie möglich – mit denjenigen meiner Männer, die mich begleiten wollen. Aber vorher muss ich nach England reisen, um mich zu verabschieden und die nötigen Geldmittel aufzutreiben.«

Henry erwiderte nichts darauf, und William wusste nicht, ob er auf den Knien verharren oder sich entfernen sollte. Ein weiterer flüchtiger Blick verriet ihm, dass das Kinn des Königs zitterte.

»Seid Ihr deswegen zu mir gekommen?«, krächzte Henry endlich. »Um Geld zu bekommen? Habt Ihr nach dem, was Ihr zusammen mit meinem Sohn getan habt, nicht selbst genug davon? Ha, Ihr überrascht mich, Marschall!«

William nahm den Seitenhieb stumm hin, aber es fühlte sich dennoch an, als würde man ihm mit einem Messer eine frische Wunde aufschlitzen, aus der alle Erinnerungen hervorquollen, all die Scham und bittere Reue dessentwegen, was in Rocamadour geschehen war. Er war bereits gezwungen gewesen, den König zu ersuchen, Harrys Söldnern den ihnen zustehenden Sold auszuzahlen. William hatte ihnen versprochen, dass sie ihr Geld erhalten würden, und Henry hatte sich darum gekümmert und die Schulden seines Sohnes bezahlt, allerdings widerwillig, und er gab William die Schuld dafür.

»Sire, ich habe Euch meine beiden besten Pferde gebracht – ich dachte, Ihr wollt sie vielleicht bis zu meiner Rückkehr bei Euch behalten.«

Henrys Miene wurde scharf, seine Energie kehrte zurück, und er gab sich kurz angebunden und geschäftsmäßig. »Ihr habt sie dabei?«

»Ja, Sire, sie stehen im Hof.«

»Zeigt sie mir. Ich will ja schließlich nicht, dass Ihr mir Schindmähren aufhalst, nicht?«

William überging auch diesen versteckten Seitenhieb. Er hatte in seinem ganzen Leben noch keine Schindmähre besessen. Als königlicher Marschall verstand er mehr von Pferden als jeder andere, den König mit eingeschlossen.

Henry schlang seinen Umhang um sich, und als er sich erhob, rutschte der Saphirring von seinem Finger und rollte klirrend über die Bodenfliesen. Beide Männer starrten ihn an, und wieder trat eine kurze, schreckliche Stille ein, bevor Henry sich abwandte und aus dem Raum rauschte, ohne den Edelstein aufzuheben. William folgte ihm. Eine tiefe Traurigkeit überkam ihn, denn der fallen gelassene Ring betonte für ihn den Umstand, dass der junge König nicht mehr auf dieser Welt weilte und wie endgültig dies war.

Henry stapfte in den Hof, wo die beiden Schlachtrösser aufgezäumt und gestriegelt warteten, mit den Schweifen nach den Fliegen schlugen und die Köpfe hochwarfen. Er musterte den muskulösen Rotfuchs und seinen dunkleren bronzefarbenen Bruder mit einem geschulten Blick. »Wie alt?«, erkundigte er sich.

»Bezant ist sieben und Cuivre sechs«, erwiderte William. Er wusste, dass Henry die Pferde annehmen würde. Er würde sie auf Kosten irgendeines seiner Untertanen einstallen und während Williams Abwesenheit als Deckhengste benutzen. Viele gute Fohlen würden während dieser Zeit gezeugt werden.

Henry untersuchte die Pferde wie ein erfahrener Händler auf dem Smithfield-Tiermarkt, strich mit den Händen über ihre Muskeln und an ihren Beinen hinunter und machte dabei die ganze Zeit ein Gesicht, als würde er minderwertige Ware begutachten. Endlich richtete er sich auf und verkündete sein Urteil. »Um der Liebe willen, die ich meinem verstorbenen Sohn entgegenbringe, werde ich diese Tiere zu mir nehmen und versorgen, während Ihr fort seid, und Euch hundert Pfund für beide bezahlen, damit Ihr Eure Kosten decken könnt. Wenn Gott Euch gnädig ist und Ihr zurückkehrt, dürft Ihr zu mir kommen und sie gegen das Versprechen auslösen, diese Summe zu erstatten.«

Ancel, der neben William stand, hüstelte verstimmt, und William warnte ihn mit einem raschen Rippenstoß. »Sire«, erwiderte er mit einer tiefen Verbeugung, »es ist mir eine Ehre, Euer Angebot dankbar anzunehmen.«

Henry musterte ihn mit einem abschätzenden Blick, wog seine Aufrichtigkeit ab, doch William spürte, dass sie in vertraute Gewässer zurückgekehrt waren, auch wenn die See noch rau war.

»Lasst uns zum Ende kommen«, schlug Henry vor. »Ich werde Briefe aufsetzen lassen, die Ihr zum päpstlichen Hof in Rom und meinem Vetter König Baldwin in Jerusalem mitnehmen könnt.« Mit einem knappen Nicken rieb er sich die Hände, als würde er sie waschen, und verließ den Hof, ohne sich noch einmal umzublicken.

»Ich fasse es nicht, dass du eingewilligt hast, ihm diese Pferde für hundert Pfund zu überlassen«, protestierte Ancel empört. »Sie sind gut und gerne das Doppelte wert!«

»Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich mich geweigert oder mit ihm gefeilscht hätte?«, fauchte William. »Sein Sohn ist tot, und ich war für sein Wohlergehen verantwortlich – dafür, dass er am Leben bleibt –, und ich habe versagt. Ich weiß sehr wohl, dass er mir nicht den Preis gezahlt hat, den die Schlachtrösser wert...