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Der souveräne Mensch - Die Anthropologie Heinrich von Kleists

Tim Müller, Claudia Öhlschläger

 

Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2011

ISBN 9783862348763 , 240 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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55,00 EUR


 

"14 Die Krönung des Einzelnen – Souveränitätsbestätigung und Außenseitertum Kleists (S. 221-222)

Mit einem eingehenden Blick auf Fallbeispiele aus KleistsWerk hat sich ergeben, daß Kleist als literarischer Anthropologe den Menschen dort verortet, wo er nicht mehr funktionierender Teil seiner Gemeinschaft sein kann oder sein will. Gerade im illegitimen Handeln können seine Figuren erst das Potential entwickeln, sich selbst jenseits der Vorgaben und Existenzrahmen zu erkennen, aus denen sie hervorgehen, deren Geschöpfe sie sind.

Doch damit verlieren sie die Anerkennung ihrer Lebensumgebung; wie bei Käthchen erscheint ihr Handeln den anderen als »krank«, als falsch; wie bei Penthesilea ist ihnen ab einem gewissen Punkt die Rückkehr in die Heimat, in ihre Welt, verwehrt. Abschließend soll mit einem kurzen Blick auf die Biographie Kleists gefragt werden, wie der Schöpfer eines Menschenbilds, das eine Harmonisierung zwischen Individuum und Gemeinschaft, zwischen dem Mensch und der Möglichkeit seiner kategorialen Erfassung überhaupt (die ja eine Voraussetzung des Miteinanders ist) nicht geben kann, wie der Autor eines radikal anderen Menschen sich selbst als Teil der Gemeinschaft verortet bzw. herbeisehnt.

Problematischer Bezugspunkt für Kleist ist neben seiner Familie das Preußen der Napoleonischen Kriege, das er als seine Heimat zu restituieren versucht. In seinen nationalistischen Aspirationen ist Kleist, zusammen mit einigen wenigen anderen Intellektuellen, in seiner Zeit Außenseiter. In der Dedikation seines letzten Dramas »Prinz Friedrich vonHomburg«, das er Prinzessin Amalia von Preußen als Geschenk vermacht, bringt Kleist dieses Bewusstsein deutlich zum Ausdruck:

Gen Himmel schauend greift, im Volksgedränge, / Der Barde fromm in seine Saiten ein. / Jetzt trösten, jetzt verletzen seine Klänge, / Und solcher Antwort kann er sich nicht freun. / Doch eine denkt er in dem Kreis derMenge, / Der die Gefühle seiner Brust sich weihn: / Sie hält den Preis in Händen, der ihm falle, / Und krönt ihn die, so krönen sie ihn alle. (II/629)

Doch die von Kleist erhoffte »Krönung« setzt nicht ein, im Gegenteil – das Drama erfährt am Hof Prinz Wilhelms Ablehnung, Aufführung und Druck werden auf Veranlassung Amalias verhindert, ja die Handschrift droht in Vergessenheit zu geraten und wird erst 1814 durch Ludwig Tieck, den späteren Herausgeber der Werke Kleists, aus dem Besitz Wilhelms gelöst, wo es »gering geschätzt wurde«418. Kurze Zeit später, am 18. September 1811, erfährt Kleist eine weitere Demütigung, die Abweisung durch die Familie, die er in einem Brief an seine Vertraute Marie von Kleist eindringlich schildert."