dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Der dritte Anschlag - Thriller

Joel C. Rosenberg

 

Verlag Festa Verlag, 2018

ISBN 9783865526700 , 100 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

4,99 EUR


 

2

Ich biss die Zähne zusammen und kämpfte mich weiter vor.

Mit der Presseakkreditierung und dem Palasttelegramm in der Hand war ich sicher, von den Soldaten durchgelassen zu werden. Aber zunächst musste ich überhaupt erst zu ihnen vordringen. Das Problem bestand darin, dass alle zu ihnen wollten. Alle wollten die Ersten sein und forderten die Uniformierten auf, sie rechtzeitig zur Moschee vorzulassen. Je mehr die Wachen sich ihnen widersetzten, desto zorniger wurden sie.

»Zurück!«, schrie mich jemand an.

»Was glaubst du, wer du bist?«, kam es von einem anderen.

Dann brüllte mir ein untersetzter Mann mit schiefen Zähnen und loderndem Hass in den Augen »Kafir!« ins Gesicht.

Ich zuckte schockiert zurück. Kafir war ein Wort wie eine Brandbombe. Eigentlich bezeichnet es im Arabischen wertneutral jemanden, der nicht an den Islam glaubt oder einfach nur ›unrein‹ ist. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem islamischen Recht. Aber mittlerweile hatte sich die Bedeutung verschoben, hin zu einem ›Ungläubigen‹ im Sinne von ›Ketzer‹ oder ›Abtrünniger‹. Es gab nur wenige Schimpfworte, die in diesem Teil der Welt schlimmer waren, besonders für einen Ausländer. Als ich es vernahm, wich ich unwillkürlich einige Schritte zurück. Als Kafir gebrandmarkt zu werden, war das schlimmstmögliche Szenario. In einer Menschenmenge an der Schwelle zum Aufruhr konnte eine solche Beschimpfung zum Funken im Pulverfass werden und einen Tumult auslösen; einen, den ich wahrscheinlich nicht überlebte. Ich bezweifelte, dass selbst die Soldaten für meine Sicherheit garantieren konnten, wenn die Meute sich gegen mich stellte.

Ich musste einen anderen Zugang finden. Erneut schielte ich auf meine Taschenuhr und verfluchte mich, mein Vorhaben nicht sorgfältiger geplant zu haben.

Vorsichtig zog ich mich aus dem dichtesten Gedränge in eine Mauernische zurück, die Wand im Rücken, und analysierte nervös die rohen Emotionen, die um mich herum aufwallten. Ich bemerkte die wachsende Nervosität der jungen Soldaten. Die Stimmung drohte jeden Moment in eine Massenhysterie umzuschlagen. Die bewaffneten Militärs, der Älteste zählte sicher nicht mehr als 19, 20 Jahre, schienen sich innerlich für einen Kampf zu rüsten, während ich mir den Schweiß von den Brauen wischte. Die Sonne brannte auf uns alle herab. Die wütende Menge und die brutale Hitze lösten ein entschieden klaustrophobisches Gefühl in mir aus. Nicht zu fassen, was hier gerade geschah. Ich war nicht einfach nur zu spät, sondern würde das Treffen komplett verpassen. Meine Karriere ging gerade den Bach runter, ich war völlig neben der Spur. Ich musste hier weg, frische Luft schnappen, etwas trinken. Aber diese Option gab es aktuell nicht. Mir blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu hoffen, dass der Wind sich drehte und das Glück zurück auf meine Seite wechselte.

Warum war ich nicht einfach nach Amman geflogen? Warum hatte ich mich nicht mit dem Gefolge des Königs im Palast getroffen und war mit ihnen über die Allenby-Brücke ins Westjordanland gereist, zu den Konferenzen, die in Ramallah, Jericho und anschließend in Jerusalem geplant waren? So hatte man es ursprünglich vorgeschlagen. Warum nur hatte ich darauf verzichtet, mit ihnen mitzureisen?

Die Erklärung war simpel, auch wenn mir das in dieser Situation wenig nützte. Ich war von Beirut nach Zypern und von Zypern nach Tel Aviv geflogen, und das nur aus einem einzigen Grund: Bevor ich den König interviewte, hatte ich mich mit dem Chef des Mossad treffen wollen.

Ich kannte Reuven Shiloah, den Direktor des israelischen Geheimdienstes, schon seit einigen Jahren, genau genommen hatte ich ihn bereits vor Gründung des Mossad kennengelernt. Mittlerweile vertraute ich ihm, und mit den Jahren hatte Reuven ebenfalls gelernt, mir zu vertrauen. Natürlich nicht vorbehaltlos. Immerhin war er ein Spion. Aber er wusste, dass ich seine Erkenntnisse sorgfältig nutzte, ihn jedoch niemals direkt zitierte. Seine Perspektive war einzigartig und für meine Leser überaus erhellend, auch wenn ich nur selten als Quelle auf ihn zurückgriff. Ich verdankte ihm mehrere wichtige Storys. Für meine Diskretion war er mir ebenso dankbar wie mein Arbeitgeber.

Tatsächlich fungierte ich für ihn als eine Art Bindeglied zum Weißen Haus und zu verschiedenen Kongressmitgliedern – und damit auch zu weiteren einflussreichen Persönlichkeiten. Er hatte also gute Gründe, vertrauliche Informationen an mich weiterzugeben, ebenso wie ich davon profitierte, sie entgegenzunehmen. Folgerichtig hatten wir uns an diesem Morgen in einem kleinen Café in Tel Aviv in der Nähe des Busbahnhofs getroffen. Ich hatte dem Mossad-Chef Fragen über den jordanischen König und die Lage gestellt, in der er sich befand. Der kettenrauchende israelische Chefspion musterte mich daraufhin durch seine goldgerahmte Nickelbrille und vertraute mir an einem der hinteren Tische des Cafés mit leisen Worten seine ernsten und wachsenden Sorgen in dieser Sache an.

»Das ist ein schrecklicher Fehler«, meinte Reuven. »Er sollte nicht kommen.«

»Wer, der König?«, hakte ich überrascht nach. »Nicht nach Jerusalem kommen? Warum denn nicht?«

»Liegt das nicht auf der Hand, Collins? Seine Majestät ist eine wandelnde Zielscheibe.«

»Sie behaupten also, er sei in Jerusalem, seiner eigenen Stadt, nicht sicher?«

»Er ist nirgendwo sicher.«

»Wissen Sie von einer speziellen Bedrohung?« Es war nicht so, dass ich glaubte, er läge falsch, aber ihn so etwas sagen zu hören, verunsicherte mich zutiefst.

»Nein.«

»Wo liegt dann das Problem?«

»Da ist mein Bauchgefühl, mein Instinkt«, antwortete er. »Die Stimmung ist düster, voller Gerüchte und Gefahr. Es ist schon an anderen Orten geschehen, also kann es auch hier geschehen. Wie Sie wissen, wurde der iranische Premierminister erst vor wenigen Monaten ermordet.«

Ich nickte. Ali Razmara, der 58. Premierminister Irans, war zum Zeitpunkt seines Todes erst 49 Jahre alt gewesen. Der dritte Amtsinhaber der Region, der in den letzten Jahren einem Anschlag zum Opfer gefallen war.

Ich zückte einen Notizblock und begann mitzuschreiben.

»Bei Razmaras Tod gab es einige Auffälligkeiten«, fuhr Reuven fort. »Er wurde am helllichten Tag niedergeschossen. Nicht von einem Ausländer, sondern von einem Landsmann, einem Iraner. Tatsächlich war der Attentäter sogar selbst Muslim. Und Razmara befand sich auf dem Weg in eine Moschee, um zu beten. Außerdem handelte es sich nicht um ein isoliertes Verbrechen. Weniger als zwei Wochen später fiel auch Zanganeh einem Attentat zum Opfer.«

Er bezog sich auf Abdul-Hamid Zanganeh, den iranischen Bildungsminister. »Auch Zanganeh hat es mitten am Tag erwischt, in seinem Fall auf dem Gelände der Universität von Teheran«, erklärte der Mossad-Direktor. »Ein öffentlicher Ort. Viele Leute. Schwer zu sichern. Die Waffe war ebenfalls eine Pistole, klein und leicht zu verbergen. Aber wer steckte dahinter? Ein ausländischer Geheimdienst? Die Briten, die Amerikaner? Wir? Nein. In beiden Fällen waren die Attentäter Muslime. Extremisten, noch dazu Einheimische.«

Reuven ergänzte, dass vor zwei Jahren jemand versucht habe, den Herrscher Irans, Schah Mohammad Reza Pahlavi, zu töten. Er erinnerte mich daran, dass sich auch dieser Anschlag im Blickpunkt der Öffentlichkeit ereignet hatte, ebenfalls auf dem Campus der Universität in Teheran. Auch hier ließ sich die Tat auf einen Landsmann und islamistischen Extremisten zurückführen, nicht etwa auf einen ausländischen Agenten. Fünf Schüsse, vier davon verfehlten ihr Ziel. Der fünfte jedoch nicht. Wie durch ein Wunder hatte die Kugel das Gesicht des Königs nur gestreift und ihn lediglich leicht verwundet. Nur ein Millimeter weiter, und er wäre sofort tot gewesen.

»Der Attentäter hat sich als Fotograf ausgegeben, als Pressevertreter, um dicht an den König heranzukommen.«

»Aber das war der Iran, nicht Jordanien«, meinte ich schließlich und sah von meinen Notizen auf. »Die Lage stellt sich hier doch völlig anders dar.«

»Wirklich?«, gab er zurück. »Sicher, es gibt Unterschiede, da haben Sie recht. Der Iran ist ethnisch gesehen persisch, Jordanien hingegen arabisch. Der Iran wird mehrheitlich von schiitischen Muslimen bewohnt, in Jordanien dominieren die Sunniten. Der Iran hat Öl, Jordanien nicht. Der Iran ist groß und bevölkerungsreich, Jordanien dagegen nicht. Aber diese Unterschiede sind nicht ausschlaggebend. Wichtig ist das Muster.«

»Welches Muster?«

»Iran ist eine Monarchie«, erklärte Reuven. »Ebenso wie Jordanien. Die Pahlavi-Regierung gilt wie die Haschemiten als gemäßigt. Iran ist probritisch, genau wie Jordanien. Letzteres war sogar eine britische Kolonie. Darüber hinaus ist der Iran auch noch proamerikanisch eingestellt. Genau wie Jordanien. Und auch wenn sie es nicht an die große Glocke hängen, ist der vom Schah regierte Iran einer der beiden Staaten in der Region, die zu Israel und den Juden ein einigermaßen freundliches Verhältnis pflegen. Der andere ist Jordanien.«

Hier musste ich Widerspruch anmelden. »Warten Sie mal. Jordanien hat in Ihrem Unabhängigkeitskrieg auf der Seite des Gegners gekämpft. Das liegt gerade mal drei Jahre zurück.«

»Die Dinge ändern sich«, meinte er und riss ein neues Päckchen Zigaretten auf.

»Wie meinen Sie das?«

Eine lange Pause entstand.

»Reuven?«

Der Mossad-Chef schaute sich im Café um. Langsam füllte es sich mit...