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The Extinction Cycle - Buch 6: Metamorphose - Thriller

Nicholas Sansbury Smith

 

Verlag Festa Verlag, 2018

ISBN 9783865526311 , 100 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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4,99 EUR


 

Prolog

Eine Flutwelle von Dunkelheit schwappte über die kopfsteingepflasterten Straßen von Rom. Feldwebel Piero Angaran und Leutnant Antonio LoMaglio beobachteten, wie die Wand aus Schwärze Kirchtürme und Dächer verschlang, über die Skyline aufstieg und langsam der Brücke näher rückte, auf der sie standen.

Piero senkte sein Beretta ARX-160 Sturmgewehr, als sich die rötliche Scheibe hinter den Horizont zurückzog. Auch Piero und Antonio befanden sich auf dem Rückzug. Und ihnen lief bei der Rückkehr zu ihrem Unterschlupf die Zeit davon.

Piero warf den Kopf zurück, schluckte die letzten zwei Aufputschpillen, die er hatte, und spülte sie mit einem Schluck Wein aus seinem Trinkrucksack hinunter. Zum ersten Mal in seinem Leben sehnte er sich nach Wasser statt nach Wein. Allerdings war sauberes Wasser so wie alles andere in Rom Mangelware.

»Komm schon«, drängte Antonio. In seiner Stimme schwang Panik mit – ungewöhnlich für einen Mann, der sonst in der Regel lachte und Witze riss.

Antonio klappte sich die Nachtsichtbrille über die Augen und winkte Piero vorwärts. Seite an Seite rannten sie über die historische Brücke, die sich über den Tiber spannte.

Rom war im Verlauf der Jahrhunderte schon öfter eingenommen worden, hatte sich aber immer wieder aus der Asche der Unterwerfung erhoben. Die Gallier, die Westgoten, die Normannen und sogar die Truppen von Kaiser Karl V. hatten versucht, die Stadt zu unterjochen. Nun jedoch hatten Dämonen vollbracht, was Menschen nicht gelungen war. Die gottlosen Kreaturen beherrschten Rom und es gab nur noch zwei Männer zur Verteidigung der uralten Stadt.

Piero und Antonio verkörperten die letzten verbliebenen Mitglieder ihrer Einheit, des 4. Alpini Fallschirmjäger-Regiments. Sie hatten zusammen in Afghanistan gegen die Taliban und im Irak gegen Al-Qaida gekämpft und sowohl in der Wildnis als auch in der Wüste gegen eine überwältigende Überzahl von Feinden überlebt. Die jungen Varianti jedoch hatten nur eine einzige Nacht gebraucht, um Pieros und Antonios Brüder abzuschlachten.

Ihre Mission zur Rückeroberung der Stadt war gescheitert. Alle waren tot. Mittlerweile, zwei Wochen später, gingen Piero und Antonio auf dem Zahnfleisch. Sie waren erschöpft, ausgehungert und verletzt. An diesem Tag war ihnen der Anfängerfehler unterlaufen, nicht vor Sonnenuntergang zu ihrem Unterschlupf zurückzukehren. Nachts verhielten sich die Jung-Abartigen am aktivsten.

Obwohl Piero seinen Freund und Teamleiter an der Seite hatte, war er sich noch nie im Leben einsamer oder hilfloser vorgekommen. Bisher hatten sie nur eine Handvoll Überlebender entdeckt, die in der Stadt festsaßen. Die Letzten davon waren vor drei Tagen getötet worden, in Stücke gerissen von einem jungen Varianti, der ihnen zu ihrem Bunker gefolgt war.

Piero blinzelte die Erinnerung weg und fuhr sich mit einem ausgefransten Ärmel über die Stirn. Er würde später, wenn sie zurück im Unterschlupf wären, mehr Abwehrmittel auftragen müssen. Die in Deutschland hergestellte Flüssigkeit wirkte wie Insektenspray, bestand jedoch aus Chemikalien, die wesentlich übler rochen. Der Geruch bereitete ihm allerdings am wenigsten Kopfzerbrechen. Beide Männer hatten seit Wochen nicht geduscht, nicht mehr, seit sie mit dem Fallschirm in die Stadt abgesprungen waren. Sie trugen immer noch dieselben grünen Tarnanzüge von damals, wenngleich sie mittlerweile eher wie Lumpen aus irgendeiner Mülltonne aussahen.

Antonio hob eine Hand und sank im selben Bewegungsablauf auf ein Knie. Er richtete sein ARX-160 auf eine Statue dreier muskulöser Männer in Roben. Piero tat es dem Leutnant gleich und setzte das Zielfernrohr seines Gewehrs am Nachtsichtgerät an. Nichts rührte sich in der grünstichigen Ansicht. Er schwenkte die Waffe von links nach rechts, drittelte sein Sichtfeld und überprüfte jede Zone auf Bewegung. Das Fadenkreuz erfasste einen mit dem Gesicht nach unten liegenden Körper. Knochen ragten aus dem Hemd des Leichnams, wo ein Varianti die Lunge herausgeholt hatte wie beim Blutadler-Ritual der Wikinger. Der Anblick jagte einen Schwall von eisiger Kälte durch Pieros ausgelaugten Körper.

Nachdem sich Antonio vergewissert hatte, dass die Gegend frei von Feindkontakt war, gab er das Zeichen zum Vorrücken.

Die zwei Soldaten setzten den Weg über die Brücke fort. Unter ihnen zog die starke Strömung des Tiber dahin. Das Wasser teilte sich schäumend um den roten Rumpf eines gekenterten Schnellboots. Piero blickte prüfend über einen Park zu ihrer Rechten, in dem Vegetation wucherte, die nicht mehr gepflegt wurde. Ranken krochen über die Steinfassade eines angrenzenden Gebäudes. Es hatte nicht lange gedauert, bis das Gras und das Unkraut Teile von Rom zurückerobert hatten. Die Natur hatte einfach ohne die Menschheit weitergemacht.

Die nächste Straße führte sie über einen offenen Marktplatz, den Dutzende Restaurants und Geschäfte säumten. Leichen, von denen das gesamte Fleisch genagt worden war, übersäten den Boden zwischen umgekippten Tischen und zerfetzten Sonnenschirmen. Glasscherben türmten sich unter zerbrochenen Fenstern. An jeder Ladenfront, die Piero passierte, sah er Gesichter – die Gesichter von Menschen, die in den Geschäften und Restaurants einst eingekauft und gegessen hatten. Als er noch ein Kind gewesen war, hatten seine Eltern ihn und seine Schwester jeden Sommer nach Rom mitgenommen. Er hatte sich dann immer mit Carbonara vollgestopft, während seine Eltern Meeresfrüchte-Risotto genossen und sich eine Flasche Pinot noir geteilt hatten. Danach hatten sie sich Gelato von einem kleinen Laden in der Nähe des Trevi-Brunnens gegönnt.

Wenn du in Rom bist, mach’s wie die Römer.

Das Sprichwort hatte ihm von jeher gefallen. Bevor das Blutervirus vor sieben Monaten alles verändert hatte, war es in ganz Italien einfach gewesen, sich an die Lebensart anzupassen. Nun bedeutete das zu sterben.

Rom hatte es von allen italienischen Städten am härtesten getroffen. Und Italien gehörte insgesamt zu den Ländern in Europa, die es am härtesten getroffen hatte. Sie hatten zwar beide Biowaffen eingesetzt, die von den Amerikanern entwickelt worden waren, um die Abartigen zu töten, doch es war viel zu spät gewesen. Über 99 Prozent der Bevölkerung waren tot.

Als Piero die zertrümmerten Ruinen einer Bäckerei passierte, krümmte er sich beim Geräusch seines knurrenden Magens. Das Rumoren schien laut genug zu sein, um von Antonio – und etwaigen Varianti in der Nähe – gehört zu werden. Seit Tagen hatte keiner der beiden eine feste Mahlzeit zu sich genommen und die verwaisten Gebäude nach Lebensmitteln zu durchstöbern wurde zunehmend gefährlicher. Weil man nie wissen konnte, wo sich die Jung-Abartigen aufhielten.

Mehrere Sekunden lang standen sie schweigend da und lauschten. Der wie juwelenbesetzt wirkende Himmel und der Halbmond warfen genug Licht über die Stadt, um es Piero zu ermöglichen, die Nachtsichtbrille hochzuklappen. Antonio folgte seinem Beispiel.

Im Schein des natürlichen Lichts betrachtete Piero das Gesicht seines Freundes. Beide waren 35 und mit ihren nahezu identischen, ungepflegten Bärten und braunen Haaren hätte man sie für Zwillinge halten können. Trotz der Anspannung brachte Antonio ein Lächeln zustande. Wenn es in ihrer Einheit einen Komiker gegeben hatte, dann den Leutnant.

Er hatte immer gewusst, wie man die Stimmung mit einem Witz auflockerte.

»Was guckst du so? Hab ich was im Gesicht?«

»Eine Dummvisage«, schoss Piero zurück. Den Ausdruck hatte sein Großvater manchmal für ihn verwendet, wenn er als Kind etwas Törichtes gesagt oder getan und dann dumm aus der Wäsche geschaut hatte, und seither benutzte ihn Piero gern bei Freunden.

Entferntes Geheul – ein Mahnmal dafür, dass Monster die Gegend unsicher machten und jagten – ließ ihr gemeinsames Grinsen rasch verblassen.

Die Männer nickten einander zu. Antonio setzte das Gewehr an der Schulter an und bewegte sich in die von einer nahen Kirche geworfenen Schatten. Piero folgte ihm in knappem Abstand auf einen Hof, der früher einen täglichen Bauernmarkt beherbergt hatte. Die Stände selbst gab es sogar noch, die frischen Waren jedoch waren längst verrottet.

In der Mitte des Platzes befand sich ein Springbrunnen mit der Statue eines nach Osten zeigenden römischen Soldaten. Das Weiß von Vogeldung überzog die Rüstung. Piero und Antonio schwenkten die Gewehre über den Hof.

Sie hatten es fast zurück zu ihrem Unterschlupf geschafft und Piero hatte in der Tasche nicht nur die geschmolzenen Schokoriegel, die er erbeutet hatte, sondern auch die Funkgerätteile, die es ihnen ermöglichen würden, Verbindung mit der Zentrale aufzunehmen. Er war sich nicht sicher, worauf er sich mehr freute.

Der Gedanke an die Schokolade brachte seinen Magen erneut zum Knurren. Ein anderes Geräusch jagte seinen Puls schlagartig in die Höhe.

Antonio erstarrte, hörte es im selben Moment.

Zuerst erinnerte das Geräusch Piero an Stromschnellen, doch es ging rasch zu etwas über, das mehr nach einem vollwertigen Wasserfall klang.

Was zum Geier ist das?

Piero bewegte den Finger vom Abzugsbügel zum Abzug selbst. Er ließ den Blick auf der Suche nach Anzeichen von Jung-Abartigen durch die Gegend wandern, aber das Geräusch stammte nicht von den Straßen oder Gebäuden. Es kam vom Himmel.

Auf einmal erhoben sich Hunderte – nein, Tausende – Vögel in die...