dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Herzflimmern - Liebesroman

Laura Beck

 

Verlag édition el!es, 2018

ISBN 9783956092671 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

8,99 EUR


 

2


Eine Schwester trat an Inas Bett und maß ihren Blutdruck. »Zu hoch«, vermeldete sie mit einem Stirnrunzeln.

Ina fühlte sich benommen. Zu hoch? Ihr Blutdruck war zu hoch? Seit wann das denn? Ihr Herz schlug doch kaum noch, so krank, wie es war.

Anscheinend war sie zwischendurch eingeschlafen, denn das nächste Mal stand eine andere Schwester vor ihrem Bett, das besorgte Stirnrunzeln bezüglich des zu hohen Blutdrucks, den auch sie nach der Messung feststellte, blieb jedoch dasselbe.

»Schwester . . .« Ina versuchte das Wort zu formen, aber ihre Lippen waren so trocken, dass es nicht gelang.

Eine Ärztin kam herein. »Immer noch zu hoch?«

»Ja.« Die Schwester trat zur Seite. »Er geht nicht runter.«

Die Ärztin maß noch einmal. »Hm«, machte sie, gab weiter aber keinen Kommentar ab.

Das ist das Ende, dachte Ina. Jetzt ist es soweit. Selbst wenn ganz überraschend doch noch ein Herz kommt, können sie mich nicht operieren, weil mein Blutdruck zu hoch ist. Das war’s.

Die Ärztin sagte irgendetwas zu der Schwester, Ina versuchte verzweifelt, bei Bewusstsein zu bleiben, um es mitzubekommen, aber als sie das nächste Mal erwachte, war sie allein. Es war wie ein Film, von dem sie nur in großen Abständen ein paar Bilder mitbekam.

Sie war erstaunt, dass sie überhaupt erwachte. Oder war das hier vielleicht schon –? Nein. Sie glaubte an keinen Gott und auch nicht an irgendein Weiterleben nach dem Tod. Wenn man den Löffel abgab, gab man ihn ab, und damit war die Sache erledigt.

Also der Himmel ist das hier nicht, dachte sie, das steht fest. Aber was ist es dann?

Sie schaute sich um. Das war nicht ihr Zimmer. Während sie ihren Kopf drehte, bemerkte sie, dass es nicht so anstrengend war wie sonst. Der hohe Blutdruck, dachte sie. Vielleicht ist das der Grund. Das letzte Aufbäumen vor dem endgültigen –

Sie atmete tief durch. Auch das hatte sie schon lange nicht mehr tun können. So flach, wie sie normalerweise atmete, hob sich kaum die Bettdecke.

Und die Bettdecke war schwer heute. Sie drückte auf ihren Brustkorb. Vielleicht sollte sie nach der Schwester läuten, damit sie ihr half, sich anders hinzulegen. Ihre Hand tastete an der Seite des Bettes entlang, aber sie fand den Knopf nicht.

»Na, wie geht es Ihnen?«

Als hätte Ina ihren Wunsch telepathisch übertragen, kam eine energiegeladene Schwester hereingefegt.

Ina versuchte zu schlucken. Ihr Hals war jedoch ebenso trocken wie ihre Lippen. »Was –?«

Sie war mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt, dass sie auf der Intensivstation liegen musste. Die vielen Monitore und Kabel. Schläuche, die überall in sie hinein und aus ihr heraus führten. Hier war sie schon einmal aufgewacht, nachdem man sie mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren hatte, während sie zwischen Leben und Tod schwebte.

In der Intensivstation hatten sie es gerade so geschafft, ihr das Leben zu retten, aber seither hatte sie das Krankenhaus nicht mehr verlassen.

Vielleicht war heute etwas Ähnliches passiert wie damals. Ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen. Sie hatte es nicht mitbekommen, weil sie schlief, aber die Monitore, die auch an dem Bett in ihrem Stationszimmer standen, hatten es gemeldet, und dann war sie in die Intensivstation verlegt worden, um dort . . . zu sterben.

»Was . . . ist passiert?«, krächzte sie. Was wird passieren, wäre wohl die bessere Frage, dachte sie sarkastisch. Wie lange habe ich noch? Oder bin ich schon so gut wie tot? Dieser Druck auf meiner Brust . . .

»Sie haben gar nichts mitbekommen, oder?« Die Schwester strahlte ziemlich. Das war irritierend.

Vielleicht freute sie sich darüber, bald wieder ein freies Bett zu haben, wenn Ina es nicht mehr brauchte. War das Formular für die Leichenhalle schon ausgefüllt?

Wut regte sich in ihr. Warum ich? dachte sie. Warum ausgerechnet ich? Ich hatte noch so viel vor. Es gibt Leute, die leben nur so in den Tag hinein – und werden hundert. Ich bin gerade erst neunundzwanzig.

Sie würde ihren dreißigsten Geburtstag nicht mehr erleben, war das fair? Hatte sie irgendjemandem etwas getan? Wofür sollte sie büßen?

»Hatte ich . . .« Sie schluckte. Warum gab ihr die Schwester nicht mal einen Schluck Wasser? Lohnte sich das nicht mehr, so kurz vor dem Abnibbeln? »Hatte ich einen Herzstillstand?«

Die Schwester nickte. »Ja, Ihr Herz hat eine ganze Weile stillgestanden. Aber jetzt fühlen Sie sich besser, oder?«

»Ich . . . weiß nicht.« Ina hätte es wirklich nicht sagen können. »Kann ich . . . mein Mund . . . so trocken . . . trinken . . .«

»Nein.« Die Schwester schüttelte den Kopf. »Damit müssen Sie noch etwas warten. Sie haben ja den Tropf.« Sie zeigte auf Inas Arm.

Warten? Worauf? dachte Ina. Die wollen die paar Tropfen Wasser echt sparen?

Sie hätte fast gelacht. In den letzten Minuten seines Lebens lernte man die Menschen kennen. Dann, wenn sie glaubten, dass man es ihnen nicht mehr heimzahlen konnte.

»Der Arzt kommt bald. Ich sage ihm, dass Sie aufgewacht sind«, verkündete die Schwester in diesem Moment und verschwand genauso energiegeladen, wie sie gekommen war.

Sie könnte mir mal was abgeben von ihrer Energie, dachte Ina. Nur ein kleines bisschen. Damit ich aufstehen und ihr eine runterhauen kann, weil sie mich hier verdursten lässt.

Ach, es war ja alles sinnlos. Sie hatte so lange gekämpft, es so lange nicht akzeptieren wollen, aber es war wohl, wie alle behaupteten: In den letzten Minuten akzeptierte man es. Man kämpfte nicht mehr.

Ich will aber kämpfen! Ich will nicht einfach so abkratzen! Ich will –

»Frau Berger.« Der Arzt, den die Schwester angekündigt hatte, kam herein.

Ina kannte ihn. Es war der Chefarzt, für den sie viel Geld bezahlte – aber genützt hatte es nichts. Sie schaute ihn nur an. Sie würde die Frage nach dem Wie lange noch? nicht stellen. Er war der Antwort bisher immer ausgewichen, daran würde sich vermutlich bis zu ihrem letzten Atemzug nichts ändern. Dann würde er den Totenschein ausstellen, und dann war die Frage endgültig beantwortet. Nur hatte sie dann nichts mehr davon.

»Wie fühlen Sie sich?«, fragte er, ebenso wie die Schwester offenbar gutgelaunt. Freuten sich denn hier alle auf ihren Tod?

»Als hätte ich eine Tonne Blei auf der Brust«, entgegnete Ina mühsam. Ihr trockener Gaumen riss sich nur widerwillig von ihrer noch trockeneren Zunge los.

»Das gibt sich.« Er lachte. »Es ist bald vorbei.«

Da. Jetzt hatte er es gesagt. Bald. Nicht mehr lange. »Wann?« Nun hatte sie die Frage doch gestellt.

»Oh, ich denke, zwei, drei Tage. Nicht viel länger jedenfalls, allerhöchstens eine Woche.«

»Eine Woche?« Ina schluckte, und ihr Hals brannte, weil nichts zum Schlucken da war. »So bald?«

Er nickte. »Erfahrungsgemäß erholen sich die Patienten schnell, wenn die Krise erst einmal überwunden ist.«

Ina war so tief in Gedanken an ihren frühen Tod versunken gewesen, dass sie erst mit Verzögerung verstand, was er gesagt hatte. »Erholen?«

Er lachte erneut. »Ein bisschen Geduld müssen Sie schon noch haben. Ich weiß, es fällt Ihnen schwer, aber das neue Herz in Ihrer Brust muss sich erst an Sie gewöhnen – und Sie sich umgekehrt auch an Ihr neues Organ. Es soll ja eine lebenslange Freundschaft werden.«

»Ich – Was?« Inas Wunsch nach Wasser verwandelte sich in den nach etwas Härterem. Ein Schnaps wäre jetzt gut gewesen.

Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal Alkohol getrunken hatte. Um ihr Herz zu schonen, hatte sie auf alles verzichten müssen, was Spaß machte. Na ja, nicht ganz auf alles, aber es war selten geworden. Und immer mit einer gewissen Angst verbunden, was es noch seltener hatte werden lassen.

»Meine Güte.« Die Augen des Arztes zogen sich auf einmal zusammen. »Man hat es Ihnen noch gar nicht gesagt.« Er schüttelte den Kopf. »Ich dachte, das hätten sie.« Er trat auf Inas Bett zu und nahm ihre Hand. »Sie haben ein neues Herz. Es gab einen Unfall, und endlich einmal hat die Blutgruppe gestimmt. Sie waren so erschöpft und haben geschlafen, da haben wir Sie gleich in den OP gebracht. Das Herz musste ja sofort verpflanzt werden.« Er blickte väterlich auf sie hinunter. »Und das haben wir getan. Der Druck auf Ihrer Brust«, er warf einen Blick auf die Decke unterhalb von Inas Kinn, »das ist die vernähte Wunde und der Verband. Ist ein ziemlich großer Schnitt, das geht leider nicht mit einem kleinen Pflaster.«

»Sie . . . ich . . .« Der Monitor an Inas Bett begann zu flackern.

»Nicht aufregen.« Der Chefarzt drückte ihre Hand ganz fest. »Es ist alles vorbei. Sie haben es hinter sich.«

Langsam drangen die Worte des Arztes in ihr Bewusstsein. Ein neues Herz. Sie hatte ein neues Herz. Deshalb konnte sie auf einmal ihren Kopf so leicht bewegen, deshalb konnte sie atmen, deshalb war ihr Blutdruck zu hoch. Das neue Herz schlug kräftig in ihrer Brust, wie sie plötzlich bemerkte, kein Vergleich mit dem alten, und ihr Körper war noch nicht daran gewöhnt.

»Es . . . war ich . . . bin ich . . .?« Es flogen so viele Gedanken und Fragen in ihrem Kopf herum, sie konnte sie nicht einfangen, sie waren wie ein Schwarm Vögel, der mit einem Schlag aufgescheucht worden war.

»Ganz ruhig.« Er...