dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

So verführerisch wie deine Stimme

Rebecca Daniels

 

Verlag MIRA Taschenbuch, 2018

ISBN 9783955768973 , 128 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

4,99 EUR


 

1. Kapitel

»Er hat gesagt, dass er es nicht so lange aushält, weißt du, ohne … na ja … ohne es.«

»Ohne Sex?«

»Er ist ein Mann, er hat Bedürfnisse.«

»Und das war, während du im Streckverband lagst?«

»Genau. Sechs Wochen lang. Er hat gesagt, es dauert nur so lange. Nur solange ich … nicht kann. Er hat versprochen, danach würde es aufhören, und er würde sich nicht mehr mit ihr treffen, wenn ich erst wieder … na ja, wenn wir wieder … wieder …«

»Wir wissen, was du meinst. Und das war für dich okay?«

»Er ist ein Mann, er hat …«

»Bedürfnisse. Ja, das sagtest du bereits.«

»Aber dann, als ich aus dem Krankenhaus nach Hause kam, habe ich ihn gefunden. Den Brief.«

»Den Abschiedsbrief?«

»Ja.«

»Und er war längst weg, richtig?«

»Er ist mit ihr nach Alaska gefahren. Sie wollen Gold suchen.«

»Gold? Wow!«

»Gold?«

»Ja, deshalb braucht er auch meinen Wagen, hat er geschrieben.«

»Deinen Wagen?«

»Er hat Allradantrieb, er musste ihn sich ausleihen, weißt du, um in die Berge zu kommen.«

»Er hat ihn sich nicht ausgeliehen, Lady, er hat ihn gestohlen.«

»Er hat deinen Wagen genommen, ohne dich zu fragen?«

»Er hat ihn nur ausgeliehen. Er hat mir versprochen, ihn zurückzugeben, wenn sie reich sind.«

»Das nenne ich nicht Ausleihen, Sally. Das nenne ich Autodiebstahl.«

Jake lächelte.

»Aber ich vermisse ihn, Jane.«

»Du meine Güte, Lady, lass gut sein.«

»Sally, lass gut sein. Du vermisst ihn nicht, du kannst froh sein, ihn los zu sein. Er hat dich nicht verlassen, er hat dir einen Gefallen getan.«

Jakes Lächeln wurde breiter. Es war nicht das erste Mal, dass sie dasselbe dachten. »Sag’s ihr, Jane.«

»Du kannst von Glück sagen, dass diese Beziehung dich nur deinen Wagen gekostet hat.«

»Aber … aber ich liebe ihn.«

»Nun ja, wenn du das tust, verdient er deine Liebe nicht, Sally. Aber es wird jemanden geben, der sie verdient. Meint ihr nicht auch? Gibt es dort draußen jemanden, der einen Rat für die traurige Sally in Savannah hat? Oder die Geschichte einer verlorenen Liebe? Meldet euch bei mir. 1-800-NIGHT TALK. Ihr hört Lost Loves, ich bin Jane Streeter, eure Gastgeberin, und hier kommt sanfte Musik für aufgewühlte Herzen.«

Jake machte es sich auf dem schmalen Liegestuhl so bequem wie möglich, lauschte dem Saxofon und schaute zum nächtlichen Himmel hinauf. Es war spät, und er musste früh aufstehen, aber er war nicht müde. Die Musik, die Geschichten der Anrufer und vor allem die samtige Stimme von Jane Streeter, der Moderatorin der Radio-Talkshow, hatten ihn wach gehalten.

Sollte ihn allerdings jemand fragen, würde er bis zum letzten Atemzug bestreiten, dass er zur landesweiten Hörerschar von Lost Loves zählte. Schließlich hörten echte Männer sich keine Sendung an, in der es um »verlorene Liebe« ging. Aber wenn man allein auf dem Gipfel eines Bergs lebte, waren die Nächte lang, und Jane Streeters unter die Haut gehende Stimme half ihm, sich die Zeit zu vertreiben.

In der Schwärze auf der anderen Seite des Canyons tief unter ihm flackerte plötzlich ein winziges Licht auf. Automatisch griff Jake nach dem Fernglas. Kein Feuer, nichts Aufregendes, aber er würde es trotzdem überprüfen.

Er richtete den Feldstecher auf den leuchtenden Fleck. Nur ein Autoscheinwerfer auf der schmalen Bergstraße. Zu spät für Camper. Außerdem war noch keine Saison. Der Campingplatz würde erst in sechs Wochen öffnen. Vermutlich ein Bewohner von Vega Flats, dem kleinen Dorf, das dreitausend Fuß und fünfzehn sehr zerklüftete Meilen unterhalb des Turms lag. Wahrscheinlich Mac, der zu seinem Blockhaus auf dem Kamm zurückkehrte, nachdem er seine Taverne im Ort geschlossen hatte. Oder Ruby aus dem Köderladen, die nach Nachtkäfern oder einem verirrten Fohlen aus ihrer frei laufenden Herde suchte.

Jake folgte dem langsamen Weg der Scheinwerfer über die kurvenreiche Passstraße, bis sie in der dichten Vegetation verschwanden. Eigentlich hatte er vor, morgen in Flats vorbeizufahren, um seine Post abzuholen. Danach würde er sich den Erdrutsch am Wanderpfad zum östlichen Kamm ansehen. Vorsichtshalber würde er einen Blick auf den Abschnitt der Passstraße werfen, nur um sicher zu sein, dass der nächtliche Autofahrer sein Ziel erreicht hatte. Sie war schon am Tag gefährlich genug, nachts konnte sie tödlich sein.

»Da sind wir wieder, und wir haben Miss Priss aus Mississippi bei uns. Was möchtest du der traurigen Sally sagen?«

»Jane, nur eins. Und zwar soll sie heilfroh sein, den Mistkerl los zu sein. Hoffen wir für sie, dass er nicht zurückkommt.«

Miss Priss legte auf, und Jane lachte.

»Okay, Miss Priss, danke für den Rat. Rita in Rialto, wie lautet dein Tipp für Sally? Was soll ein Mädchen tun, wenn ihr Mann mit ihrem Geländewagen und der Nachbarin durchbrennt?«

»Ja, ich bin dran, Jane. Sally, Honey, wenn mein Mann mir das antun würde, würde er ein ernsthaftes Gespräch mit meiner Fünfundvierziger führen.«

»Fünfundvierziger? Autsch!« Lachend ließ Jake das Fernglas sinken.

»Wow, Rita, das ist hart, findest du nicht? Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt, was?«

»Oh, ich würde ihn nicht erschießen, Honey, sondern ihn nur zu Tode erschrecken. Und wenn das nicht reicht, hätte ich noch einen Freund drüben in San Bernardino, der ihn so bearbeiten kann, dass die Nachbarin nicht mehr viel Freude an ihm hat.«

Jake schüttelte den Kopf. »Raue Sitten in Rialto.«

»Okay, Rita in Rialto, danke für den Anruf. Hier kommt Harry von der Ostküste. Harry, was meinst du?«

»Ich finde, du hast recht, Jane. Es gibt dort draußen viele gute Männer, Sally. Vergiss den Schuft. Du bist zu gut für ihn, und lass dich nie wieder so respektlos behandeln.«

»Ein weiser Rat, Harry, danke. Und jetzt haben wir eine traurige Geschichte aus dem Nordwesten. Tim aus Tacoma. Du bist dran, Tim. Sprich mit mir.«

Jake lehnte sich wieder zurück, streckte die langen Beine aus und ließ sie über das Geländer baumeln. Es war ein milder Winter gewesen, und der Frühling war früher als sonst gekommen. Aber obwohl die ersten Märztage mild waren, herrschte um Mitternacht bittere Kälte, vor allem auf der Galerie, die die Kuppel des Beobachtungsturms umgab. Stellenweise lag noch Schnee, und das Thermometer, das am Pfosten neben der Tür hing, zeigte zwei Grad plus.

Er zog die Jacke fester um sich und griff nach dem Glas Wein. Die Kälte machte ihm nichts aus, aber selbst wenn, wäre er nicht hineingegangen. Der Himmel war ein Sternenmeer und eine kalte Nase und rote Ohren wert.

Er leerte das Glas und lauschte Janes erotischer Stimme. Es war still auf dem Berg, und sie driftete in die Dunkelheit hinaus wie der Wind durch die Mammutbäume. Es war die Musik gewesen, die ihn zuerst an Lost Loves gereizt hatte, eine Mischung aus modernem und klassischem Jazz, aber es hatte nicht lange gedauert, bis er sich auch den Rest angehört hatte – vor allem die Moderatorin selbst.

Jake hielt nicht viel von Talkshows, aber Janes Antworten waren so spontan und ungekünstelt, dass sie ihn neugierig machten. Die Frau erschien ihm natürlich und ohne die üblichen Allüren und aufgesetzte Melodramatik, die ihn an anderen Medienleuten so störte. Es war diese Art, ihre Kommentare, ihr Humor, der ihn Nacht für Nacht Lost Loves einschalten ließ – und ihre sexy Stimme.

»So, das war’s für diese Nacht. Vergesst nicht, morgen wieder einzuschalten. Dann vertritt mich hier die schlaue Füchsin Nancy Fox, während ich meinem Herzen eine kleine Erholungspause gönne.«

»Wer hat es dir gebrochen, Jane?«, fragte Jake, während er das Glas und den Feldstecher nahm und langsam aufstand.

»Aber am Montag bin ich wieder da. Mit dem besten Jazz und dem Schlimmsten, was die Liebe hervorbringt. Bis dahin seid ihr bei der Füchsin in den besten Händen.«

»Aber die ist nicht Jane«, meinte Jake. In den sechs Monaten, die er jetzt schon zuhörte, hatte ihre Vertreterin ihn jedes Mal gelangweilt. Aber dieses Mal störte es ihn nicht. Wegen Teds Hochzeit würde er die Talkshow in den nächsten Nächten sowieso verpassen.

Die Vorstellung, dass er bald den Berg verlassen und nach Los Angeles zurückkehren musste, ließ in ihm die verschiedensten Gefühle aufsteigen, und plötzlich fror er – was absolut nichts mit der Kälte zu tun hatte. Die Jacke schützte ihn vor der frostigen Nachtluft, aber nicht vor dem, was die Erinnerung in ihm weckte.

»Und vergesst nicht, die Liebe kann wunderschön sein, aber wenn sie vorbei ist, sind wir da, um euch zu helfen. Dies war Jane Streeter mit Lost Loves. Träumt, hofft und liebt, bis es wehtut. Bis zum nächsten Mal und gute Nacht.«

Jake warf einen letzten Blick zum Himmel hinauf. Der Wind hatte zugenommen, wisperte durch die...