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Kaltgepresst - Commissaire Papperins siebter Fall - ein Provencekrimi

Ignaz Hold

 

Verlag ambiente krimis, 2018

ISBN 9783945503218 , 456 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR


 

Dienstag, 25. April

Pierre Corbelle war nervös und aufgeregt, als er kurz vor der vereinbarten Uhrzeit seinen Citroën in die Parklücke vor dem Restaurant bugsierte. Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit gelang ihm dies erst beim dritten Versuch. Noch hatte er seiner Frau nichts von der Verabredung gesagt. Erst wollte er sich anhören, was der geheimnisvolle Dr. Marbon ihm anzubieten hatte. Das alles kam ihm etwas mysteriös vor. Aber womöglich war dies die Chance, auf die er immer gehofft hatte – nachdem das mit dem Lotto und dem Eurojackpot nie klappen wollte. Trotzdem blieb er skeptisch und misstrauisch.

Pünktlich um ein Uhr betrat er das Restaurant und blickte sich suchend um. Es war kein vornehmer Gourmettempel. Aber auch kein billiges Touristenlokal. Eher etwas, wo leitende Angestellte und Manager der umliegenden Unternehmen ihre Mittagspause verbrachten. Die meisten weiß eingedeckten Tische waren belegt. Pierre Corbelle ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Wer von den vielen Restaurantgästen könnte der Anrufer sein? Es gab zwei Tische, an denen nur eine Person saß. Er war sich unschlüssig, welche der beiden die richtige war. Da erhob sich an dem Tisch ganz hinten im Lokal ein Mann und winkte ihm zu. Er war mittelgroß und schlank. Er trug helle Jeans, ein dunkelblaues Sakko und ein hellblaues Hemd mit offenem Kragen. Sein Gesicht war braun gebrannt und wurde von sehr kurzgeschnittenen schwarzen Haaren und einem dunklen, leicht ins Graue changierenden Dreitagebart umrahmt. Während Pierre Corbelle auf ihn zuging, versuchte er den Mann zu taxieren und einzuordnen. Typischer Businessman der jüngeren Generation – etwa dreißig, so wie er selbst. Könnte ein Bankangestellter, Unternehmensberater oder Wirtschaftsprüfer sein, aber Anwalt passte auch. Der Händedruck war kräftig, aber nicht schmerzhaft. Er machte einen professionellen Eindruck auf Corbelle. Trotzdem blieb seine anfängliche Skepsis bestehen, wenngleich sie von einem schwachen Hoffnungsschimmer unterwandert wurde.

Was genau wollte dieser Rechtsanwalt von ihm?

Nach der förmlichen Begrüßung nahmen sie Platz und ein Kellner kam mit der Speisekarte an den Tisch.

„Ich empfehle Ihnen das Tagesmenü, mit dem plat du jour. Das ist hier immer sehr gut und frisch“, sagte der Anwalt. Auf seinen fragenden Blick zum Kellner leierte dieser die Speisenfolge herunter:

„Terrine de lapin avec sa confiture de figues, tranche de gigot avec des légumes du marché et après un dessert à la carte. “

Dr. Marbon und Corbelle nickten fast gleichzeitig. Beide maßen sie dem Essen offensichtlich wenig Bedeutung zu. Es ging um etwas Wichtigeres. Als Getränk bestellten sie zum Missvergnügen des Kellners nur de l‘eau plate, stilles Mineralwasser.

Voller Ungeduld wartete Corbelle darauf, dass Dr. Marbon ihm endlich sagen würde, was er ihm anzubieten hatte.

***

Der Business-Lunch war zunächst bei belanglos dahinplätscherndem Small Talk vorüber gegangen. Dann, beim café, hatte Dr. Marbon endlich sein Anliegen dem in finanziellen Nöten steckenden sous directeur Pierre Corbelle geschildert. Er war erstaunlich gut über Corbelles Geldprobleme informiert gewesen.

„Aus Gründen, für die Sie sich am besten nicht interessieren“, hatte er nach einiger Zeit die Katze aus dem Sack gelassen, „sind meine Auftraggeber bereit, Ihnen für eine kleine Gefälligkeit dreißigtausend Euro zu bezahlen.“

Dem sous-directeur schwante, dass es sich dabei um etwas Illegales handeln musste. Er wollte das Angebot schon entrüstet ablehnen. Doch dann erschien sein Kontostand vor seinen Augen. Er schloss den Mund wieder und verkniff sich die geharnischte Replik, die er dem Anwalt entgegenschleudern wollte. Vielleicht sollte er sich doch erst einmal anhören, woraus diese Gefälligkeit bestand.

„Welche Gegenleistung müsste ich denn für diesen Betrag erbringen?“

„Das ist eine längere Geschichte. Es geht um unlauteren Wettbewerb, um Betrügereien, mit denen meine Klienten um viel Geld gebracht wurden – um sehr viel Geld. Geschäftlich wurden sie ruiniert.“

„Und jetzt wollen sie sich rächen?“

„Sagen wir: Sie wollen für Gerechtigkeit sorgen“, antwortete der Anwalt. Nach einigem Zögern fügte er hinzu: „… indem sie ihren Gegner um den Ertrag der letzten Ernte bringen.“

Dann bestätigte Dr. Marbon, was Corbelle langsam klar zu werden begann.

„Ihre Großhandelsfirma Huiles Alimentaires SARL ist exklusiv mit dem Vertrieb des Olivenöls des betroffenen Unternehmens – Lascaut & Fils – beauftragt. Es handelt sich um hochpreisiges kaltgepresstes Qualitätsöl, huile d’olives extra vierge – pression à froid.“

„Und ich soll dafür sorgen, dass sich dieses Öl nicht mehr verkaufen lässt?“, führte Corbelle den Gedanken seines Gegenübers fort. „Indem ich es … “

Exactement! Indem Sie es manipulieren, seine Qualität herabsetzen. Wir würden Ihnen die erforderlichen Ingredienzen zur Verfügung stellen, die Sie dem Öl beimischen.“

Ausführlich machte der Anwalt klar, dass das Öl nicht ungenießbar gemacht werden sollte, sondern dass seine Qualität auf das Niveau von billigem Öl reduziert werden sollte, so, wie es zuhauf in Supermärkten und von Lebensmitteldiscountern angeboten wurde. Niemand würde dadurch gesundheitlichen Schaden nehmen. Aber das Öl ließe sich nicht mehr verkaufen – zumindest nicht zu dem hohen Preis. Außerdem würde die Lebensmittelbehörde dem Unternehmen das strenge Qualitätssiegel AOP – Appellation d’Origine Protégée entziehen.

„Sie sehen also, es ist zwar nicht ganz legal, was wir vorhaben. Aber eine Lappalie im Vergleich zu dem, was diese Leute meinen Klienten angetan haben“, versuchte der Anwalt, rechtliche Bedenken zu bagatellisieren.

Mit dem Betrag könnte er das Konto fast glatt stellen, überlegte Corbelle. Langsam begann seine Abwehrhaltung zu bröckeln. Trotzdem müsste er seine Sea-Ray verkaufen und sich von dem Erlös ein kleineres, billigeres Boot anschaffen. Die Differenz könnte dann reichen, um das Konto völlig auszugleichen. Zukünftig müsste seine Frau ihre Ansprüche eben deutlich herunterschrauben. Aber wollte er wirklich auf das große Boot verzichten, auf das er so stolz war? Und würde Jaqueline wirklich …?

Sein Gegenüber hatte sein Zögern bemerkt.

„Wenn alles zur Zufriedenheit meiner Klienten abläuft, denken diese auch an eine Verlängerung der Geschäftsbeziehungen mit Ihnen.“

„Wollen Sie sich noch an jemand anderem rächen?“

„Nein, aber eventuell die nächste Ernte …“

Dann könnte er das Boot doch behalten, überlegte Corbelle.

„Fünfzig! Und ich mache es“, versuchte er, den Preis zu steigern. Doch der Anwalt schüttelte den Kopf.

„Dreißigtausend, mehr zuzusagen bin ich nicht befugt.“

Er war hart geblieben und schließlich hatten sie sich auf diesen Betrag geeinigt. Dr. Marbon zog aus der Innentasche seines Sakkos ein längliches weißes Briefcouvert.

„Das sind fünftausend als Anzahlung. Den Rest erhalten Sie nach Erledigung des Auftrags. Ich werde mich dann bei Ihnen melden. Sollte es unerwartete Probleme geben, erreichen Sie mich unter dieser Nummer.“ Er gab seinem Gegenüber eine kleine graue Visitenkarte, stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort das Lokal.

***

Auf der Rückfahrt in seine Firma hatte Pierre Corbelle viel nachzudenken. Welch merkwürdiges Treffen! Jetzt im Nachhinein kam ihm das alles völlig surreal vor. Vielleicht wollte jemand nur einen Scherz mit ihm treiben. Er zog die kleine Karte aus seiner Hemdentasche und hielt sie sich, die Hand oben am Lenkrad, vor Augen.

Dr. Bruno Marbon

Avocat

+39-634 7782

Marbon@avocat.eu

Keine Adresse, kein Hinweis, dass er für die internationale Gesellschaft arbeitete, als deren Vertreter er sich damals am Telefon vorgestellt hatte. Vielleicht war wirklich alles nur ein Spaß, ein verspäteter Aprilscherz. Oder er war Opfer der TV-Sendung invisible caméra cachée – versteckte Kamera. Aber wer sollte sich diesen Ulk mit ihm erlauben? Und außerdem gaben die sich doch immer zu erkennen.

Und das Geld? An seiner Brust fühlte er den leichten Druck des dicken Couverts in der Innentasche seines Blazers. Er hatte sich im Restaurant nicht getraut, es zu öffnen und nachzuzählen. Jetzt nahm er den Umschlag und betrachtet ihn. Er war nicht zugeklebt. Er schob die Lasche nach oben und ein Bündel von hellgrünen Scheinen leuchtete ihm entgegen. Er hielt am Straßenrand an und zählte: Fünfzig grüne Hunderteuroscheine. Der Anwalt meinte es also wirklich ernst. Es handelte sich nicht um einen Scherz und ihm, Pierre Corbelle, bot sich die Chance, seinem finanziellen Dilemma zu entkommen.

Aber wie konnte er das hinbekommen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen?

Das Mittel unbemerkt dem Öl der Firma Lascaut et Fils beizumischen war kein Problem. Als stellvertretender Leiter der Vertriebsabteilung war es üblich, dass er länger als alle Arbeiter im Unternehmen blieb. Niemand würde deshalb sehen, wenn er sich abends am Container des Ölproduzenten Lascaut et Fils zu schaffen machte. Den Nachweis, dass das Öl im Lager der Huiles Alimentaires manipuliert worden war, würde man nicht führen können. Genauso gut konnte es bereits in diesem...