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Blood & Roses - Buch 2

Callie Hart

 

Verlag Festa Verlag, 2019

ISBN 9783865527165 , 100 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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4,99 EUR


 

DREI

Zeth

Dieses bescheuerte Weib hat gesagt, ich soll um zwei bei ihr im Büro sein, aber das kommt nicht infrage. Sie hat Sloane ersucht mitzukommen, aber da sie arbeiten muss, hat diese zimperliche Seelenklempnerin bestimmt einen anderen Anstandswauwau für unser Treffen aufgetrieben, und sei es nur, um Sloane etwas zu beweisen: Dieser Typ ist niemand, mit dem du Zeit verbringen solltest. Wahrscheinlich hat sie damit sogar recht. Trotzdem macht es mich stinksauer. Sie hat ja keine Ahnung, was ich bisher getan habe, um für die verfickte Sicherheit ihrer Freundin zu sorgen.

Jedenfalls bin ich froh, dass Sloane nicht mitkommen kann. Seit ich ihr gestern an der Wand das Hirn rausgevögelt habe, bin ich in mieser Stimmung. Ich hätte das Seil nicht weglegen sollen. Stattdessen hätte ich sie fesseln und mit ihr anstellen sollen, wonach auch immer mir zumute gewesen wäre. Ich hätte sie benutzen sollen, wie ich es noch mit jeder anderen gemacht habe, die ich je gefickt habe.

Und dennoch, beim Anblick des zögernden Ausdrucks in ihrem Gesicht habe ich es mir spontan anders überlegt. Es ist nicht so, dass ich es nicht hätte tun können. Ich hätte es sehr wohl tun und mehr genießen können als jeder normale Mensch. Nur wollte ich nicht, dass sie sich so fühlt. Und dann hat Sloane alles ruiniert, indem sie mich geküsst hat. Danach habe ich die Nerven verloren und bin davongestürmt. Sie zu sehen ist im Augenblick das Letzte, was ich brauchen kann. Also ja, es ist gut, dass sie bei der Arbeit ist und nicht in Pippa Newans Praxis neben mir sitzen wird.

Ich komme zu Mittag dort an. Das Gebäude überblickt den Greenlake Park. Der Ort bietet das volle Spektrum herbstlicher Farbenpracht – Rot-, Orange-, Rostbraun- und Grüntöne. Die Blätter sind zu großen Haufen zusammengeharkt und warten um die Stämme der Bäume darauf, eingesammelt zu werden. Familien gehen mit ihren Hunden Gassi, Mütter schieben ihre Kinder auf Schaukeln an. Ein Paar spaziert gemächlich zusammen, die Arme beieinander eingehakt, eingemummt in dicke Jacken. Dampf steigt aus Kaffeebechern auf, aus denen sie nippen. Hier sind wir nicht im Getto.

Sloane hat versucht, ihre Freundin wie eine verfluchte Heilige darzustellen, weil die sich dazu herablässt, Verbrecher auf ihre Patientenliste zu setzen. Allerdings sieht hier alles nach Highlife in der Vorstadt aus. Wäre ich so vorurteilsbehaftet wie Pippa, würde ich vermuten, dass sie reich und fett von den Zuschüssen wird, die ihr die Regierung zahlt, damit sie sich der Penner annimmt. Und ihre auf Bewährung entlassenen Patienten sind wahrscheinlich stinksauer darüber, dass sie den ganzen Weg in dieses beschissene Viertel rausfahren müssen, wo ihnen unter die Nase gerieben wird, dass sie sich hier nie eine Wohnung werden leisten können. Irgendwie eine ziemlich kräftige Verarsche.

Ich treibe mich vor dem Gebäude herum und behalte den Eingang im Auge, während ich eine Zigarette rauche. Ich weiß, dass es hier eine Sicherheitskontrolle geben wird. Wahrscheinlich mit einem Concierge, der zugleich als Mann fürs Grobe fungiert, falls die Kundschaft aufmüpfig wird, weil die gute Frau Doktor keine Valium-Verschreibungen rausrücken will.

Kaum habe ich die Kippe weggeschnippt, zünde ich mir eine weitere an. Die Kälte kriecht durch meine Lederjacke und nistet sich in meinen Knochen ein. Nach einer Weile stehe ich auf und laufe hin und her, während ich rauche und die Tür weiter beobachte. Trotz aller Aufmerksamkeit verpasse ich beinah meine Chance, als sie sich bietet.

Ein junger Bursche, 20, vielleicht 21 Jahre alt, läuft die Stufen rauf. Seine Jeans sitzt so tief, dass sie kaum den Arsch bedeckt, die Baseballmütze trägt er mit dem Schirm nach hinten. Ich schnippe die Fluppe weg. Ein Funkenschauer zieht sich in hohem Bogen durch die Luft, als ich lospresche, um den Kerl einzuholen. Die Stufen nehme ich drei auf einmal. Der Junge hat den Finger schon am Klingelknopf, als ich ihn hinten am Kragen packe.

»Ich bin dein Onkel«, sage ich mit knurrendem Unterton. Er wirbelt herum, ist bereit zuzuschlagen, hat die Züge zornig verzogen. Aber als er mich richtig sieht, rudert er ein wenig zurück.

»Was soll das werden? Du bist nicht mein Onkel, Alter.« Nicht meine Größe flößt ihm Respekt ein, obwohl ich schon größer als der kleine Punk bin. Es ist der Ausdruck in meinen Augen. Der Blick, der besagt: Glaub bloß nicht, ich würde dich nicht allemachen, wenn du dir jetzt einen Fehler erlaubst.

»Jetzt gerade bin ich dein Onkel. Wenn wir im Gebäude sind und die Treppe hochgehen, bin ich immer noch dein verfickter Onkel. Wenn wir die Praxis erreichen, bist du weg. Dann seh ich besser keine verfluchte Spur mehr von dir.«

Der Junge hört den warnenden Unterton in meiner Stimme, aber ich muss sagen: Ehre, wem Ehre gebührt. Er behauptet sich. »Ich muss zu der Psychotante, Mann. Wenn ich den Termin verpasse, fahre ich wieder ein, und das wird nicht passieren. Ehrlich.«

»Mach dir darüber keine Sorgen. Ich werd dafür sorgen, dass dir die gute Frau Doktor keinen Kummer macht.«

»Hallo?« Die knisternde Stimme, die aus dem Lautsprecher in der Mauer dringt, gehört einer jungen Frau. Ich hefte einen bitterbösen Blick auf den Burschen. Er soll daraus ablesen, dass er bis zum Hals in der Scheiße steckt, wenn er den nächsten Teil vermasselt. Er bedenkt mich seinerseits mit einem giftigen Blick und zuckt mit den Schultern.

»Yo, ich bin’s, Antonio. Ich muss zu Doc Newan.«

»Hi, Antonio! Komm rauf.«

Die Tür summt und ein Riegel löst sich. Antonio schiebt die Tür auf und wir marschieren hinein – der Berg von einem Mann, der uns auf der anderen Seite erwartet, gehört zur unfreundlichen Sorte. Ex-Soldat. Marines rieche ich eine Meile gegen den Wind. Obendrein ist der Pisser schlau. Er schnallt auf Anhieb, dass etwas nicht stimmt, als er mich erblickt.

»Weiß Dr. Newan, dass Sie heute einen Gast mitbringen, Mr. Fletcher? Sie wissen ja, Überraschungsbesucher kann sie nicht leiden.«

»Ja, Franz. Reg dich ab. Er ist mein Onkel. Sie hat gesagt, ich soll ihn mitbringen.«

Der Wachmann, Franz – wer zum verfickten Geier nennt sein Kind Franz? –, mustert mich. »Ich dachte, dein Onkel wäre derzeit in Haft.«

»Bin gerade aus SeaTac raus«, melde ich mich zu Wort.

»Ja, Sie sehen auch aus, als wären Sie frisch aus dem Bus gestiegen«, erwidert Franz. Nicht allzu freundlich drückt er mir einen Ablagekorb an die Brust. »Dann sollten Sie ja noch wissen, wofür das ist.«

Ich leere die Taschen in den Ablagekorb und lächle den Wachmann dabei strahlend an: Brieftasche, Handy, Schlüssel. Die Knarre hab ich bewusst im Auto gelassen. Auf dem Telefon oder in der Brieftasche ist nichts, was mir ernsthafte Probleme bereiten könnte. Franz beäugt mich, als könnte er nicht glauben, dass ich unbewaffnet bin. Ich hebe die Arme zu den Seiten an – durchsuch mich doch, du Schwanzlutscher. Er ignoriert die Geste und drückt den Ablagekorb Antonio in die Hand. Eine abgegriffene Busfahrkarte, ein einzelner Hausschlüssel und ein zerknitterter Zwanziger wandern nach meinem Zeug in den Korb. Mich beschleicht das Gefühl, dass der Inhalt seiner Taschen so ziemlich alles ist, was Antonio auf der Welt besitzt.

»Die Sachen warten hier auf dem Weg nach draußen auf Sie.« Franz deutet mit dem Kopf auf den Durchgang hinter ihm. »Beeilen Sie sich besser. Sie kommen noch zu spät.«

Die Praxis ist im zweiten Stock und verschissen protzig. Als wir eintreten, ist die Besitzerin der temperamentvollen Stimme aus der Gegensprechanlage bereits auf den Beinen und hopst förmlich vor … ja, vor was? Freudiger Erregung? Sie kann selbst höchstens 20 sein. Blonde Haare, ein knackiger Körper in einem Rock und einem Blazer geradewegs aus Natürlich blond. Sie grinst, als sich ihr Blick auf den Jungen neben mir heftet.

»Hi, Antonio.«

»Was geht, Patricia? Das, äh, das ist mein Onkel.« Zwischen den beiden läuft etwas, und es ist eklatant offensichtlich. Die junge Frau besteigt den kleinen Pisser praktisch vor meinen Augen. Ihr ekstatisches Lächeln stumpft ein wenig ab, als sie mich einer näheren Musterung unterzieht.

»Oh. Hallo, Sir. Sind Sie mitgekommen, um Tony Beistand zu leisten?«

»So ungefähr.«

»Möchten Sie sich setzen?«

»Eigentlich dachte ich eher, Sie und Antonio könnten sich ein wenig die Skyline anschauen gehen oder so. Ich muss mich mit Dr. Newan über Antonios Sitzungen unterhalten.« Ein Geniestreich. Wenn die zwei ohne mich unten aufkreuzen, habe ich diesen übereifrigen Wachmann in zwei Sekunden hier oben.

»Äh, ich soll den Empfangsschalter nicht verlassen.«

Ich sehe Antonio nur an.

»Komm schon, Trish. Alles cool.« Er streckt die Hand aus und mein Verdacht wird bestätigt. Trish läuft hochrot an, als sie die Hand ergreift. Vorsichtig schiebt sie sich an mir vorbei, als wäre ich der Teufel in Person. Kluges Mädchen. Als die zwei weg sind, pflanze ich mich auf einen Stuhl im nunmehr verwaisten Warteraum und tue, was die Bezeichnung besagt: Ich warte. Die Gegensprechanlage am Empfangsschalter summt mehrmals. Sieben Minuten später schwingt eine Tür weiter unten im Flur auf, und eine große Brünette im Hosenanzug stapft heraus.

»Patricia, wie oft denn noch?! Wenn es summt, bedeutet das, ich …« Sie erblickt mich. Hält inne. Legt die Hände an die Hüften. Ein Verteidigungsmechanismus. Wenn man von einem Bären angegriffen wird, sollte man versuchen, selbst...