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Wie ich einmal versuchte, reich zu werden - Mein Jahr unter Spekulanten

Heike Faller

 

Verlag Deutsche Verlags-Anstalt, 2009

ISBN 9783641010508 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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15,99 EUR


 

Ich hatte einmal 40 000 Euro. Jahrelang lag das Geld auf dem Sparkonto, wo es nicht mehr, aber auch nicht weniger wurde. Als ich dreiunddreißig Jahre alt war, kaufte ich davon vierzig Krügerrands, vierzig Kilobarren Silber, siebenhundert Gramm Palladium und acht schwere Platten aus Platin. Eine Sparkassenangestellte in Bayern schob mir das Metall über den Schalter, gefolgt von einer Kassette, in der ich meine Schätze verwahren sollte. Auf knisternden Belegen quittierte ich den Erhalt von Edelmetallen im Wert von 39 414,84 Euro.
Es war ein Hochsommertag. Draußen brannte die Sonne auf Teer und Blech, drinnen stand ich frierend im klimatisierten Schalterraum und warf einen langen letzten Blick auf meine Schätze. Es waren die Ersparnisse meines ganzen Lebens, die ich in diesem Moment, gegossen in Metall, vor mir hatte: Geld, das ich von Zeilenhonoraren und Gehältern auf die Seite gelegt hatte; die Erlöse eines Bausparvertrages, in den meine Eltern für mich einbezahlt hatten; 1500 Euro, die meine Oma, eine Bäuerin aus Oberbayern, jedem ihrer zwölf Enkel hinterlassen hat; Geld, das ich hatte sparen können, weil der Staat und zwei Stiftungen mein Studium und meine Journalistenausbildung mitfinanziert hatten. Sogar die Ersparnisse des orangefarbenen Kindersparbuchs, auf dem ich Kommunionsgeschenke, Geburtstagsüberweisungen und Sparschweinmünzen zusammengetragen hatte, waren irgendwie in diese Metallstücke eingeflossen, die zusammen ziemlich genau in ein Schließfach von der Größe einer Schuhschachtel passten. Ich legte sacht den Deckel auf das Kästlein, drehte ein Schlüsselchen im Schloss und schob das Behältnis in einen kleinen Lastenaufzug, der, nachdem ich eine Geheimzahl vorgegeben hatte, leise quietschend in die Tiefe wackelte. Als Code wählte ich die Zahl des Jahres, in dem die Weltwirtschaftskrise begonnen hatte: 1929. Ein bisschen so wie damals, so war mir gesagt worden, würde die Welt aussehen, wenn ich eines fernen Tages wieder hier stehen würde, um meine Schätze abzuholen. Klingt irre, dachte ich. Nicht, dass ich es hätte beurteilen können.

Bis zu jenem Tag im Sommer 2004 hatte mich Geld nicht interessiert. Meine Ersparnisse lagen auf dem Sparkonto, und manchmal rief ein Bankberater bei mir an, um mit mir über 'Vermögensbildung' zu sprechen, ein Wort, das auf mich eine einschläfernde Wirkung ausübte, die nur von Worten wie 'Altersvorsorge' oder 'Rentenreform' übertroffen wurde. Ich sagte, dass ich darüber nachdenken würde, aber ich dachte nicht darüber nach. Ich sagte, dass ich zurückrufen würde, aber ich rief nie zurück. Ich befand mich in der luxuriösen Situation, mehr Geld zu verdienen, als ich zum Leben brauchte, noch mehr haben zu wollen, womöglich auf Kosten anderer, erschien mir gierig, vielleicht sogar unmoralisch, schlechtes Karma. Allein der Ausdruck 'sein Geld für sich arbeiten lassen' löste bei mir unangenehme Assoziationen aus. Schließlich arbeitete ich selbst. Und zwar gern. Ich hatte seit Jahren eine sichere und gut bezahlte Arbeit als Redakteurin. Das sollte mir reichen. Es mag arrogant klingen, aber ich konnte in dieser Zeit nicht erkennen, welchen Unterschied fünf oder acht Prozent Rendite, die mir mein Geld im besten Fall einbringen würde, in meinem Leben machen sollten, hatte aber den Verdacht, dass andere Leute es bemerken könnten, und zwar schmerzlich. Was bedeutete das überhaupt, in einen Fonds zu investieren? Würde ich mich damit nicht mitschuldig machen an Elend und Ausbeutung, also genau den Zuständen, die wir Journalisten anprangern? Woher sollte ich wissen, ob ich auf diese Weise nicht Teilhaberin an einem Waffenproduzenten oder Kinderarbeitsprofiteur würde? Ich habe keine Zeit, dachte ich, auch noch herauszufinden, ob ich mit meinen Investitionen dazu beitrage, anderen das Leben schwer zu machen.
Außerdem habe ich ein Problem damit, Zahlenpost aufzumachen. Weshalb ich es nicht mal mitkriegen würde, wenn mein Fonds pleiteginge. Jahrzehnte später, als zittriges Ömchen, würde ich vielleicht einen hoffnungsvollen Blick in die vergilbten Unterlagen werfen und feststellen, dass der Fondsmanager aus Frankfurt sein Geschäft vor langer Zeit zugemacht hat.
Und so kam es, dass mein Geld jahrelang auf dem Sparkonto dämmerte. Es vermehrte sich nicht, aber es verminderte sich auch nicht. Sogar den Aufstieg und Fall der New Economy habe ich verpasst: Während meine Kollegen jeden Morgen an ihre Bildschirme stürzten, um die Kurse abzurufen, tat ich: nichts. Wenn wieder mal ein Azubi vorgeschickt wurde, um mich, eine der letzten aktienlosen Deutschen, anzurufen, dachte ich arrogant: Der größte Luxus, den man sich von seinem Geld leisten kann, Junge, ist es, sich nicht um Geld kümmern zu müssen, aber das verstehst du jetzt noch nicht. Kann sein, dass ich es in abgeschwächter Form auch mal so gesagt habe. Aber in Wahrheit war mir das alles einfach zu kompliziert.

Erst später wurde mir klar, dass andere genauso verwirrt waren. Um zu wissen, dass der Mensch kein rational handelnder, jederzeit auf seinen Vorteil bedachter Homo oeconomicus ist, genügen ein paar Gespräche mit anderen Menschen. Den meisten zerrinnt das Geld. Nur wer Schulden hat, spart systematisch. Viele kaufen Häuser, weil sie das für solide halten, ohne zu bemerken, dass sie damit alles auf eine Karte setzen. Eine Kollegin bezahlt hohe Zinsen für einen Wohnungskredit, während sich auf einem niedrig verzinsten Girokonto gleichzeitig neues Guthaben sammelt. Einer erzählt seit Jahren, er könne sich aus Nostalgie nicht von seinen abgestürzten Dot-Com-Aktien trennen. Es ist eine schöne Partyanekdote, die ihn ein paar zehntausend Mark gekostet hat. Ein Kollege, der aus Ostberlin stammt, hat sein bisschen Geld, 10 000 Euro, seit der Wende auf dem Sparbuch liegen und auch von zu Hause kein Erbe zu erwarten.
Er ist Anfang fünfzig, und ich kann gut verstehen, dass er in eine Angststarre verfallen ist, denn wenn er nicht bald eine gute Idee hat, wird er als Rentner Gitarre in der U-Bahn spielen.
Und die, die was tun, tun meistens das Falsche: Neulich lernte ich eine Frau kennen, die sich im Sommer 2008 von ihrer Bank, als die 'Emerging Markets' bereits abgestürzt waren, 'China, Brasilien, Indien' verkaufen ließ. Meine Eltern haben sich ein Zertifikat auf Daimler gekauft, das, vereinfacht gesagt, so gestrickt ist, dass die Bank die Gewinne bekommt und der Anleger bei sinkenden Kursen nachkaufen muss. Ihr Vorteil? Sie erhalten dafür einen Prozentpunkt mehr Festzins als auf dem Sparbuch. Der Berater, der ihnen das Papier empfohlen hat, wohnt ein paar Straßen weiter.