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Ein guter Mann - Roman

Jacques Berndorf

 

Verlag Heyne, 2009

ISBN 9783641026363 , 416 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR

  • Land der Dornen - Australien-Saga
    Der Rächer - Roman
    Tote Mädchen lügen nicht
    Mord im Nordwind
    Shantaram
    Der Banknotenfälscher - Roman
    Im Zeichen der roten Sonne
    Der Derbysieger - Roman
 

 

PROLOG
Basie Blossom nahm die breite Straße, die parallel zum Strand verlief. Er ließ den nachtschwarzen Cadillac ganz langsam rollen, weil er Zeit hatte. Das mit der Frau drängte nicht.
Überall waren große und kleine Gruppen von Spaziergängern zu sehen, Touristen, die die Getränkestände umlagerten oder mit ihren breiten Fernsehärschen im Sand saßen und Bier saufend zusahen, wie die kleinen Wellen träge den Strand hinaufliefen. Basie nannte sie voller Verachtung Sixpack-Pack. In ein paar Tagen würden sie den Nachbarn zu Hause wichtigtuerisch erklären: »Also, wir waren ja jetzt kurz auf den Bermudas, ewiger Sonnenschein und so. Muss man ja auch mal gesehen haben …«
Basie hasste diese Sorte Touristen, weil die meisten von ihnen es nicht geschafft hatten und es auch nie schaffen würden. Und weil er bei vielen von ihnen die Zeichen entdeckte, die er an sich selbst vor Jahren so gehasst hatte: dieses ewige Auf-der-Stelle-Treten, dieses lebenslängliche Abstottern von Kleinkrediten, diese biergefüllten Bäuche und diese fetten, wabbelnden Ärsche, bei denen man nie wusste, wo sie anfingen und wo sie aufhörten. Er nannte sie immer Kniekehlenärsche.
Basie hatte nicht damit gerechnet, dass der Chef ausgerechnet jetzt Lust auf eine Bestrafung Evas haben würde. Die Geschäfte liefen überall auf der Welt ganz ruhig, und es gab keinen Stress, nirgendwo. Im Gegenteil: Plötzlich war die Nachricht gekommen, dass die Regierung im Sudan die Waffen trotzdem haben wollte, wenn möglich schon gestern. Und der Chef hatte sanft ins Telefon gegrinst und gesagt: »Na, dann schicke ich sie euch rüber …«
Aber anschließend hatte der Chef mit dem Kardinal telefoniert und sich furchtbar aufgeregt. Wahrscheinlich klappte es wieder mal nicht mit der deutschen Politik, wahrscheinlich quasselten sie nur, statt irgendetwas zu entscheiden. Jedenfalls hatte er danach Basie gerufen und angeordnet: »Wir wollen heute Abend eine Eva sehen, eine schmutzige, kleine Eva …« Und gleichzeitig hatte er bestimmt, dass Pater Anselm den Abend irgendetwas außerhalb des Hauses unternahm, einen Besuch im Kloster der Minoriten vielleicht. Es war gut, Pater Anselm wegzuschicken, wenn eine Eva kam.
Basie steuerte den Wagen nach links in das Gebiet des alten Hafens hinein, wo die meisten Kneipen und Destillen der Einheimischen lagen und die meisten billigen Nutten zu haben waren. Hier trieben sich noch mehr Touristen herum. Die fanden das alles sicher sehr romantisch und wahrscheinlich hofften sie, gleich käme Kapitän Hook mit federbesetztem Dreispitz um die Ecke und würde drohend seinen Hakenarm schwingen. Wie sagte der Chef immer? Dieses Amerika kann nur von Walt Disney erschaffen worden sein.
Basie fuhr den Cadillac auf den Parkplatz vom Coque d’Or, wo der alte Billy von morgens bis abends angeblich auf die Autos aufpasste und dafür manchmal einen Dollar kassierte. Mittags schickte Scooter aus der Bar dem Billy ein Essen auf den Platz, weil er ein paar schmutzige französische Lieder singen konnte, von Belle zum Beispiel, die niemals eine Hose unterm Rock trug. Dann stand Billy mit seiner zerkratzten Gitarre breitbeinig vor einer entzückten Touristengruppe und sang seinen Text, und die Touristen johlten und fotografierten ihn und spendierten ihm ein paar Münzen.
»He, Billy«, sagte Basie freundlich und reichte dem Alten fünf Dollar. »Ich suche ein Auto, möglichst alt und vergammelt. Hast du da was?«
»Du könntest den Toyota von Tragger nehmen. Der fällt bald auseinander. Tragger fährt sowieso nicht mehr, weil er meistens besoffen ist. Soll ich ihn fragen, wie viel er haben will?«
»Tu das«, nickte Basie. Es war wichtig, dass keine Spur zum Chef führte.
Er ging in die alten Gassen hinein und genoss das Gewimmel der vielen Menschen. Es gab ihm ein Gefühl der Sicherheit, und hätte er die Wahl gehabt, hätte er sich genau hier eine Wohnung besorgt. Eines Tages würde er das wirklich tun.
Er steuerte die Royal Canadian Bank an und fragte sich zum hundertsten Mal, wieso es die hier gab. Musste was mit Geldanlagen zu tun haben, mit der Art Geschäfte, die der Chef machte. Das war aber eigentlich auch ganz egal, für Basie zählte nur das Konto, das er seit sechs Jahren dort hatte. Und das war hübsch fett und sah verdammt gut aus.
Irgendwer musste schließlich das Geld, das an den Rändern ihres Lebens reichlich heruntertropfte, aufsammeln und einsacken. Da war die Sache mit den siebentausend US-Dollar für frisch nach Beirut eingeflogene Austern. Die waren nicht gekommen, und der Chef hatte sie auch nicht vermisst, und dieser blöde Scheich sowieso nicht. Na ja, solche Dinge eben. Basie hatte in Harper’s Bazaar gelesen, dass internationale Kreise den Chef für einen der reichsten Männer der Welt hielten, mit einem Dutzend Milliarden sicherlich oder mehr.
Hinter dem Schalter saß wieder dieser Milchbubi, dem Basie privat nicht einmal einen Hundertdollarschein anvertraut hätte. Seine makellos weißen Hände hatten wahrscheinlich noch nie einen Hammer berührt.
»Ich möchte etwas einzahlen«, sagte Basie.
»Selbstverständlich, Mister Blossom. Wie viel soll es sein?«
»Siebentausend«, sagte Basie und legte dem Milchbubi einen Umschlag hin.
»Darf ich Sie bei der Gelegenheit über ein paar gute Anlagen informieren, Sir?«
»Nein«, sagte Basie. Das versuchte der Junge nun seit Jahren, und es klang jedes Mal gleichermaßen nichts sagend. »Wie viel habe ich jetzt?«
»Äh, wie bitte?«
Basie hatte den Jungen beim Zählen gestört.
»Also, Sie haben, Sir … Sie haben jetzt auf diesem Konto dreihundertdreißigtausendvierhundertvierzig Dollar.«
»Das ist schön«, sagte Basie und nahm die Quittung entgegen.
Das Schönste dabei ist aber, dachte er, dass du nicht weißt, dass ich weder Basie heiße noch Blossom, dafür aber erstklassige Papiere auf diesen Namen habe, weil mein Chef nur erstklassige Papiere wollte. Basie Blossom, so etwas Irres konnte nur dem Chef einfallen.
Er schlenderte aus der Bank, ließ sich treiben, bog am Ende der Straße nach links ab und ging auf die großen Schuppen zu. Auf diesen paar hundert Metern standen die meisten Nutten, und je weiter er vorankam, desto billiger wurden sie.
Als sie ihn kommen sahen, machten sie ein paar Schritte nach vorn und hoben das Röckchen, falls sie eines trugen. Sie boten ihm alles an, und ihre Stimmen waren rau vom billigen Ganja und dem vielen Fusel.
»He, Sweeties!«, rief Basie und sah sehr genau in ihre gierigen Gesichter.
»Willst du mich, oder willst du uns alle?«, fragte eine von ihnen, die keine Zähne mehr hatte und uralt aussah.
»Alle!«, sagte Basie scheinbar verblüfft.
Dann lachten sie zusammen.
Die Alte kam nicht infrage, weil der Chef Frauen ohne Zähne auf den Tod nicht ausstehen konnte.
Es waren alles in allem vielleicht sechzig bis siebzig Frauen, und sie standen beiderseits der Fahrbahn, schrien derbe Anzüglichkeiten und rissen sich nicht die Spur zusammen, weil Basie ein Mann war, von dem sie sicher wussten, dass er niemals eine von ihnen kaufen würde.
Ein Nigger, der so wohlgenährt war und so gut in teures graues Tuch gekleidet wie Basie, ging hier nur durch, weil er mal frische Luft schnappen wollte. Und zu Hause hatte ein so feiner Mann selbstverständlich eine Zuckerpuppe, die sich den ganzen Tag einölen und lange blutrote Nägel feilen konnte, die niemals abbrachen. Die Stunde der billigen Frauen auf dieser stillen Straße würde später kommen, wenn die Touristen in den Kneipen betrunken und geil waren.
Basie drehte sich gemächlich um und ging auf der anderen Straßenseite zurück. Dann sah er eine, von der er annahm, dass sie dem Chef liegen würde. Sie stand einen Schritt zurück im Schatten eines Vorbaus. Sie hatte ihr langes Haar grell mit Henna gefärbt, und ihr Gesicht war schmal, fast mager. Sie sah ein bisschen krank aus, und sie war sicher nicht älter als dreißig, na ja, fünfunddreißig vielleicht. Sie war schlank und hatte unendlich lange Beine. Und weil sie das wusste, trug sie nichts als ein knappes Höschen und ein weit offen stehendes weißes Männerhemd. Irgendwie war sie schön, mit Augen, die steinhart wirkten und sehr viel gesehen hatten.
»He«, sagte Basie. »Stehst du oft hier?«
Sie war misstrauisch, und sie zeigte es. »Bis ich die Miete zusammen habe«, antwortete sie.
»Da könnte ich helfen«, sagte Basie. »Ich hab da einen Freund, der auf so jemand wie dich steht. Wie sieht’s aus? In einer Stunde?«
Sie verzog ihren Mund. »Will der mich etwa hier vögeln, oder wie?«
»Nicht doch«, sagte Basie. »Ich komme vorbei, lade dich ein.«
»Was bringt das?«, fragte sie schnell.
»Ich lass dir jetzt einen Hunderter da, dafür verlange ich, dass du in einer Stunde fertig hier stehst. Ich fahr dich auch hierher zurück. Insgesamt bringt das...