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Perry Rhodan 3026: Atlan und die Kristallsklaven - Perry Rhodan-Zyklus 'Mythos'

Michael Marcus Thurner

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2019

ISBN 9783845360263 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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1,99 EUR


 

1.

Letzter Spaziergang

 

Wir nahmen einen der vielen, schmalen Wege des Wildparks. Fichten, Tannen und Buchen wechselten einander ab, da und dort entdeckte ich eine Esche. Vereinzelt waren moosbedeckte Findlinge zu sehen, Gesteinsbrocken so groß wie Häuser.

Es ging bergauf und bergab. Weg von einem schmalen Flusslauf und dann wieder hin zum Wasser, dessen Rauschen uns seit einer Stunde begleitete.

Perry rutschte weg, nicht zum ersten Mal an diesem Tag. Er hatte Mühe, wieder auf die Beine zu kommen. Er zog sich an einer feuchten Wurzel hoch und schloss zu mir auf.

»Brauchst du Hilfe?« Ich schenkte ihm mein gemeinstes Lächeln.

»Nicht von einem ... Beuteterraner«, keuchte Perry.

»Ich sagte doch, dass du die falschen Schuhe anhättest.« Ich deutete auf meine Vario-Sandalettos, die je nach Bedarf Stoppel, Spikes oder Stollen ausfuhren, feste Zugbänder um die Knöchel wanden und ausgezeichneten Halt gaben. Sie legten Spritzschutzfolien bis zu den Knien hoch, warnten davor, wenn der Untergrund nachzugeben drohte, und boten viele weitere Feinheiten.

»Vario-Sandalettos tragen nur Weicheier«, sagte Rhodan.

»Als solches bin ich nur selten bezeichnet worden.«

»Die Jahrtausende haben dich nun mal schwach und hinfällig werden lassen. Sieh es endlich ein ...«

Perry rutschte erneut weg und kullerte den Abhang hinunter. So sehr er sich bemühte, Halt zu finden – er schaffte es nicht.

»Ich warte oben auf dich!«, rief ich meinem Freund zu, der in einer zentimetertiefen Lache zu liegen kam. In einem Bog, wie es die Rudyner nannten. »Du findest dich sicherlich allein zurecht, nicht wahr?«

Ich ignorierte das Fluchen Rhodans und setzte meinen Weg fort, ohne mich nochmals umzudrehen.

 

*

 

Der Gipfel war kaum dreihundert Meter hoch, und doch hatte er etwas Erhabenes an sich. Staunend sah ich mich um.

Im Süden gischtete stürmische See gegen die Küstenlandschaft Neu-Terranias. In der salzgetränkten Luft waren die schroffen Felsklippen gerade eben so zu erahnen. Östlich und westlich von uns breiteten sich die städtischen Konglomerate aus. Wir selbst standen auf der höchsten Erhebung eines breiten Keils aus Grün, der zwischen die Teilstädte gequetscht worden war.

Im Zentrum der großteils naturbelassenen Landschaft schwebte die Solare Residenz. Hinter uns, im Norden, falteten sich massive Gebirgszüge auf. Davor allerdings, etwas nordöstlich, zog das Terraneum alle Blicke auf sich.

Die blaue Sphäre hatte einen Durchmesser von mehr als einem Kilometer. Sie war der Erde bis ins kleinste Detail nachgebaut und wurde sogar von einem schemenhaft erkennbaren Mond umkreist. Das Terraneum war Mahnmal, Museum und Erinnerungsstück gleichermaßen. Die Terraner der Neuzeit benötigten dieses Holobauwerk, um nicht völlig zu vergessen, woher sie stammten.

Das Terraneum war in ein Lichtgeflecht eingebettet, das nacheinander besondere Flecken Terras betonte. In diesem Augenblick wurde der Nil hervorgehoben mit seinem Lauf wie eine weit verzweigte Wurzel. Er war Lebensader mehrerer Kulturen gewesen, wie ich nur zu gut wusste, und hatte über Jahrtausende hinweg große Bedeutung für das Vorwärtskommen der Menschheit gehabt.

Du verlierst dich wieder einmal viel zu tief in deinen Erinnerungen, mahnte der Extrasinn.

Ich schob die Gedanken an Nefer-Meryt beiseite. An eine meiner Gefährtinnen, die ich im Alten Ägyptens kennen- und lieben gelernt hatte.

»Zweiter!«, sagte Perry, als er neben mir ankam. Er stützte die Hände auf den Knien auf und atmete mehrmals tief durch.

»Du bist erschöpft? Das kommt davon, weil du früher mal geraucht hast.«

»Das kommt davon, weil deine verdammten Vario-Sandalettos die Schwerkraft um zwanzig Prozent reduzieren und ich Naivling der Meinung war, trotzdem mit dir mithalten zu können.«

»Was der Terraner nicht im Kopf hat, muss er in den Beinen haben.« Ich klopfte Perry auf die Schulter und grinste ihn an, er nahm es mit einem tiefen Seufzer zur Kenntnis.

Wir schwiegen nun, standen einfach nur da und genossen die Stille. Wir waren mutterseelenallein. Um diese frühe Uhrzeit war kaum etwas los im Residenzpark. Unter uns entdeckte ich zwei Jogger, die einen von Beerensträuchern gesäumten Weg entlangliefen, über uns schrie ein kreisender Raubvogel voll Verlangen nach einer Gefährtin.

»Morgen geht's also los«, sagte ich.

»Richtig.«

»Es ist verdammt weit bis zum Galaxien-Geviert. Selbst mit der RAS TSCHUBAI. Wer weiß, wann wir uns wiedersehen.«

»Es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns für einige Zeit aus den Augen verlieren. Warst du nicht gerade eben noch am Ende der Zeit?«

»Am Ende einer Zeit«, verbesserte ich meinen Freund. »Und selbst das ist bereits einige Jahre her.«

Warum redeten wir bloß so albern herum? Warum gaben wir uns nicht einfach die Hand und verabschiedeten uns?

Weil ihr sentimentale alte Männer seid, meinte der Extrasinn. Weil ihr euch mögt, obwohl ihr in vielerlei Hinsicht unterschiedlich seid. Vermutlich habt ihr Angst davor, einander nicht wiederzusehen.

Der Extrasinn redete Unsinn, wie so oft.

»Da glauben die meisten, wir Unsterbliche hätten unendlich viele Tage und dass unsere Leben bedeutsamer als die anderer Lebewesen wären«, sagte Perry mit jener Bitternis in der Stimme, die ich nur zu gut von mir selbst kannte. »In Wirklichkeit aber rauschen die Jahre nur so an uns vorbei. Wir handeln. Wir tun unser Bestes, um den Völkern der Milchstraße zu helfen. Wir kämpfen mit Feinden aus ganz anderen Gewichtsklassen und hoffen, dass wir irgendwie über die Runden kommen und ein Unentschieden erreichen. – Aber was haben wir davon? Wie viele Tage wie den heutigen dürfen wir erleben? Wie oft können wir einfach nur wandern gehen, die Seele baumeln lassen und herumalbern?«

»Ich habe keine Antworten, Perry.« Ich starrte an meinem Freund vorbei ins Leere. »Ich will auch nicht drüber nachdenken. Es würde mich umbringen, würde ich mir bewusst machen, was ich alles in meinem Leben verpasst habe. So viele Kinder, denen ich nicht beim Großwerden zusehen konnte. So viele Gefährtinnen, die alt geworden und gestorben sind ...«

Ein Gong ertönte, gleich darauf blitzte ein Licht unmittelbar neben uns auf. Daraus erwuchs eine uns gut bekannte Gestalt: Reginald Bull, genauer: eine Holoprojektion des Residenten.

»Wetten«, sagte er statt einer Begrüßung, »dass ihr euch gerade gegenseitig vorjammert, wie traurig euer Leben ist?«

»Unsinn!«, sagte Perry.

»Völliger Nonsens!«, pflichtete ich ihm bei.

»Wenn ihr euch sehen könntet, ihr beiden! Wie zwei Kinder, die man beim Kaugummidiebstahl aus einem Straßenautomaten erwischt hat.«

»Was willst du, Reg?« Perry seufzte, tief und lange. »Wir haben darum gebeten, nur in dringenden Fällen bei unserer Wanderung gestört zu werden.«

»Natürlich, natürlich.« Er fixierte mich mit Blicken. »Ich dachte bloß, es würde Atlan interessieren, dass wir Neuigkeiten aus M 13 haben.«

Ich wurde hellhörig. »Ich dachte, dass so gut wie keine Nachrichten aus meiner ehemaligen Heimat nach draußen dringen?«

»So gut wie keine, Atlan. In diesem Fall haben wir allerdings vage, aber ernst zu nehmende Hinweise bekommen, dass die Dinge in Bewegung geraten.«

»Geht's ein wenig genauer, Reginald?«

Bully verzog das Gesicht. Er mochte es ganz und gar nicht, wenn man ihn Reginald nannte. Es war wie der Ordnungsruf seiner Mutter für ihn.

»Larsav da Ariga scheint Interesse an einer Neuverhandlung der arkonidischen Beziehungen zur Lemurischen Allianz zu haben.«

»Larsav da Ariga ist nicht Arkon«, warf ich ein.

»Aber er ist primus inter Pares im arkonidischen Kerngebiet. Der Thantur-Baron. Der Chef der Vereinigten Sternenbaronien.«

Chef ... was für ein despektierliches Wort! Von keinem anderen Terraner hätte ich eine derartige Herabsetzung geduldet. Doch Bully hatte alles Recht der Welt, den Mitgliedern meines Volkes mit Zweifel zu begegnen. Wie hätte er jemals vergessen können, dass Imperator Bostich ihn einst zu vielen Toden hatte foltern lassen?

»Warum sollte Larsav da Ariga seine Baronien auf einmal nach außen hin öffnen?«, fragte Perry.

»Die Baronien Girmomar und Tschirmayn, Larsavs Hausmacht also, geraten zunehmend unter Druck. Von zwei Seiten. Einerseits fallen die Naatschen Freischaren immer wieder über arkonidische Siedlungswelten her. Sie argumentieren, dass sie die eigentlichen Ureinwohner von M 13 wären.«

Perry und ich wussten seit dem Angriff auf HEPHAISTOS nur zu gut von den Aktivitäten der Naats. Sie hatten während der letzten Jahrhunderte mächtig aufgerüstet – und erhielten unter Umständen technologische Schützenhilfe von einer weiteren Gruppierung, die ich aber bislang nicht zu identifizieren vermochte.

Die Freischärler waren die Speerspitze des neu gefundenen naatschen Selbstbewusstseins, und sie agierten unkontrolliert. Sie taten Dinge, die die Naat-Föderation als Staatengebilde nicht gutheißen durfte, die sie unter der Hand aber vermutlich unterstützte.

»Andererseits?«, forderte ich Reg auf, weiterzureden.

»Andererseits treten die Ladhonen immer unverschämter auf. Sie greifen die Arkoniden offen an. Im Raumschiffsverkehr, im Orbit von Handelswelten und auf Handelsstationen, selbst in den Kerngebieten der Baronien. Sie sind eine immense Bedrohung, zumal ihre Stärke und vor allem ihre Absichten unbekannt sind.«

»Ich verstehe.« Naats und Ladhonen also. Ich dachte...