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Perry Rhodan 3048: Die Fäden, die die Welt bedeuten - Perry Rhodan-Zyklus 'Mythos'

Kai Hirdt

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2020

ISBN 9783845360485 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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1,99 EUR


 

1.


 

Beinahe acht Uhr morgens Bordzeit; in Donn Yaraduas Quartier war es fast völlig dunkel. Er lag seit einer Weile wach, hatte sich aber bisher nicht überwinden können, aufzustehen.

Im Traum und nun auch in Gedanken war er wieder in Lahossd und in der Eisfestung bei Gmilat gewesen. Er hatte die APPU angreifen sehen. Hatte die Havarie der Stadt erlebt. Wie das Raumschiff ohne Warnung auf die Eisburg gefeuert hatte. Feuer. Rauchsäulen. Chaos. Schreie. Stadt. Burg. Tod.

Mit schweißnasser Stirn und rasendem Herzen war er hochgeschreckt, doch der üble, wirre Traum aus Versatzstücken der Realität hatte sich nicht abschütteln lassen. Yaradua hatte ihn durch die schmale Furt aus dem Land des Schlafes ins wache Leben geschleppt. Vor seinem geistigen Auge vollführten die Bilder seines Versagens einen endlosen Totentanz: Und immer wieder Synn Phertosh und sein unscheinbar aussehendes Raumschiff, wie es zum Todesboten wurde.

Tote unter der unbeteiligten Bevölkerung? Bestimmt.

Wie viele?

Er würde es nicht erfahren. Er würde nie wissen, wie viele Wesen in Lahossd gestorben waren.

Aber von den jüngsten Toden wusste er:

Siad Tan, die oxtornische Kosmopsychologin, direkt vor Yaraduas Augen von Phertosh ermordet.

Die cairanischen Index-Bewahrer, gestorben von eigener Hand, weil Yaradua sie nicht vor Phertosh hatte schützen können.

Sie hatten sich auf ihn verlassen. Sie waren tot.

Ein Rascheln und ein Schnalzen ertönte. Yaradua drehte den Kopf, sodass er Phylax' schwarze Silhouette sehen konnte. Der Okrill wälzte sich in unruhigem Schlaf, ein Schatten in der Ecke des Zimmers, das nun sein provisorisches Heim war. Nur drei der acht Beine waren zu erkennen. Die Spitze der neun Meter langen Zunge schoss in unvorhersehbaren Abständen aus dem Maul heraus, eine Armeslänge, selten mehr. Dann schnellte sie zurück und verursachte das Geräusch, das Yaradua wahrgenommen hatte.

Phylax war eine ständige lebende, atmende Erinnerung an sein Versagen. Yaradua hätte gut darauf verzichten können, den Okrill bei sich zu haben. Doch nur er konnte das Tier beruhigen, seit dessen Herrin gestorben war.

Donn Yaradua hatte zunächst versucht, Phylax auf der zoologischen Abteilung der RAS TSCHUBAI unterzubringen. Das jedoch hatte mit einem zerstörten Labor und einem verletzten Großtierspezialisten geendet. Den Wissenschaftlern fielen nur zwei Möglichkeiten ein, der Lage Herr zu werden: Phylax in ein künstliches Koma zu legen oder bis zur Rückkehr in die Milchstraße mittels eines Suspensionsalkovens im Tiefschlag zu lassen.

Beides ließ Yaradua nicht zu. Er wusste um die enge Bindung zwischen Okrills und den Oxtornern, die miteinander durch Bande der Treue verbunden waren, die selbst die zwischen terranischen Hunden und ihren Herrchen übertrafen. Mit Siad Tans Tod hatte Phylax seinen Fixstern und Leuchtturm verloren, den Mittelpunkt seiner Existenz. Das Tier wusste nicht, wie es seine Trauer und Verzweiflung beherrschen sollte. Es schlafen zu legen oder vorübergehend aufzulösen, würde seine Qual nicht beenden, sondern nur in die Zukunft hinausschieben.

Hinzu kam: Yaradua wusste aus eigener Erfahrung, dass das Bewusstsein während der Suspension träumte, ohne Körper, ohne stoffliches Gehirn. Es würde mindestens einige Monate, womöglich Jahre dauern, bis die RAS in die Milchstraße zurückkehrte. Er wollte, nein, er konnte Phylax nicht zu einem Jahre währenden Albtraum verurteilen.

Eine kurze Tonfolge verkündete den Eingang einer Nachricht – gedämpft, dennoch laut genug, um Phylax aus dem Schlaf zu reißen. Ansatzlos und panisch sprang der Okrill das einzige Ziel an, das er erkennen konnte: Yaradua. Der kämpfte den gegen den Impuls, vor Angst aufzubrüllen, als das gut einen Meter lange und zweihundert Kilogramm schwere Tier auf einmal über ihm stand: vier Beine rechts, vier Beine links seines Körpers, der krötenhafte Kopf nur Zentimeter vor Yaraduas Nase.

Phylax hechelte wie in Todesangst – ein Gefühl, das Yaradua teilte: Die Zunge des Okrills war stark genug, um ihm beim Hervorschnellen den Hals samt Genick zu zerquetschen. Überdies konnte das Tier damit tödliche Stromschläge verteilen.

Yaradua lag reglos da, wagte nicht einmal zu atmen. Meine verdammte Gutmütigkeit, dachte er bitter. Keine gute Tat bleibt ungestraft.

Keine besonders produktive Überlegung, aber Selbstvorwürfe waren besser als Panik. Zumindest war es ein bewusster, gesteuerter Gedanke. Darauf konnte man aufbauen. Immerhin hatte Yaradua das Tier aus einem guten Grund zu sich genommen: Als Metabolist konnte er mit seiner Paragabe auf den Stoffwechsel anderer Lebewesen einwirken und deren Hormonhaushalt beeinflussen. So konnte er in begrenztem Ausmaß ihre körperlichen Empfindungen und sogar ihre Gefühle steuern.

Er dachte sich in Phylax hinein, spürte den fremdartigen Körper ... die Stresshormone, die in viel zu hoher Konzentration in der Blutbahn des Okrills schwammen ... das rasende Herz ...

Yaradua zwang sich, langsam zu atmen, mäßigte zunächst seinen eigenen Herzschlag. Er nahm diese Ruhe, nutzte sie, übertrug sie auf den Okrill.

Es wirkte.

Yaradua regte die Ausschüttung eines Hormons an, das Wohlbefinden und Sicherheit signalisierte.

Phylax' Atemfrequenz reduzierte sich. Der Mund öffnete sich zwar, die gefährliche Zunge zischelte hervor. Doch sie wickelte sich weder um Yaraduas Hals, noch röstete sie ihn mit einem Stromschlag, der Stahl hätte schmelzen können. Phylax hatte seine Panikattacke überwunden und schlabberte hingebungsvoll das Gesicht seines Gastgebers ab.

Yaradua zog den Mund schief, die Lippen fest aufeinandergepresst. Mit aller Kraft gelang es ihm, Phylax auf die Seite und aus dem Bett zu kippen.

Mit dem Ärmel wischte er sich etwa einen Drittelliter Okrillspeichel von den Wangen, dann las er die Nachricht, die das ganze Desaster ausgelöst hatte.

Sein Puls zog wieder an: Perry Rhodan hatte ihn zu sich bestellt.

 

*

 

Donn Yaradua sammelte sich, bevor er die Tür öffnete. Zwei Tage lag der Angriff auf das Eisnest zurück. Seitdem hatte er Rhodan zwar mehrmals kurz gesehen, aber nicht ausführlich gesprochen. Er wusste genau, was kommen musste. Sie hatten den Tatsachen ins Auge zu blicken und darüber zu sprechen.

Yaradua trug die Verantwortung für den Tod der ihm Anvertrauten.

Alles, wofür er so hart gearbeitet hatte, schwand dahin. Er hatte lange gebraucht, um seine seltsame Fähigkeit zu akzeptieren, und mindestens doppelt so lange, bis er das unter Beweis gestellt hatte. Seine Gabe war Lichtjahre entfernt von anderen Psifähigkeiten, die auf den ersten Blick bereits sinnvoll waren. Es hatte gedauert, bis er seine eigenen Gaben wertschätzte: Sie waren feine, beinahe chirurgische Instrumente für den geplanten Einsatz, während die populären Gaben wie Telekinese und Telepathie im Grunde plakative und plumpe Problemlöser waren. Er hatte sich als Person und seine Fähigkeiten als Mutant in riskanten Einsätzen erprobt. Er hatte Anerkennung dafür bekommen – und ein Kommando.

Und wie hatte es geendet? Siad Tan erschossen, drei der fünf Index-Bewahrer nur noch kopflose Körper.

Er schämte sich für sein Versagen.

Was mochte Rhodan nun von ihm halten? Er war immerhin Faryes Großvater, und seine Meinung war ihr wichtig.

Er atmete tief durch und bediente das Signalfeld neben der Tür. Mit leisem Surren fuhr sie auf und gab den Blick auf Rhodan frei. Der unsterbliche Terraner starrte mit höchster Konzentration auf schnell wechselnde Datenholos. Er blickte auf, erst zu Yaradua, dann zu Phylax. Mit einer Geste ließ er die Holos erlöschen und bat sie herein.

Rhodan betrachtete das Tier mit mildem Erstaunen. »Ich habe noch nie davon gehört, dass ein Okrill jemanden als Partner akzeptiert, der nicht von Oxtorne stammt.«

»Ich mogele«, gestand Yaradua freimütig. »Ich beeinflusse ihn, damit er seinen Schmerz über Tans Verlust aushält.«

»Ich verstehe.« Rhodan sah Phylax mitleidig an. »Die letzte Operation war ... Hmm. ›Ein voller Erfolg‹ wäre gelogen.«

Yaradua nickte. Wenigstens kam Rhodan direkt zur Sache.

»Es tut mir leid«, sagte Rhodan. »Wenn ich könnte, würde ich es ungeschehen machen.«

»Ich weiß, dass ich versagt habe ... Du hättest mir niemals ...« Damit hatte Yaradua nicht gerechnet.

»Unsinn!« Rhodan erklärte sich. »Gry, Iwán/Iwa und ich hatten schon vor euch mit Synn Phertosh zu tun. Ich habe ihn als hochgefährlich und unberechenbar eingeschätzt. Und doch habe ich euch nicht ausreichend gewarnt. Ich hätte voraussehen müssen, dass er eure Spur entdeckt, und euch warnen müssen. Bitte verzeih mir.«

Ihre Blicke begegneten sich kurz. »Bitte verzeih mir, wenn du es kannst«, präzisierte Rhodan.

»Ich ...« Yaradua ließ das Wort in der Luft hängen. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte.

Rhodan bot ihm einen Platz an. Er setzte sich und tätschelte Phylax' Schnauze. Fest zuzuschlagen, wie er es oft bei Tan gesehen hatte, traute er sich noch nicht.

»Die Mission hat uns einen hohen Preis gekostet«, sagte Rhodan, »aber im Leben gibt es keine Garantien für ein Happy End. Aber du musst auch das Positive sehen: Wir kennen nun den Zugang zur Zerozone: Khaiguna.«

Yaradua schwieg. Rechtfertigte ein übergeordnetes Ziel jedes Opfer?

Rhodan sprach weiter. »Wir haben ein neues Ziel bei unserer Suche nach Terra. Wir kommen ganz gut voran. Unsere Grau-Späher sind im Dauereinsatz und warnen uns bei den Orientierungsstopps vor Vektormaterie auf unserem Kurs. Das klappt inzwischen erstaunlich gut. Wir werden Khaiguna...