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Verliebt, verlobt, verheiratet

Brenda Harlen

 

Verlag CORA Verlag, 2011

ISBN 9783863497279 , 144 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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2,49 EUR


 

1. KAPITEL

Megan Roarke hasste Shoppen.

Ihre ältere Schwester scherzte oft, dass eine Frau, die Einkaufszentren mied, einen genetischen Schaden haben müsse. Natürlich erwartete Megan nicht, dass Ashley sie verstand. Ashley war „die Hübsche“, die alles tragen konnte, immer gut aussah und stets bewundernde Blicke auf sich zog.

Megan dagegen war immer „die Schlaue“ genannt worden. Mit drei Jahren hatte sie zu lesen angefangen und den größten Teil der nächsten zwanzig Jahre mit der Nase in einem Buch verbracht.

Sie verschlang alles, was sie in die Hände bekam – Märchen, die Biografien der Mächtigen dieser Welt und technische Handbücher. In ihrer Fantasie konnte sie an andere Orte reisen, und das Wissen, das sie sich aneignete, war der Schlüssel zu neuen Welten. Jedenfalls sagte sie sich das. In Wirklichkeit war sie ein scheues, stilles Kind gewesen, das wenig Freunde gehabt hatte und vor den bitteren Realitäten des Lebens zwischen die Buchdeckel geflüchtet war.

Und eben weil sie so viel las, wusste sie schon in jungen Jahren, dass die Etiketten, die man ihr und ihrer Schwester aufgeklebt hatte, ihnen beiden nicht gerecht wurden. Denn Ashley war nicht nur hübsch, sondern auch intelligent. Und Megan besaß zwar einen IQ, der manche Leute einschüchterte, aber ihre Persönlichkeit war wesentlich vielschichtiger.

Sie wusste auch, welche Vorurteile sie als Naturwissenschaftlerin bei ihren Mitmenschen auslöste, versuchte jedoch gar nicht erst, sie zu zerstreuen. Denn sie liebte ihre Arbeit, fühlte sich wohl im Labor und verbrachte ihre Zeit lieber mit chemischen Formeln als mit Leuten.

Es war nicht so, dass sie ihnen misstraute, sie verstand sie nur nicht. Die Eigenschaften der Stoffe, mit denen sie experimentierte, blieben immer gleich, und chemische Reaktionen waren vorhersehbar. Menschen dagegen erschienen ihr wechselhaft und unberechenbar.

Ashley behauptete, dass gerade das die Menschen so interessant machte, und sie musste es schließlich wissen. Megans Schwester war immer gesellig gewesen und oft ausgegangen, bevor sie ihren jetzigen Verlobten kennengelernt hatte. Außerdem unterrichtete sie an einer Grundschule und blühte geradezu auf, wenn um sie herum zwanzig Sechsjährige für Dauerlärm und endloses Chaos sorgten.

Die Verlobung war daran schuld, dass Megan ins Pinehurst Shoppingcenter musste. Offenbar reichte es nicht, dass Trevor Ashley einen Ring auf den Finger gestreift hatte. Nein, die beiden wollten es auch noch feiern.

„Eine kleine Party, nichts Aufwendiges“, hatte Ashley ihr versichert. „Nur ein paar Drinks und Häppchen mit der Familie und den engsten Freunden.“

Megan wusste, dass ihre Schwester unter einer „kleinen Party“ etwas völlig anderes verstand als sie. Selbst Drinks und Häppchen erforderten ein eleganteres Outfit als verwaschene Jeans und ihr Lieblings-T-Shirt – zumal ihre Mutter sich an der Vorbereitung beteiligte.

Als Megan einen freien Parkplatz fand, hatte sich der Himmel verdunkelt, und die ersten Regentropfen fielen bereits, als sie zum Eingang rannte. Im Center war es voller, als sie an einem Freitagnachmittag erwartet hatte, und sie blieb verunsichert stehen. Menschenmengen machten sie immer nervös, weil sie das Gefühl hatte, dass jeder sie anstarrte. Das war nicht nur irrational, sondern albern, denn in Wirklichkeit fiel sie nie jemandem auf. Trotzdem atmete sie tief durch, bevor sie sich ins Gewühl wagte.

Lange hatte sie Menschenansammlungen einfach gemieden, anstatt die Panik zu bekämpfen, die sie in ihr auslösten. Erst seit ein paar Jahren versuchte sie, ihre Ängste zu überwinden, und meistens gelang es ihr auch. Wohl fühlte sie sich in Einkaufszentren noch immer nicht, aber damit konnte sie leben.

Eine Strähne hatte sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst, und Megan strich sie hinters Ohr, während sie auf dem Plan nach Chaundra’s Boutique suchte.

„Ich habe Anne-Marie gebeten, dir ein süßes kleines Kleid zurückzulegen. Ich bin ganz sicher, dass es toll an dir aussieht“, hatte Ashley gesagt.

An Megans formloser Figur sah nichts toll aus, aber sie hatte ihrer Schwester nicht widersprochen. Wenn Ashley sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, blieb sie dabei. Und wenn sie wollte, dass Megan sich ein bestimmtes Kleid kaufte, würde Megan genau das tun. Das war einfacher, als selbst eins auszusuchen.

Kurz darauf stand sie in der Boutique und verließ sie dreizehn Minuten später – drei davon hatte ein Anruf von Ashley eingenommen, die sich davon überzeugen wollte, dass ihre Schwester den Termin nicht vergessen hatte. Außerdem überredete sie Megan dazu, sich von Anne-Marie auch noch passenden Schmuck auswählen zu lassen. Ein kurzes und schmerzloses Einkaufserlebnis, dachte Megan dankbar und machte sich auf den Weg zum Ausgang.

Doch sie änderte ihre Meinung schlagartig, als sie den Regen sah, der vor dem Gebäude aufs Pflaster prasselte. Seufzend legte sie sich die Tüte mit dem Kleid über den Arm und schob die Tür auf. Sie war schon auf dem Parkplatz, als sie feststellte, dass sie die Wagenschlüssel vergessen hatte. Halb durchnässt kehrte sie um.

Die Schlüssel lagen in Chaundra’s Boutique, neben der Kasse, wo sie sie abgelegt hatte, um mit ihrer Schwester zu telefonieren. Zum zweiten Mal bedankte sie sich bei der permanent lächelnden Anne-Marie und verließ den Laden. Sie fragte sich, wie jemand den ganzen Tag lang so fröhlich sein konnte, und war froh, dass sie in einem Labor arbeitete. Dort musste man nur lächeln, wenn einem wirklich danach war.

Und dann bog sie um eine Ecke und lief gegen eine Backsteinwand.

Na gut, es war keine, es fühlte sich bloß so an. In Wirklichkeit war es eine Männerbrust.

Noch während sie den Kopf hob, um sich zu entschuldigen, ärgerte sie sich über ihre Tollpatschigkeit. Doch die Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie sich die klitschnassen Strähnen aus dem Gesicht strich und den Mann vor ihr erkannte.

Gary Richmond.

Der jüngere Sohn des Chefs von Richmond Pharmaceuticals. Der Mann, dessen bloße Anwesenheit ihren Puls rasen und ihre Knie zittern ließ.

Als sie ihm an ihrem ersten Tag im Forschungslabor des Pharmakonzerns begegnet war, hatte er ihr die Hand geschüttelt, und sie wäre fast dahingeschmolzen. Der Mann war eindeutig ein heißer Typ – und Megan sofort hingerissen gewesen. Natürlich würde sie das niemals zugeben. Im Gegenteil, sie versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen, denn er durfte nicht wissen, dass ihr Herz schneller schlug, sobald er in der Nähe war. Und sie wollte sich nicht eingestehen, dass sie oberflächlich genug war, um sich von einem athletischen Körper und einem sexy Lächeln angezogen zu fühlen. Schließlich hatte sie mit dem Typ Mann keine besonders guten Erfahrungen gemacht.

Andererseits war niemand, den sie kannte, mit Gary Richmond zu vergleichen. Er hatte dichtes hellbraunes Haar, das sich kurz oberhalb des Hemdkragens kräuselte, atemberaubende goldbraune Augen mit unglaublich langen Wimpern, ein markantes Kinn und einen Mund, der eine einzige Versuchung darstellte. Und dann war da noch sein Körper – über ein Meter achtzig reine, verlockende Männlichkeit.

„Tut mir leid“, sagte er und reichte ihr die Wagenschlüssel, die ihr bei der Kollision aus der Hand gefallen waren.

„Es war meine Schuld“, brachte sie heraus, schaute rasch zur Seite und hoffte verzweifelt, dass er sie nicht erkannt hatte.

„Nein, es war meine. Ich habe nicht aufgepasst, wohin ich gehe.“ Und dann machte er ihre Hoffnung zunichte. „Megan, nicht wahr?“

Sie nickte, ein wenig überrascht darüber, dass er sich an sie erinnerte. Normalerweise bemerkten Männer wie Gary Richmond eine Frau wie sie gar nicht, obwohl sie seit fast drei Jahren im Unternehmen seines Vaters arbeitete.

„Da draußen regnet es in Strömen, was?“, sagte er.

„Keine Ahnung“, erwiderte sie. „Bevor ich ausgehe, stelle ich mich immer unter die Dusche, weil ich den Wet-Look mag.“

Ashley behauptete immer, dass Megan ihre Ängste und Unsicherheiten mit Sarkasmus tarnte und sich damit eines Tages Ärger einhandeln würde. Daran musste Megan jetzt denken.

Aber Gary lächelte nur. „Er steht Ihnen, aber Sie frösteln.“

„Der Preis, den Frauen bezahlen, um modisch zu sein.“

„Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee, um Sie aufzuwärmen?“

Gary Richmond wollte mit ihr einen Kaffee trinken? Megan konnte es nicht glauben.

„Oder trinken Sie keinen Kaffee?“

„Nein“, sagte sie. „Doch, ich trinke Kaffee. Aber im Moment nicht. Ich meine, ich möchte keinen Kaffee. Ich möchte nach Hause.“

Megan hörte, wie die Worte ihr aus dem Mund sprudelten, schien sie jedoch nicht aufhalten zu können. Wären sie beide in Kalifornien gewesen, könnte sie jetzt hoffen, dass sich gleich der Boden unter ihr auftat und sie verschlang. Aber in Pinehurst, New York, waren Erdbeben äußerst selten. Also musste sie mit der schmerzhaften Erkenntnis weiterleben, dass sie sich gerade vor dem Sohn ihres Chefs komplett blamiert hatte.

Aber Gary schien es gar nicht bemerkt zu haben. „Wie kann ich Sie überreden, noch eine halbe Stunde hierzubleiben?“

„Warum wollen Sie das?“

„Ich muss ein...