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Wenn jede Diät versagt - Wie ich 70 Kilo abgenommen habe

Artemis Gounaki

 

Verlag mvg Verlag, 2010

ISBN 9783864150142 , 272 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,99 EUR

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1. Täglich grüßt das Murmeltier (November 2006)


Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Schönste im ganzen Land? In einer Boutique mit wundervoll geschwungenen roten Lettern habe ich ihn gesehen. Ich musste ein paarmal an ihm vorbeigehen, bevor ich erkannte, wie zauberhaft er mich zurückstrahlen ließ. So schmal. Fast schlank. Um die Hüfte leicht geschwungen. Wenn ich es mir verkniff, mich seitlich sehen zu wollen, sah mein Bauch fast flach aus. Von vorne gesehen eben. Frontansicht also. Nur nicht drehen. Er war schon was ganz Besonderes. Er konnte mich schlagartig etliche Pfunde schlanker erscheinen lassen. Ich wirkte in die Länge gezogen und alles, was an mir formlos runterhing, was meine Rundungen aufquellen ließ, alles, was an mir drückte und klemmte, wurde mit einem Mal passend und schien geradezu exklusiv auf meinen Körper zugeschneidert. Vielleicht war er gekrümmt. Wie einer dieser Spiegel im Spiegelkabinett vieler Jahrmärkte. Gruselig und zugleich erfreulich, wenn man sieht, wie verschieden man dargestellt werden kann. Wie unterschiedlich man aussehen kann. Aus Klein mach Groß, aus Dick mach Dünn. Die Nase lang. Das Kinn noch länger. Die Augen groß und größer. Wer weiß? Ich weiß nur, ich konnte nicht anders, damals, als auf Knien bittend und bettelnd dieses »Must have« dem Geschäftsführer abzukaufen. Eine horrend überhöhte Summe verlangte er, aber das war es mir wert. Ich musste ihn haben! Und nun steht er hier bei mir, mein mich schlank machender, magischer Spiegel.

Mein Wecker klingelt. Ich gehöre zu den glücklichen Menschen, deren Tage etwas später beginnen als die meiner Mitmenschen. Ich bin, vielleicht aus genau diesem Grund, gar kein Morgenmuffel. Ich öffne meine Augen, erschlage wie gewöhnlich dieses schrill kreischende Ding und bin umgehend wach. Fit. Ansprechbar. Einfach da. Mental da. Kann denken und entscheiden. Kann den Tag planen und durchorganisieren. Ich kann nur nicht umsetzen, was mein Geist mir befiehlt. Denn mein Körper – nun ja. Ein Stich da. Ein Ziehen dort. Ich versuche, diesen Betonklotz zu bewegen. Aua! Jede Faser meines Körpers schmerzt. Ich bleibe einfach liegen. Versuche mich zu konzentrieren. Versuche zu lokalisieren, woher der Schmerz kommt, was unmöglich scheint. Irgendwie tut alles weh. Früher hatte ich das nicht. Nein. Aber seit jetzt nunmehr drei Jahren werde ich immer unbeweglicher. Immer steifer. Immer – oh Gott – fetter! Jeden Tag etwas größer, fülliger, breiter, massiger – eben fetter.

Früher, ja, da war noch alles anders. Ich bin aufgesprungen, nein, geradezu aus meinem Bett gehechtet. Voller Power und Tatendrang. Ich war imstande, meine Tage immer mit einem Lächeln zu beginnen. Mein Wetter war immer sonnig. Ich bin durch die Wohnung geflitzt, im Wissen, dass ich nur 24 Stunden zur Verfügung habe. Gefrühstückt habe ich im Stehen. Unter anderem auch im Gehen. In einer Hand ein Brötchen, in der anderen die Zeitung. In regelmäßigen Abständen habe ich Zeitung und Brötchen gegen Kaffeepott, Orangensaft, Apfel und allerlei Gesundes und Ungesundes ausgetauscht. Ich hätte drei bis fünf Hände benötigt, um alles gut und zeitsparend im Griff zu haben. Jede Minute war verplant. Jeder Moment durchorganisiert. Bereits am Morgen lief ich so viel durch die Wohnung, wie eine andere in acht Stunden läuft. Ich war unentwegt auf Achse. Hyperaktiv. Ein Termin jagte den nächsten. 11 Uhr Managementbesprechung. 13.30 Uhr Studiojob, Werbejingle einsingen. 16 Uhr Chorprobe, Songs vorbereiten. 18 Uhr Bandprobe, Songs einspielen. 20 Uhr Meeting Nachtcafé München. 21.30 Uhr Bayerischer Hof, Gig. Dazwischen rennen, rennen, rennen, dreimal die Woche hundert Bahnen schwimmen und Taxi. Viel Taxi. Sonst hätte ich meine zahlreichen Termine gar nicht alle schaffen können. Essen? Hab ich vergessen. Wann auch. Der Tag wurde eigentlich immer ohne Pausen geplant. Die hätten zu viel Zeit gekostet. Irgendwann, wenn mir der Magen durch lautes Knurren, Zwicken und Kneifen anzeigte, dass er auf Minimalgröße geschrumpft war und in Begriff war, alle umliegenden Innereien zu verspeisen, fiel es mir wie Schuppen von den Augen – essen! Schnelle Abhilfe brachten der Bäcker von nebenan, Mc Donald’s, Pizza vom Stand an der Münchner Freiheit und diese lecker in Remoulade ertränkten Backfischbrötchen. Getrunken hab ich dazu Cola. In Übermengen. Hallo, ich bin Sängerin. Ich muss viel trinken. Wasser? Aber nein. Das schmeckt doch nicht. Cola Light? Ich bitte dich – das ist doch ungesund.

Ich fühlte mich frei, unabhängig, schön. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Mein Leben war ungezwungen. Ich hatte es mir genau so gewünscht. Genau so ausgewählt. Genau so vorgestellt. Ich lebte meinen Traum und das war genau so, wie ich es mir immer ersehnt hatte!

Heute liege ich im Bett. Morgens. Es dauert geschlagene 23 Minuten, bis meine Knochen auf Bewegung eingestellt sind. Bis ich sie so weit vorbereitet habe, dass ich aufstehen kann. Bis ich meine armen überstrapazierten Knochen mit tausend kleinen Leckerlis überzeugt habe, einen Schritt vor den anderen zu tun. Das dauert zu lange? Ja. Aber heute muss ich mir die Zeit geben, bis ich bewegungsfähig bin. Bis ich endlich funktioniere, wie ich sollte. Bis ich es aus der Waagerechten in die Senkrechte schaffe.

Heutzutage gehe ich brunchen und in feine Restaurants und lasse mir das Essen am liebsten nach Hause bringen, weil es doch so viel Auswahl gibt und ich mir daheim, so ganz unter Ausschluss der Öffentlichkeit, noch viel besser den Magen vollschlagen kann. Die TV-Produktionen, für die ich arbeite, bieten üppiges und reichhaltiges Catering an. Da wird man doch satt. Da hat man doch alles, was man braucht. Ich bin unterwegs mit Bands. Bin auf Tour durch die ganze Welt. Als Tourcoach arbeite ich an ihren Stimmen. Und das Tourleben macht fett. Pancakes zum Frühstück machen fett. Amerika macht fett. Japan nicht. Asien an sich auch nicht. Aber England macht umso fetter. Nach jeder Tour bringe ich aus jeder Stadt, aus jedem Land wieder ein paar Kilogramm mehr mit nach Hause. Abgenommen habe ich noch nie auf Tour. Nur zugenommen. Und ab und an mal, aber sehr selten, zeigt die Waage danach das Gleiche an wie Wochen davor, als ich noch zu Hause in meinem trauten Heim war und mich auf das Weggehen vorbereitete. Ich bin viel auf Tour. Sehr viel!

Mein Spiegel hat inzwischen seinen festen Platz in meiner Wohnung erhalten. Es war anfangs nicht leicht, das perfekte Licht zu finden, doch nun krönt er meinen langen, die Wohnung durchziehenden Flur und dient, umringt von einem leider nicht wachsen wollenden Ficus und einem bombastischen Kerzenleuchter, als Verbindungsstück zwischen Schlafzimmer und Bad. Und so komme ich auf meinem Weg in die Dusche vorbei an meinem Spiegel. Natürlich achte ich darauf, dass ich mich frontal zum Spiegel vorbeibewege. Das habe ich mir nun beigebracht. Es gibt mir ein gutes Gefühl, gerade morgens. Dieses erste Bild von mir begleitet mich durch den ganzen Tag. Ich achte also darauf, dass dieses erste Bild ein verdammt schönes ist. Ein schönes Bild von mir? Und das schon vor dem Duschen? Ungeschminkt? Mit Haaren, die sich wie Antennen in alle Himmelsrichtungen ausrichten? Nun gut, okay. Ich gebe zu, ich versuche beim allerersten Vorbeiwabbeln meinem Spiegelbild komplett auszuweichen. Was ziemlich schwierig ist, da sich meine Ausmaße seit einiger Zeit doch sichtlich vergrößert haben.

Ich habe mir abgewöhnt, mein morgendliches Waschritual in meiner Dusche abzuhalten. Viel zu eng. Ich komm ja kaum noch durch die Glastür. Und das Bücken entwickelt sich zu einem mittelschweren Desaster, wenn man bedenkt, dass ich mir beim Versuch, etwaige tiefer liegende Körperregionen zu erreichen, regelmäßig den Kopf anschlage. Die Knie müssen also gehoben werden, um Füße und Zehen einer gründlichen Reinigung zu unterziehen, was wiederum ein desolates Ende nehmen würde, da mein Gleichgewichtssinn seit der Eroberung und langfristigen Einnahme eines Körpergewichts jenseits der 130 Kilogramm schrecklich nachgelassen hat. Also dusche ich in der Badewanne. Da hat man doch Platz, kann sich ausbreiten, im wahrsten Sinne des Wortes. Am liebsten sitze ich ganz gemütlich auf dem Badewannenrand. Ich dusche mich quasi sitzend ab. Da erreiche ich jede Körperpartie, ohne mich großartig anzustrengen. Seit Längerem ist es mir in erster Linie wichtig, mein Ziel mit möglichst wenig körperlichem Einsatz zu erreichen. So habe ich nun auch beim Duschen die Redewendung »Sport ist Mord« eigens für mich kultiviert und zelebriere sie jeden Morgen in Perfektion.

Ich steige aus der Wanne und rein interessehalber auf meine immer bereitstehende Waage. Es ist eine von diesen digitalen, mit großer Glasfläche. Ich frage mich jedes Mal, ab welchem Gewicht Glasplatten zerbersten. Ob sie wohl in tausend kleine Scherben zerbrechen wird und ich blutend und bewegungslos auf dem Boden liege? Vielleicht bilden sich auch nur einzelne tiefe Risse im Glas und zeigen mir den dringenden Kauf einer neuen, stabileren Waage an. Na, so weit ist es Gott sei sehr, sehr, sehr gedankt noch nicht. Und in der Hoffnung, dass ich es niemals so weit kommen lassen werde, stelle ich mich drauf. Ich warte. Rote digitale Doppelpunkte erscheinen und wandern wild auf dem Display hin und her. Von rechts nach links und von oben nach unten. Hat auch was Spannendes. Das Warten. Das eigene Gewicht. Jetzt kommt’s. Da steht’s. OH MEIN GOTT.

Ich, Artemis, bringe heute sage und schreibe 139 Kilogramm auf diese formvollendete Waage. Ja! Formvollendet bin ich auch! Die Form ist vollendet. Aus, Schluss vorbei! Fertig, das gute Stück....