dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Im Licht des Vergessens - Roman

Nora Roberts

 

Verlag Diana Verlag, 2009

ISBN 9783641027247 , 640 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR

  • Sternenspiel - Roman
    Tote Mädchen lügen nicht
    Valley - Tal der Wächter
    Der Erdbeerpflücker
    Wintermörder - Roman
    Nur wenn du mir vertraust - Roman
    Mitten in der Nacht - Roman

     

     

 

 

1
In den Tod zu springen war eine ziemlich bescheuerte Art, den St. Patrick’s Day zu begehen. Und wenn man an diesem freien Tag angerufen wurde, um jemanden davon abzuhalten, am St. Patrick’s Day in den Tod zu springen, konnte man sich das grüne Guinness und die springen, konnte man sich das grüne Guinness und die Dudelsackmusik erst mal abschminken.
Phoebe bahnte sich mühsam ihren Weg durch die Einheimischen und Touristen, die zur Feier des Tages die Straßen und Gehsteige bevölkerten. Der Officer in Uniform wartete schon auf sie, wie vereinbart. Sein Blick huschte über ihr Gesicht und wanderte dann nach unten bis zur Dienstmarke, die sie an ihrer Hosentasche befestigt hatte. Sie trug eine dreiviertellange Baumwollhose, Sandalen und ein kleeblattgrünes T-Shirt unter der Leinenjacke. Nicht gerade das professionelle Outfit, auf das sie im Job normalerweise Wert legte, dachte Phoebe.
Aber egal, schließlich sollte sie jetzt eigentlich zusammen mit ihrer Familie auf der Terrasse ihres Hauses sitzen, Limonade trinken und sich die Parade ansehen.
»Lieutenant MacNamara?«
»Richtig. Fahren wir los.« Sie stieg ein, holte mit einer Hand ihr Handy heraus und schnallte sich mit der anderen an. »Captain, ich bin gleich da. Wie ist die Situation?«
Die Sirene heulte, während der Fahrer aufs Gas drückte. Phoebe holte ihren Block heraus und machte sich Notizen.
Joseph (Joe) Ryder, Selbstmordkandidat, bewaffnet. Siebenundzwanzig, weiß, verheiratet/geschieden. Barmann/entlassen.
Religionszugehörigkeit unbekannt. Keine Familienangehörigen vor Ort.
WARUM? Seine Frau hat ihn verlassen, die Sportsbar, in der er arbeitete, hat ihn rausgeworfen, Spielschulden.
Keine Vorstrafen, keine vorausgegangenen Selbstmordversuche.
Die Person ist abwechselnd weinerlich/aggressiv. Bisher sind noch keine Schüsse gefallen.
»Gut.« Phoebe atmete hörbar aus. Schon bald würde sie Joe besser kennenlernen. »Wer redet mit ihm?«
»Er hat sein Handy dabei, da war aber nichts zu machen. Wir haben seinen Arbeitgeber geholt – seinen ehemaligen Arbeitgeber, der gleichzeitig sein Vermieter ist.«
»Gut. In ungefähr fünf Minuten bin ich da.« Sie sah kurz zum Fahrer hinüber, der zustimmend nickte. »Halte ihn mir so lange am Leben.«
 
In Joe Ryders Wohnung im vierten Stock plagte Duncan Swift das Gewissen. Schweiß stand auf seiner Stirn. Jemand, den er kannte, mit dem er ein paar Biere gezischt und rumgewitzelt hatte, saß auf dem Dachvorsprung mit einer Waffe in der Hand. Verdammt.
Weil ich ihn rausgeworfen habe, dachte Duncan. Weil ich ihm nur einen Monat Zeit gegeben habe, die Wohnung zu räumen. Weil ich nicht aufgepasst habe.
Jetzt würde sich Joe vielleicht eine Kugel in den Kopf jagen oder sich vom Dach stürzen.
Nicht gerade die Art Volksbelustigung, auf die die Menschenmassen an St. Patrick’s Day gewartet hatten. Was sie allerdings auch nicht davon abhielt, zahlreich herbeizuströmen. Die Polizei hatte den Wohnblock abgesperrt, aber vom Fenster aus konnte Duncan sehen, wie sich die Menschen gegen die Absperrungen drängten und nach oben sahen.
Er nahm das Handy. »Komm schon, Joe, wir finden bestimmt eine Lösung.« Wie oft, fragte sich Duncan, würde er diesen Satz noch wiederholen müssen, den der Polizist in seinem Notizbuch einkringelte. »Lass die Waffe fallen und komm wieder rein.«
»Du hast mich gefeuert, verdammt noch mal!«
»Ja, ja, ich weiß. Es tut mir leid, Joe. Ich war echt sauer.« Du hast mich beklaut, dachte Duncan. Du hast mich bestohlen. Du hast sogar versucht, mir eine reinzuhauen. »Mir war nicht klar, wie sehr dich das alles mitnimmt, ich hatte ja auch keine Ahnung, was eigentlich mit dir los ist. Wenn du wieder reinkommst, finden wir schon eine Lösung.«
»Du weißt doch, dass mich Lori verlassen hat.«
»Ich …« Nein, nicht ›Ich‹, fiel Duncan wieder ein. Ihn quälten unerträgliche Kopfschmerzen, trotzdem bemühte er sich, den Anweisungen, die ihm Captain McVee gegeben hatte, Folge zu leisten. »Du musst völlig durch den Wind sein deswegen.«
Statt zu antworten, schluchzte Joe erneut los.
»Einfach weiterreden«, murmelte Dave.
Duncan hörte sich Joes Gejammer an und versuchte die Sätze zu wiederholen, die man ihm beigebracht hatte.
Plötzlich kam diese Rothaarige ins Zimmer geschossen. Während sie mit dem Captain redete, schälte sie sich blitzschnell aus ihrer Sommerjacke und streifte sich eine kugelsichere Weste über.
Duncan verstand nicht, was die beiden sagten, und konnte seine Augen nicht von ihr lassen. Willensstark, dachte er sofort. Energisch und sexy.
Sie schüttelte den Kopf und sah Duncan an – ihre grünen Katzenaugen musterten ihn kühl und gründlich.
»Das geht nur von Angesicht zu Angesicht, Captain. Und das wusstest du auch, als du mich gerufen hast.«
»Du kannst erst mal versuchen, ihn übers Handy zum Aufgeben zu überreden.«
»Das wurde doch bereits versucht.« Sie beobachtete den Mann, der beruhigend auf den heulenden Selbstmordkandidaten einredete. Der ehemalige Arbeitgeber und Vermieter, nahm sie an. Dafür war er aber noch ziemlich jung. Ein ziemlich gut aussehender Kerl, der sich schwer zusammenriss, nicht panisch zu werden.
»Er braucht ein Gegenüber, einen Ansprechpartner. Ist das der Arbeitgeber?«
»Duncan Swift, ihm gehört die Bar im Erdgeschoss. Er hat den Notruf gewählt, nachdem ihn unser Kandidat angerufen und gedroht hat, sich vom Dach zu stürzen. Swift hat sich seitdem nicht vom Einsatzort entfernt.«
»Verstehe. Du leitest diesen Einsatz, aber ich bin die Verhandlerin. Ich muss da rauf. Mal sehen, wie der Selbstmordkandidat reagiert.«
Sie ging zu Duncan hinüber und wies ihn an, ihr das Telefon zu geben.
»Joe? Hier spricht Phoebe. Ich gehöre zur Polizei. Wie geht es Ihnen da oben, Joe?«
»Wieso fragen Sie?«
»Ich will nur sicher sein, dass es Ihnen gut geht. Ist Ihnen nicht zu heiß, Joe? Die Sonne knallt heute ganz schön. Ich werde Duncan bitten, uns ein paar Flaschen kaltes Wasser zu holen. Ich würde sie Ihnen gerne bringen und mich mit Ihnen unterhalten.«
»Ich bin bewaffnet!«
»Ich weiß. Wenn ich Ihnen was Kaltes zu trinken rausbringe, Joe, werden Sie mich dann erschießen?«
»Nein«, sagte er nach langem Schweigen. »Nein, verdammt. Warum sollte ich? Ich kenne Sie doch gar nicht.«
»Ich bring Ihnen eine Flasche Wasser raus. Ich ganz allein, Joe. Ich möchte, dass Sie mir versprechen, jetzt nicht zu springen oder zu schießen. Versprechen Sie mir, dass ich zu Ihnen kommen und Ihnen eine Flasche Wasser bringen darf?«
»Ein Bier wär mir lieber.«
Der sehnsüchtige Klang in seiner Stimme gab ihr etwas, wo sie einhaken konnte. »Was für ein Bier hätten Sie denn gern?«
»Ich hab noch eine Flasche Harp im Kühlschrank.«
»Ein kaltes Bier ist schon unterwegs.« Sie ging zum Kühlschrank, und als sie die Flasche herausholte, trat Duncan neben sie, um sie aufzumachen. Sie nickte, nahm sich selbst eine Dose Cola und riss sie auf. »Ich komm jetzt mit dem Bier zu Ihnen rauf, einverstanden?«
»Ja, ein Bier wär schön.«
»Joe?« Ihre Stimme war so kühl wie die Flasche in ihrer Hand, während ein Polizist ihr beim Anseilen half und ihr die Waffe abnahm. »Ich stehe jetzt vor der Tür zum Dach, Joe. Darf ich raufkommen?«
»Ja, ja, das hab ich Ihnen doch schon gesagt, oder?«
Sie hatte recht gehabt, was die Sonne betraf. Sie knallte auf das Dach wie ein heißer roter Ball. Sie sah nach links und entdeckte ihn auch schon.
Er trug nur eine Art schwarze Boxershorts. Ein Typ mit aschblondem Haar und heller Haut, die bereits gefährlich rot war. Er blinzelte ihr aus seinen vom Weinen verquollenen Augen zu.
»Ich hätte zusätzlich zum Bier lieber noch etwas Sonnencreme mitbringen sollen.« Sie hielt die Flasche hoch, damit er sie sehen konnte. »Sie holen sich hier einen Riesensonnenbrand, Joe.«
»Mir doch egal.«
»Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Waffe fallen lassen würden, Joe, damit ich Ihnen Ihr Bier bringen kann.«
Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist das ja nur ein Trick.«
»Ich verspreche Ihnen, keinerlei Tricks anzuwenden, wenn Sie die Waffe zur Seite legen, während ich Ihnen das Bier bringe. Ich will nur mit Ihnen reden, Joe, nur Sie und ich. Und reden macht Durst, vor allem hier draußen in der prallen Sonne.«
Während er seine Beine über den Dachvorsprung baumeln ließ, senkte er die Waffe und legte sie auf seinen Schoß. »Stellen Sie das Bier dort ab, und gehen Sie wieder.«
»Einverstanden.« Während sie auf ihn...