dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Dunkle Sehnsucht - Roman - Cat & Bones 5

Jeaniene Frost

 

Verlag Blanvalet, 2011

ISBN 9783641071400 , 400 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

7,99 EUR


 

1


Der Vampir zog an den Ketten, mit denen er an die Wand gefesselt war. Seine Augen waren grellgrün, ihr Glanz erhellte die uns umgebende Finsternis.

»Glaubst du wirklich, die könnten mich festhalten?«, wollte er wissen; ein britischer Akzent umschmeichelte die provokante Frage.

»Klar doch«, gab ich zurück. Die Fesseln waren von einem Meistervampir installiert und getestet worden, also waren sie stark genug. Ich musste es wissen. Ich hatte selbst schon einmal in ihnen gesteckt.

Das Lächeln des Vampirs enthüllte Reißzähne in seiner weißen oberen Zahnreihe. Vor ein paar Minuten waren die noch nicht da gewesen, sodass er für das ungeübte Auge noch als Mensch hätte durchgehen können.

»Also schön. Was willst du, da ich dir nun so hilflos ausgeliefert bin?«

Er klang, als fühlte er sich nicht im Mindesten hilflos. Ich schürzte die Lippen und dachte über die Frage nach, während ich ihn musterte. Nichts war mir dabei im Weg, denn er war nackt. Schon vor langer Zeit hatte ich gelernt, dass Waffen sich in den unterschiedlichsten Kleidungsstücken verbergen ließen. Nackte Haut hingegen verbarg nichts.

Gerade eben hatte sie allerdings auch eine äußerst ablenkende Wirkung auf mich. Der Körper des Vampirs war ein wundervoll bleiches Zusammenspiel aus Muskeln und schlanken, eleganten Linien, gekrönt von umwerfend filigranen Gesichtszügen. Mit oder ohne Kleidung; der Vampir sah fantastisch aus, und darüber war er sich offensichtlich im Klaren. Seine leuchtend grünen Augen sahen mich mit wissendem Blick an.

»Soll ich die Frage wiederholen?«, erkundigte er sich mit anzüglichem Unterton.

Ich bemühte mich, unbeeindruckt zu wirken. »Für wen arbeitest du?«

Sein Grinsen wurde breiter, gab mir zu verstehen, dass meine schauspielerischen Fähigkeiten nicht so überzeugend waren, wie ich glaubte. Er reckte sich sogar noch, sodass seine Muskeln unter seiner Haut spielten.

»Für niemanden.«

»Lügner.« Ich zog ein Silbermesser hervor und ließ die Spitze sachte über seine Brust nach unten gleiten, ohne die Haut zu ritzen, sodass lediglich eine hellrosa Linie zurückblieb, die innerhalb von Sekunden wieder verblasste. Vampire hatten zwar blitzschnelle Selbstheilungskräfte, aber ein Silbermesser im Herzen war tödlich für sie. Nur ein paar Zentimeter Haut und Muskeln trennten das Herz dieses Exemplars von meiner Klinge.

Er warf einen Blick auf die Messerspur. »Soll mir das Angst machen?«

Ich tat, als müsste ich über die Frage nachdenken. »Na ja, ich schlachte schon seit meinem sechzehnten Lebensjahr Vampire ab. Sogar einen Spitznamen habe ich bekommen, Gevatterin Tod, und wenn ich ein Messer auf dein Herz gerichtet habe, dann solltest du Angst haben, ja

Sein amüsierter Gesichtsausdruck blieb. »Hört sich an, als wärst du ein richtiger Satansbraten, aber wie ich das sehe, könnte ich mich befreien und dich flachlegen, bevor du mich aufhalten kannst.«

Arroganter Bastard. »Leeres Geschwätz. Beweise es.«

Er trat zu, und ich geriet aus dem Gleichgewicht. Sofort machte ich einen Satz nach vorn, aber im nächsten Augenblick drückte ein harter, kühler Leib mich auf den Höhlenboden nieder. Mein Handgelenk wurde mit eisernem Griff gepackt, sodass ich mein Messer nicht einsetzen konnte.

»Hochmut kommt vor dem Fall«, murmelte der Vampir selbstzufrieden.

Ich versuchte, ihn abzuwerfen, aber eine Tonne Backsteine wären leichter loszuwerden gewesen. Ich hätte ihm Arme und Beine anketten sollen, bevor ich ihn provoziere, schalt ich mich im Stillen.

Das arrogante Lächeln des Vampirs kehrte zurück, während er auf mich heruntersah. »Winde dich ruhig weiter so, Süße. Du massierst mich an genau den richtigen Stellen.«

»Wie bist du die Fesseln losgeworden?« Über seine Schulter hinweg sah ich ein Loch in der Höhlenwand, wo zuvor die zentimeterstarken Titanschellen gebaumelt hatten. Unglaublich. Er hatte sie einfach aus dem Fels gerissen.

Er zog die dunklen Brauen hoch. »Ich wusste genau, in welchem Winkel ich ziehen muss. Ging ganz schnell; und dann hatte ich dich auch schon flachgelegt. Wie versprochen. «

Hätte mein Herz noch geschlagen, hätte es jetzt gerast, aber es hatte aufgehört zu schlagen – meistens jedenfalls –, als ich vor einigen Monaten vom Halbblut zum vollwertigen Vampir geworden war. Meine Augen begannen grellgrün zu leuchten, und meine Zähne formten sich zu Fängen.

»Angeber.«

Der Vampir beugte sich vor, bis unsere Gesichter nur noch einen Zentimeter voneinander entfernt waren. »Und nun, da du so hilflos unter mir liegst, meine schöne Gefangene, was soll mich davon abhalten, dir Gewalt anzutun?«

Das Messer, das ich noch immer umklammert hielt, fiel mir aus der Hand, als ich ihm die Arme um den Hals schlang. »Nichts, hoffe ich.«

Bones, mein vampirischer Ehemann, ließ ein leises, sündiges Lachen hören. »Das ist die Antwort, die ich hören wollte, Kätzchen.«

 

Die meisten Leute wären wahrscheinlich nicht gerade scharf auf einen Last-Minute-Aufenthalt in einer Höhle gewesen, aber ich fühlte mich wie im Paradies. Alles, was man hörte, war das stete Rauschen des unterirdischen Flusses. Es war eine Erleichterung, nicht länger die unzähligen Unterhaltungen im Hintergrund ausblenden zu müssen, die für die Ohren eines Vampirs nur allzu laut waren. Wäre es nach mir gegangen, hätten Bones und ich hier noch Wochen verbracht.

Aber wir konnten uns nicht so einfach eine Auszeit vom Leben nehmen. Das hatte ich bereits auf die harte Tour gelernt. Ich hatte auch gelernt, dass wir uns Augenblicke der Ruhe gönnen mussten, wann immer wir konnten. Daher auch der Zwischenstopp in der Höhle, in der vor sieben Jahren meine Beziehung zu Bones ihren Anfang genommen hatte, und in der wir jetzt die Morgendämmerung verschlafen wollten. Damals war ich an die Felswand gekettet gewesen, überzeugt, ein böser Blutsauger wollte mir den Garaus machen. Aber am Ende hatte ich eben jenen Blutsauger geheiratet.

In der Ecke des kleinen Gelasses gab mein Kater ein klägliches Miauen von sich und kratzte an der als Tür dienenden Steinplatte.

»Du darfst nicht raus«, sagte ich zu ihm. »Du würdest dich nur verlaufen.«

Er miaute noch einmal, begann aber, sich die Pfote zu lecken, wobei er mir die ganze Zeit böse Blicke zuwarf. Er hatte mir noch immer nicht verziehen, dass ich ihn monatelang mit einem Haussitter allein gelassen hatte. Ich nahm ihm seinen Groll nicht übel, aber wenn er bei mir geblieben wäre, hätte er das vielleicht mit dem Leben bezahlt. Das war schon einigen Leuten so gegangen.

»Genug geruht, Süße?«, erkundigte sich Bones.

»Hmhm«, machte ich und streckte mich. Kurz nach Anbruch der Morgendämmerung hatte mich der Schlaf übermannt, nicht jedoch die plötzliche Bewusstlosigkeit, die mich während meiner ersten paar Wochen als Vampir geplagt hatte. Diese Phase hatte ich zu meiner Erleichterung überwunden.

»Dann machen wir uns jetzt am besten auf den Weg«, meinte Bones.

Ach ja. Wir mussten los, wie üblich.

»Das Einzige, was mich hier stört, ist, dass es keine ordentliche Dusche gibt«, seufzte ich.

Bones schnaubte amüsiert. »Na komm, der Fluss ist äußerst erfrischend.«

»Erfrischend« war eine wirklich nette Art, die knapp fünf Grad zu umschreiben, die die höhleneigene Wasserversorgung aufwies. Bones schob die Steinplatte aus dem Weg, sodass wir die Kammer verlassen konnten, um sie gleich wieder an Ort und Stelle zu platzieren, damit der Kater nicht mit uns hinausschlüpfte.

»Der Trick ist, einfach reinzuspringen«, fuhr Bones fort. »Es langsam anzugehen, macht es nicht einfacher.«

Ich verkniff mir ein Lachen. Der Ratschlag hätte auch auf das Eintauchen in die Welt der Untoten gepasst. Na dann. Ein Sprung in den eiskalten Fluss gefällig? Kommt sofort.

Und dann war es Zeit, sich dem eigentlichen Grund unserer Reise nach Ohio zu stellen. Mit etwas Glück waren in meinem alten Heimatstaat nur ein paar vampirinterne Querelen am Laufen.

Ich bezweifelte es, aber hoffen konnte man ja trotzdem.

 

Die Nachmittagssonne stand noch hoch am Himmel, als Bones und ich am Springbrunnen in der Easton Mall ankamen. Na ja, eine Straße davon entfernt. Wir mussten uns erst vergewissern, dass uns keine Falle erwartete. Bones und ich hatten eine Menge Feinde – eine Folge der beiden Vampirkriege, die in letzter Zeit stattgefunden hatten, ganz zu schweigen von unseren früheren Berufen.

Ich spürte keine außergewöhnlich starke übernatürliche Energie, lediglich ein kleines Machtprickeln in der Luft, das von einem, vielleicht zwei jüngeren Vampiren in der Menge kündete. Trotzdem bewegten Bones und ich uns keinen Millimeter, bis eine schemenhaft undeutliche Gestalt über den Parkplatz und in unseren Mietwagen geschwebt kam.

»Zwei Vampire sind am Brunnen«, erklärte Fabian, das Gespenst, das ich sozusagen adoptiert hatte. Seine Umrisse festigten sich, bis er mehr einer Person als einer dichten Partikelwolke ähnelte. »Sie haben mich nicht bemerkt.«

Obwohl das der Sinn der Sache war, klang Fabian bei seiner letzten Feststellung fast traurig. Anders als Menschen konnten Vampire Geister sehen, ignorierten sie aber gemeinhin. Tot zu sein bedeutete nicht automatisch, dass man auch miteinander auskam.

»Danke, Kumpel«, sagte Bones. »Halte Wache, um sicherzugehen, dass keine unangenehmen Überraschungen auf uns warten.«

Fabians Züge verblassten, bis sein ganzer Körper verschwunden war.

»Ursprünglich sollte nur ein Vampir zu diesem Treffen kommen«, überlegte ich. »Was hältst du davon, dass unser Kontaktmann noch einen...