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Pietismus und Neuzeit Band 37 - 2011 - Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus

Udo Sträter

 

Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, 2012

ISBN 9783647559094 , 415 Seiten

Format PDF

Kopierschutz Wasserzeichen

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60,00 EUR


 

JAN VAN DE KAMP (S. 11-12)

Die Einführung der christlichen Disziplinierung des Alltags in die deutsche evangelische Erbauungsliteratur durch Lewis Baylys Praxis Pietatis (1628)

1.

Im Jahre 1628 erschien zum ersten Mal eine deutsche Übersetzung des englischen puritanischen Erbauungsbuches Practice of Piety, directing a christian how to walk, that he may please God (1. Aufl.: vor 1612) des walisischen Bischofs Lewis Bayly (ca. 1575–1631).1 Unter dem Titel Praxis Pietatis: Das ist, Ubung der Gottseligkeit erschien sie bei Ludwig König im reformierten Basel in der Schweiz. In Baylys Buch werden auf systematische Weise Vorschriften für das christliche Leben gegeben.

Dargelegt wird, wie man den Tag mit Meditation und Gebet anfangen soll, wie man in einem Jahr die Bibel durchlesen kann, wie man den ganzen Tag in Gedanken, Worten und Taten mit Gott wandeln, und wie man den Tag abschließen soll. Absonderliche Aufmerksamkeit wird dabei dem Sonntag mit dem an diesem Tag auszuführenden Hausgottesdienst gewidmet. Neben diesem christlichen Tagesablauf gibt es Anleitungen für spezifische Gelegenheiten wie das Heilige Abendmahl, das Fasten, für Krankheiten, für das Sterben, und das Märtyrertum.2 Damit wird ein Kompendium für die innerlichen wie die äußerlichen Aspekten der Frömmigkeit geboten, das sich durch inhaltliche Vollständigkeit auszeichnet und sowohl für Individuen als für Familien gedacht ist.

Die deutsche Übersetzung wurde im gesamten deutschen Sprachraum sehr erfolgreich. Seit 1631 lag eine lutherische Bearbeitung vor, verlegt bei den Brüdern Stern in Lüneburg. Bis 1743 erschienen 69 Auflagen der Schrift.3 Seit 1631 wurde die Schrift Arte of divine meditation (1601) des Puritaners Joseph Hall (1574–1656) der Bayly-Übersetzung hinzugefügt.

Die Forschung hat darauf hingewiesen, dass mit Baylys und anderer Puritaner Schriften ein neues Element in die deutsche evangelische Erbauungsliteratur introduziert wurde, nämlich die detaillierte christliche Disziplinierung des Alltags.4 Diese Behauptung ist allerdings noch nie gründlich überprüft worden. Wenn diese These bejaht werden kann, so hat Baylys Schrift wesentlichen Einfluss auf die Frömmigkeit im deutschen Sprachraum ausgeübt. Aus diesem Grund wird hier ein Ansatz zur Überprüfung geboten, indem die deutschsprachige evangelische Erbauungsliteratur seit der Reformation auf diese Frage hin untersucht wird.

Dabei wird in der einschlägigen Forschungsliteratur nach Tagesabläufen im Sinne Baylys gesucht.5 In der Reformationszeit und danach erschienen allerhand Gebetbücher, Betrachtungen (unter anderem über die Passion), Predigtliteratur, Anleitungen zur Vorbereitung des Abendmahls, Anleitungen für kranke Leuten, für die Sterbensvorbereitung, und Betrachtungen über Sterben, Gericht, Himmel und Hölle. Tagesabläufe wie Baylys Schrift hat es anscheinend kaum gegeben. Man findet nur: Wenzeslaus Lincks (1483–1547) Wie sich ein Christenmensch halten soll des morgens […] und des abends (1530)6 sowie Veit Dietrichs Etliche Schrifften für den gemeinen Mann (1548)

 Für die Frühzeit der Reformation ist das Fehlen daraus zu erklären, dass die damaligen evangelischen Theologen sich auf die Lehre konzentrierten. Schon im Zeitalter der Reformation entstand aber eine Frömmigkeitsrichtung, zu der die Namen von Kaspar von Schwenckfeld, Paracelsus, Valentin Weigel, Johann Arndt, Johann Valentin Andreae, Martin Moller, Johann Habermann, Joachim Lütkemann, Heinrich Müller, Theophil Großgebauer und anderen gehören.8 Sie übten Kritik an der Kirche und deren Glieder aus und drängten auf die Nachfolge Christi.