dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Du willst es doch auch! - Warum uns das Gehirn sündigen lässt

Margriet Sitskoorn

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2012

ISBN 9783838710259 , 224 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

12,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

LUST (S. 97-98)

Unbezwingbare Lust Der Anblick von Brüsten weckte in ihm die unmittelbare, unbezwingbare Lust, sie zu berühren. Natürlich wusste er um die Unangemessenheit seiner Lust, konnte sie aber nicht bändigen. In solchen Momenten gab es nichts Wichtigeres, als die Brüste anzufassen. Anschließend fühlte er sich erleichtert; seine Lust schien gestillt, doch dieser Zustand währte nie lange. Immer wieder trieb ihn die Lust zu Zudringlichkeiten und beschämenden Verhaltensweisen. Seine Schwester nannte ihn ein Raubtier, ständig auf der Jagd nach Frauen und insbesondere deren Brüsten.

Seine Primärtriebe beherrschten ihn, er hatte keine Kontrolle mehr über sein Handeln. Das Problem war jedoch nicht auf Brüste beschränkt. Er machte Fremden eindeutige sexuelle Angebote und masturbierte mindestens zehn Mal am Tag. Lust, Lust, nichts als Lust. Lust beherrschte sein Leben und brachte ihn zunehmend in Schwierigkeiten. Schon vor dem ersten Auftreten dieser unbändigen Lust hatte er gesundheitliche Probleme. 1993 begann zunächst seine rechte Hand zu zittern, dann traten partielle Lähmungserscheinungen an seiner rechten Körperhälfte auf. Und schließlich sah er alles doppelt.

Aufnahmen seines Gehirns zeigten eine Anomalie der weißen Substanz. Vor allem der Hypothalamus (eine Hirnstruktur, die an der Emotionssteuerung, der Fortpflanzung, der Hormonregulation und der Funktionalität der inneren Organe beteiligt ist), aber auch andere Areale wie die septalen Kerne (die für Belohnung und Motivation von Bedeutung sind) waren betroffen. Auch seine orbitofrontale Hirnrinde wies Anomalien auf.

Die Diagnose lautete auf multiple Sklerose und die medikamentöse Behandlung führte zunächst zu einer Besserung der Beschwerden. 1994 sah er erneut alles doppelt, außerdem litt er unter extremer Müdigkeit, sodass er seine Arbeitsstelle beim Fernsehen schließlich aufgeben musste. Weitere Beschwerden kamen hinzu: Er zitterte immer stärker, konnte sich schlecht artikulieren, seine Bewegungen wurden ungelenker und er litt unter ständigem Harndrang. Einer erneuten Behandlung zum Trotz blieben diese Beschwerden bis Mai 1995 unverändert, als sich insbesondere seine Verhaltensstörungen immer stärker sichtbar manifestierten.

Sein Urteilsvermögen ließ nach, er reagierte impulsiv und zeigte das geschilderte, sexuell anzügliche Verhalten – welches für Patienten mit multipler Sklerose übrigens ungewöhnlich ist. Er begab sich freiwillig für zwei Wochen in eine psychiatrische Klinik und unterzog sich anschließend in einer Uniklinik einer Nachuntersuchung. Die Ergebnisse dieser Untersuchung und die Geschichte dieses Patienten dokumentierten Elliot Frohman und seine Kollegen 2002 in der wissenschaftlichen Zeitschrift Archives of Neurology.

Mehrfache neuropsychologische Tests ergaben Defizite im Bereich der intellektuellen Fähigkeiten. Man nahm an, seine Schwierigkeiten seien vor allem auf die Beeinträchtigung der orbitalen präfrontalen Hirnrinde und der tiefer im Inneren des Gehirns gelegenen Regionen zurückzuführen. Auch eine neurologische Untersuchung ließ Beeinträchtigungen erkennen.