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Das Leben ist ein Purzelbaum - Von der Heiterkeit des Seins

Bernd-Lutz Lange

 

Verlag Aufbau Verlag, 2012

ISBN 9783841203366 , 384 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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7,99 EUR


 

 

Ich hätte gedacht, dass es in der 600jährigen Geschichte der Leipziger Universität eine Fülle von Anekdoten über Professoren und Doktoren geben würde. Allein dies stellte sich als Irrtum heraus – sie wurden vermutlich in den Studentenkneipen am Abend erzählt, wo man sich dann darüber erheiterte, aber sie wurden selten aufgeschrieben. Und oft waren sie am nächsten Tag, vermutlich wegen des Alkoholkonsums am Vorabend, schlichtweg vergessen.

Wer hat nicht alles über die Jahrhunderte an der Leipziger Universität studiert! Großartige Menschen und zweifelhafte Typen. So zum Beispiel ein gewisser Johann Tetzel, der 1518 zum Doktor der Theologie ernannt wurde. Sagt Ihnen der Name noch etwas?

Er lebte als Dominikanermönch in unserer Stadt. Das ist den hiesigen Dominikanern garantiert heute noch peinlich …

Der verschwenderische Papst Leo X. fasste den Plan, die Deutschen finanziell auszuplündern, gab aber vor, das Geld für den Bau des Petersdomes zu verwenden. Der Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg, der dem Papst an Verschwendung nicht nachstand, ernannte Johann Tetzel zu seinem »Commissarius«. Tetzel durchreiste nun Sachsen mit zwei großen Kisten. In der einen hatte er päpstliche Ablassbriefe für alle möglichen begangenen und noch zu begehenden Sünden parat. In die andere steckte er das Geld, das er naiven Gläubigen abnahm. Er zeigte die päpstliche Bulle vor, kraft welcher er vom Heiligen Vater selbst die Befugnis habe, Sünden zu vergeben. Das rote Kreuz von des Papstes Wappen sei ebenso kräftig wie das Kreuz Christi und er habe mit seinem Ablasse mehr Seelen erlöst als Petrus mit seinem Evangelium. Und nun dichtete er auch noch zur Befeuerung seines Handels: »Wenn das Geld in dem Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt«.

Mancher Leichtgläubige gab seinen letzten Heller für einen nutzlosen Wisch hin. Vielweiberei kostete beispielsweise sechs Dukaten.

Die Sache funktionierte, bis Luther dem Treiben ein Ende setzte und den Sachsen klarmachte, dass Vergebung von Schuld nicht mit Geld zu erlangen ist. (Obwohl es auch heute immer wieder durch finanzielle Entschädigung versucht wird.)

Tetzel wurde in der Universitätskirche beigesetzt. Nach Umbauten lag sein Grab dann außerhalb des Gotteshauses. Im »Leipziger Raritäten-Cabinet« von 1858 empfahl ein Schreiber, an jener Stelle zu graben: »Man würde die Gebeine finden und den Kopf vielleicht noch erkennen, da Tetzel rothen Bart und rothes Haupthaar getragen haben soll. Der Schädel dann auf der Universitäts-Bibliothek aufgestellt, dürfte nicht nur für Phrenologen, sondern auch für alle Beschauer eine Merkwürdigkeit sein.«

Zum Glück hat man uns diese »Merkwürdigkeit« erspart!

 

Benedikt Carpzov wirkte als Professor der Rechte und Ordinarius der Sprachfakultät an der Universität Leipzig. Er genoss bis ins 18. Jahrhundert höchstes Ansehen mit seinen Arbeiten, die auf Grundlage der sächsischen Praxis entstanden waren. Sein Hauptwerk hieß »Practica nova imperialis Saxonia rerum criminalium«. Und man muss leider konstatieren, dass »criminalium« in »Saxonia« auch heute noch ein großes Problem ist!

Von ihm stammt ein Satz, mit dem er sich allerdings außerhalb der Messestadt nicht viele Freunde gemacht hat: »Extra Lipsiam vivere est miserime«!

Auf gut Deutsch heißt das: Außerhalb Leipzigs lebt sich’s jämmerlich!

Ich kommentiere diesen Satz nicht, weil der Verlag und ich interessiert sind, dass dieses Buch vor allem auch außerhalb von Leipzig gern gelesen wird …

 

Im 18. Jahrhundert lebte in Leipzig der Student Christian Rau. Er war der Sohn eines Rauchwarenhändlers vom Brühl. Sein Gastwirt wollte ihm kein Essen mehr servieren, da er reichlich Schulden hatte.

Da verblüffte er diesen mit folgender Logik: »Wenn Sie mir nichts mehr zu fressen geben, muß ich verhungern, und Sie kriegen also gar nichts; wenn Sie mich aber noch eine Zeitlang füttern, so bleibe ich am Leben und rücke in die Fakultät, dann kann ich Sie bezahlen.«

Der Mann hat Wort gehalten und später 1000 Taler abgezahlt.

Seine Leidenschaft blieben Essen und Trinken, auch als aus dem Studenten der Prof. Dr. Rau, der Königlich Sächsische Oberhofgerichtsrat und Domherr vom Hochstift Merseburg geworden war.

Bei einem Abendessen blickte er einmal ungeduldig auf die Tafel, hatte schließlich als einziger Platz genommen, legte seinen mächtigen Leib über den Tisch und rief mit aufgestellten Ellenbogen: »Nu, wird denn nicht bald losgedroschen?«

»Ja, gleich«, meinte die Gastgeberin, »der Flegel liegt schon auf dem Tisch.«

Mitte des 19. Jahrhunderts beschwerte sich ein Student in einer Zeitschrift über die Leipziger Hausmänner. Damals musste am Abend, wenn einem die Haustür aufgeschlossen wurde, noch der »Hausmannsgroschen« bezahlt werden. Den Groschen müsse man bei sich haben, zur Not solle man ihn eben in der »Kärche« borgen.

Der Student, der seinen Artikel vorsichtshalber nur mit F. W. Sch. zeichnete, wohnte am Brühl. Dort waren im Haus auch zwei Theologen einquartiert. Gegen die war der Hausmann äußerst freundlich, ließ sie sogar oft gratis herein »während ich meinen Tribut zollen musste. Der Hausmann hatte mehrere Töchter und da wollte die Eine oder die Andere gern Frau Pastorin werden.«

Von dort verlegte der Kritikus sein Quartier in die Fleischergasse.

Auf einem Zettel mit seinem Schuldenregister fand er nach einiger Zeit neben Wäsche, Abendbrot und Kaffee mehrfach »ein Töpfchen 6 Pfennige«.

Die Töpfchen nahmen kein Ende.

Die Erklärung war: Der Student hatte immer mal aus dem Kessel in der Küche um etwas warmes Wasser zum Rasieren gebeten. Er hatte sich fein bedankt, aber das reichte den Wirtsleuten bei weitem nicht und so kam nun die Rechnung.

Der Student schrieb: »Habsucht: dein Name ist Hausmann.«

Beim nächsten Vermieter kam vor dem Aufschließen in der Nacht immer erst ein Donnerwetter durch das Schlüsselloch. Schließlich landete der junge Herr in der Katharinenstraße.

»Der Mann ist reich, sehr reich, soll Möpse haben, dass es über die Puppen geht, und dieser will, höre es, Welt! Dieser will für’s Aufschließen nach Mitternacht zwei Groschen haben! Zwei Groschen, das muß selbst einen Rothschild in den Harnisch bringen. Zwei Groschen, das ist wider das Völkerrecht. Drucken Sie gütigst, verehrte Redaction des Raritäten-Cabinets diesen meinen Artikel:

Preßfeucht das erste Exemplar

Bring ich gleich diesem Hausmann dar,

Und geh, wenn dieses Nichts vermag,

Nach Frankfurt an den Bundestag.«

Was blieb ihm sonst übrig? Einen Mieterbund, der Beistand leisten konnte, gab es ja noch nicht.

 

Soviel über Studenten in alten Zeiten. Nun etwas über die hohen Herren der Universität.

Der Ordinarius der Juristenfakultät war im 16. Jahrhundert ein außerordentlich wichtiger Mann. Solche Leute waren gefragt und hatten, wie auch heutzutage bedeutende Persönlichkeiten, neben ihrem Gehalt noch diverse andere Einnahmen zu verzeichnen.

Ein Jurist, der ausgerechnet auf den schönen Namen Dr. Ulrich Mordeisen hörte, wurde zum Beispiel vom Kurfürsten August von Sachsen in verschiedenen Angelegenheiten konsultiert.

Das war sein Schade nicht, wie eine Zeitschrift im 19. Jahrhundert ausführte:

»Eine Verordnung vom 24. Juli 1554 bestimmte selbigem jährlich 500 Gulden Münz, damals eine sehr hohe Summe, dann hundert Gulden Kostgeld, gleichviel, ob er bei Hofe speise oder nicht. Besoldung für drei Pferde, jedes monatlich 14 Gulden. Ferner jährlich ein Fuder guten Kötzschenbrodaer Wein, zwei Malz zu ›zweien gebreuden Bier‹, sechzig Scheffel Korn, 50 Klaftern Holz, die ihm durch die Amts= und Schloßfuhre kostenfrei vor das Haus gefahren werden mußten, 2 Centner Hechte, 3 Zentner Karpfen, 2 gemästete Schweine, ein gemästeter Ochs und drei Fässer eingesalzenes Schweinwildpret.«

Kurzum: solche Leute hatten zu allen Zeiten und haben bis heute – Schwein.

 

Karl Binding wirkte im 19. Jahrhundert an der Universität Leipzig als Professor für Kriminalistik und Strafrecht. Was er, wie bestimmt auch viele andere seiner gelehrten Kollegen, gar nicht schätzte, waren Studenten, die zu spät zur Vorlesung erschienen. Er spricht also bereits, als ein junger Mann den Hörsaal betritt. Der setzt sich nun aber nicht etwa gleich hinten auf einen Platz, sondern steuert eine der vorderen Reihen an.

Der Professor ist empört, unterbricht seinen Vortrag und blickt den Studenten wortlos so lange strafend an, bis der – heute würde man sagen total cool reagiert – resignierend den Saal mit dem Satz verlässt: »Aha, der Herr Geheimrat liest heute gar nicht …«

Der Sohn Karl Bindings und der Sohn seines Kollegen Adolf Wach studierten beide an der Universität Leipzig. Bei Semesterschluss erschien Wach einmal bei Binding und meinte: »Es tut mir leid, aber ich konnte Ihrem Sohn beim Examen nur eine Drei geben!«

Im nächsten Semester kam Binding zu Wach und verkündete strahlend: »Ich bin sehr froh. Ich konnte Ihrem Sohn gerade noch eine Drei geben!«

 

Was früher nicht alles möglich war! Obwohl es die antiautoritäre Revolution der 68er noch gar nicht gegeben hatte!

Der Jurist Bernhard Windscheid bat ein Jahrhundert früher die Studenten, während der Vorlesung das Rauchen zu unterlassen! Allein bei der nächsten Vorlesung fanden sich wieder weggelegte qualmende Zigarren auf den Bänken. Daraufhin meinte er: »Ich hatte Sie, meine Herren, das letzte Mal gebeten, das Rauchen im...