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Star Wars. Kopfgeld auf Han Solo

Kevin J. Anderson

 

Verlag Blanvalet, 2012

ISBN 9783641077945 , 416 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR


 

Payback: Die Geschichte von Dengar


von Dave Wolverton

EINS: DIE WUT


Wenn es ihm paßte, konnte Dengar ein geduldiger Mann sein. Und als er jetzt auf einem hohen Bergkamm unter einem Rupinbaum saß, von dem ein berauschend süßlicher Geruch ausging, der die Nacht von Aruza erfüllte, brauchte Dengar Geduld. Auf einem schmalen Felsplateau tausend Meter unter ihm empfing KOMENOR-General Sinick Kritkeen in seiner Villa mit ihren weitläufigen Gärten und der stattlichen Säulenhalle eine schier endlose Folge von Gästen. Die blauweißen Lichtkegel der Gleiter seiner Gäste kamen nacheinander über den Bergpaß gefegt, und dann entstiegen ihnen die Würdenträger – gewöhnlich verarmte Lokalgrößen in weißen Lendentüchern und Platinhalsbändern und mit goldenen Interfacesteckern, die hinter ihren Ohren schimmerten. Die Aruzaner waren kleine Leute mit perlmuttartig schimmernder blauer Haut, runden Köpfen und Haar von so dunklem Blau, daß es fast schwarz wirkte.

Die Aruzaner waren ein gutmütiges Völkchen, dessen Wesen jegliche Gewalt fremd war. Kaum daß sie Kritkeens Anwesen betreten hatten, fielen sie auf die Knie und erflehten sich irgendeine Gefälligkeit, suchten Gnade für ihre Leute und gingen dann wieder, wenn Kritkeen ihnen versprochen hatte, sich »um die Sache zu kümmern«, oder »mein Bestes zu tun«.

Zu der Zeit wußte Kritkeen noch nicht, daß ihn heute nach dem Verlassen seiner Gäste ein letzter Besucher aufsuchen würde. Die verarmten Bürger von Aruza, so friedlich sie auch waren, hatten Dengar den jämmerlichen Betrag von tausend Credits bezahlt, um Kritkeens Tyrannei ein Ende zu machen.

Bis zu Kritkeens Villa war es ein Kilometer. Selbst mit seinem verstärkten Audiosystem hätte Dengar Kritkeens Gespräche nicht belauschen können. Aber Dengar hatte auf einem Stativ Geräte aufgebaut, die ihm bei der Überwachung der Villa behilflich waren. Auf ein großes Bürofenster im hinteren Teil der Villa war ein Laserstrahl gerichtet, und die exakte Vermessung der auf das Glas treffenden Schallwellen erlaubte es ihm, Kritkeens letzte Worte exakt aufzuzeichnen. Dengar hörte sie sich auf einem kleinen Lautsprecher im unteren Teil des Stativs an.

Aruzas fünf Monde, fahle, silberne, grüne und beige Scheiben, hingen wie Lampions dicht über den Bergkuppen. Und draußen über den Tälern in der warmen Sommernacht Aruzas zogen Farrowvögel ihre Bahnen, und ihr in strahlenden Farben phosphoreszierendes Brustgefieder verwirrte kleine Flugsäuger lang genug, um den Farrowvögeln einen leichten Fang zu ermöglichen. Die Blitze der Farrowvögel sahen beinahe wie echtes Gewitter aus, dachte Dengar, oder eher noch wie Jagdflugzeuge, die ihre Laser auf ihre Ziele abfeuerten.

Und weil die Vögel den Himmel mit Blitzen erfüllten, zog Dengar seine schwere Blasterpistole heraus und schaltete sie auf Kill. Auf den meisten Welten hätte er gezögert, einen Würdenträger mit einem Blaster zu töten. Aber auf Aruza erschien ihm das durchaus passend. Kilometer entfernt würden die Leute die Blasterschüsse hier auf dem Hügel sehen und denken, es wären nur Farrowvögel bei der Jagd.

Dengar belauschte Kritkeens Gespräch mit einem kleinen Mann namens Abano.

»O Wohlhabender, o Mildtätiger«, sagte Abano, einer der armen aruzanischen Landbesitzer, laut und mit verzweifelter Stimme. »Ich flehe Euch an. Meine Tochter ist ein so zartes Geschöpf. Ihre Mutter liebt sie, und sie und ihre Freunde brauchen sie. Und doch soll sie morgen im Hospital von Bukeen der imperialen Operation unterzogen werden. Sie dürfen nicht zulassen, daß etwas so Schreckliches geschieht!«

»Aber was kann ich tun?« fragte Kritkeen und trat an seinen Schreibtisch unter dem Fenster. Dengar hatte seine kybernetischen Augen auf vierundsechzigfache Vergrößerung geschaltet und konnte Kritkeen deutlich erkennen. Der Mann war groß und schlank und hatte dichtes, braunes Haar. Er war vielleicht ein wenig kräftiger gebaut als Han Solo und hatte eine Raubvogelnase, aber ansonsten war die Ähnlichkeit mit Solo groß. »Mir geht es wie Ihnen – ich habe auch Vorgesetzte, denen ich Rechenschaft schuldig bin«, sagte Kritkeen. »Ich würde Ihre Tochter wirklich gern vor der Operation retten, aber selbst wenn ich das könnte – wen sollte ich an ihrer Stelle schicken? Nein, ihre Nummer ist ausgewählt worden. Sie muß sich der Operation unterziehen.«

»Aber meine Tochter ist ein liebes Kind«, bettelte Abano. »Sie ist wie ein Juwel unter den Frauen. Es heißt, bei der Operation wird ihr Hirn aufgeschnitten, und dann wird alle Freundlichkeit von ihr genommen, und wenn sie das Hospital überhaupt überlebt, wird sie nachher, wenn sie herauskommt, böse sein.«

»Das ist richtig«, sagte Kritkeen. »Männer wie Sie und ich können nicht begreifen, weshalb das Imperium böse Diener möchte. Aber was können wir tun?« Dengar wunderte sich über Kritkeen, wunderte sich, warum er vorgab, ohne Macht und Einfluß zu sein. Wahrscheinlich weil es seinen krankhaften Humor befriedigte. KOMENOR – die Kommission für die Erhaltung der neuen Ordnung – hatte Kritkeen als planetarischen Chef der »Neuregelung« nach Aruza gesandt, mit dem Auftrag, »vorläufige Orientierungsexperimente« zu führen, die zu einer »kulturellen Massenumerziehung« führen und bewirken sollten, daß Aruza »ein funktionsfähiger gesellschaftlicher Faktor in der neuen Ordnung« würde. Dengar hatte Kritkeens Einsatzbefehl gesehen, sich allerdings zunächst keinen Reim darauf machen können. Aber eines stand für Dengar außer Zweifel: Auf diesem Planeten war Kritkeen so etwas wie ein Gott. Er nahm von niemandem Anweisungen entgegen, und seine Befehle wurden minutiös erfüllt. Und falls es Kritkeen nicht gelingen sollte, Aruza so umzuerziehen, daß er ein »funktionsfähiger gesellschaftlicher Faktor« wurde, sollte dem Planeten, wie es in den recht vage gehaltenen Anweisungen stand, »das Potential weiterer Entwicklung genommen« werden. Im Laufe der mehreren Wochen, die er auf der Reise verbracht hatte, war es Dengar schließlich gelungen, die Anweisungen in allgemeinverständliche Sprache zu übersetzen: »Treiben Sie diese Pazifisten zusammen und machen Sie eine Kriegsmaschine aus ihnen. Wenn sie sich weigern, dann rösten Sie den ganzen Planeten, bis selbst die Würmer an der Asche ersticken.«

Und aus dieser Erkenntnis heraus fragte sich Dengar, weshalb Kritkeen sein Spiel mit den Aruzanern trieb. Kritkeen saß jetzt Abano gegenüber und sagte bedächtig, als wolle er den kleinen Mann trösten: »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen. Aber ist es denn nicht besser, eine Tochter zu haben, die wild ist und lebt, als eine, die tugendhaft ist ... und tot?«

»Ich würde Euch alles geben«, erregte sich Abano. »Meine Tochter, Manaroo, sie ist schöner und lieblicher als jedes andere Mädchen im Tal. Wenn sie tanzt, sind ihre Bewegungen wie Wasser, das im Mondlicht fließt. Sie ist mehr als nur eine Frau. Sie ist ein Schatz. Wenn Ihr sie tanzen sehen würdet, würdet Ihr sie nicht zur Operation schicken!«

»Was?« fragte Kritkeen. »Sie würden mir Ihre Tochter als Geliebte geben?«

Dengar hörte einen heftigen Atemzug. Dem sanften Aruzaner hatte es zweifellos die Stimme verschlagen, denn an so etwas würde er nie denken, und als Kritkeen verstand, daß es das nicht war, was Abano ihm anbot, tippte er dreimal mit dem rechten Zeigefinger auf seinen Schreibtisch. Beim imperialen Nachrichtendienst war das ein Standardcode – eine Anweisung für die Wachen, das Gespräch zu beenden.

»Mitkommen!« hallte jetzt die Stimme eines Sturmtrupplers, und Augenblicke später sah Dengar, wie die Außenbeleuchtung der Villa aufflammte und die weißen Säulen und die graziösen blauen Inderrinbäume in grelles Licht tauchte. Zwei Sturmtruppler zerrten den laut schreienden und um sich schlagenden Abano zu seinem Gleiter. Der Mann stieg verängstigt ein, hantierte nervös an den Kontrollinstrumenten seines Fahrzeugs.

Einer der Sturmtruppler hob seinen Blasterkarabiner, feuerte auf Abanos Kopf, verfehlte ihn aber um ein kleines Stück. Plötzlich fand der kleine Mann das Steuer seines Gleiters und raste davon, den Berg hinunter.

Als die Sturmtruppler wieder ins Haus kamen, knurrte Kritkeen sie an: »Ihr habt mir aber nicht den Rasen mit Fleischstücken versaut, oder?«

»Nein, Euer Exzellenz!« sagte einer der Sturmtruppler.

»Gut«, nickte Kritkeen. »Das zieht nur Bomats an, und ich kann dieses Pack nicht leiden. Die sind noch schlimmer als die verdammten Aruzaner.«

»Wir haben den Mann entkommen lassen«, erklärte der Sturmtruppler, sichtlich besorgt, daß Kritkeen verärgert sein könnte.

»Na schön, dann sind wir ihn los«, sagte Kritkeen mit einer wegwerfenden Handbewegung und runzelte die Stirn. »Für heute abend keine Termine mehr. Allmählich bin ich diese Bettelei leid, das Gewinsel und die ewigen Bitten.«

Er machte eine Handbewegung, als wolle er die Sturmtruppler hinausschicken, überlegte es sich dann aber anders. Er sah sich in seinem Raum um. »Geht in die Stadt und bringt mir Abanos Tochter. Ich will sehen, ob sie wirklich so schön ist, wie er sagt. Ich werde sie tanzen lassen. Und wenn ihr sie gebracht habt, sagt ihr meiner Frau, daß ich noch zu tun habe.«

»Und wenn sie sich weigert mitzukommen?« fragte einer der beiden Sturmtruppler.

»Das wird sie nicht. Ihr kennt doch die Eingeborenen hier, vertrauensselig und voller Hoffnung. Die kann sich gar nicht vorstellen, daß wir ihr ein Leid zufügen könnten.«

»Sehr wohl«, nickte der Sturmtruppler, und dann gingen beide hinaus.

Kritkeen eilte ihnen nach und stand mit hinter dem Rücken verschränkten...