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Die Pius-Bruderschaft - Informationen - Positionen - Perspektiven

Alois Schifferle

 

Verlag Butzon & Bercker GmbH, 2012

ISBN 9783766641120 , 400 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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14,99 EUR


 

II. Das Lebensbild Lefebvres


1. Zeitlicher Überblick

Marcel Lefebvre wurde am 29. 11. 1905 in Tourcoing bei Roubaix und Lille (Bistum Lille) als Sohn des Direktors einer Textilfabrik geboren.15 In den Jahren 1923 – 1930 studierte er in Rom an der päpstlichen Universität Gregoriana Theologie. Sein Studium beendete er mit dem Doktorat in den Disziplinen Philosophie und Theologie.16 Während seines Studiums wohnte Lefebvre im Französischen Seminar, dessen Leitung dem geistlichen Rektor des Kollegs, Pater Le Floch, Spiritaner, übertragen war. 1929 wurde Lefebvre für die Diözese Lille zum Priester geweiht, wo er 1930 als Pfarrvikar wirkte.17

Mit Erlaubnis seines Diözesanbischofs trat er im Jahre 1931 der Kongregation der Väter vom Hl. Geist bei18, jener Gemeinschaft, der auch sein älterer Bruder angehörte. 1932 wurde er als Missionar in die afrikanische Republik Gabun (franz. Äquatorialafrika) entsandt. Während dieser Missionarszeit19 wirkte er als Professor im Priesterseminar in Libreville. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er im Jahre 1946 nach Europa zurück. Im selben Jahr wurde er Direktor des Spiritaner-Scholastikats von Mortain in Frankreich.20 Im darauffolgenden Jahr wurde er Apostolischer Vikar von Dakar, und 1948 ernannte ihn Papst Pius XII. zum Apostolischen Delegierten für alle französisch sprechenden Gebiete Afrikas. Lefebvre erhielt somit einen Auftrag für eines der damals größten Missionsgebiete der Erde. 1955 wurde er erster Bischof von Dakar, der Hauptstadt von Senegal, in Westafrika. 1962 löste ihn Erzbischof Hyacinthe Thiandonum als Nachfolger ab21, denn es galt, einheimische Kräfte zu berücksichtigen. Lefebvre selbst stand nach seiner Rückkehr aus Westafrika in der Zeit vom 23.1. bis zum 11. 8. 1962 der Diözese Tulle (Département Corrèze, nördlich von Toulouse) vor.22 Nach sieben Monaten wurde er zum Generaloberen der Väter vom Hl. Geist ernannt. Dieser Kongregation gehörte er kirchenrechtlich bis 1968 an. Im Jahre 1960 berief ihn Papst Johannes XXIII. als Mitglied in die zentrale Vorbereitungskommission des Zweiten Vatikanums.23 Im zweiten Konzilsjahr wurde Lefebvre zum Mitbegründer einer Vereinigung von etwa dreihundert konservativen Konzilsvätern, dem „Coetus Internationalis Patrum“24.

Als Titular-Erzbischof nahm er 1962 – 1965 am Konzil teil. Er blieb jedoch den Treffen der französischen Bischöfe während des Konzils fern.25 1968 verzichtete er auf das Amt des Generaloberen und zog 1969 in die Westschweiz, jenen Teil des Landes, in dem Französisch gesprochen wird.

2. Die katholische Missionstätigkeit

a) Geschichtlicher Aufriss

Die katholische Missionstätigkeit26 erlebte gegen Mitte des 19. Jahrhunderts einen neuen Aufschwung, nachdem sie zur Zeit der Aufklärung mit der Aufhebung des Jesuitenordens27 und als Folge der Französischen Revolution einen starken Rückgang zu verzeichnen hatte. Gefördert wurde sie durch die fortschreitende Kolonisation der europäischen Mächte und durch das erneute Aufblühen des Ordenswesens. Seit der Zeit Papst Gregors XVI. (1831 – 1846) wurde der katholischen Missionstätigkeit größte Aufmerksamkeit geschenkt. Die Wiedererneuerung des Ordenswesens28 hatte an der religiös-kirchlichen Restauration in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach den Stürmen der Revolution und Säkularisation einen wesentlichen Anteil. Verschiedene Ordensgemeinschaften entwickelten eine lebhafte Missionstätigkeit in aller Welt. Das katholische Frankreich missionierte mit größtem Einsatz an Personen und Mitteln.29 Mission wurde zur Aufgabe des Volkes! In Frankreich bildete sich eine Anzahl Missionsvereine. Stellvertretend für viele seien hier der „Verein zur Verbreitung des Glaubens“ (1822 zu Lyon, seit 1922 Leitung in Rom) und der „Kindheit-Jesu-Verein“ (1843 Paris) genannt.30

b) Zur Missionstätigkeit Lefebvres in den Jahren 1932 – 1962 – Fakten und Zusammenhänge

Lefebvre trat 1931 der Kongregation vom Hl. Geist bei.31 Seine Heimat Tourcoing hatte in dieser Zeit eine beachtliche Zahl geistlicher Berufe zu verzeichnen. Im Norden Frankreichs gehörte es zur Tradition katholischer Familien, Priester, Nonnen und ebenso Offiziere für die Missionsgebiete zu stellen.32

Lefebvre wirkte von 1932 – 1962 in Afrika33, wo sich die katholische Missionstätigkeit34 in das 20. Jahrhundert hinein fortgesetzt hatte. In diesen Gebieten, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Kolonialgebiete unter den europäischen Mächten aufgeteilt waren, setzte ein größerer Aufschwung der Missionsarbeit ein.35 Strukturell fand Lefebvre seine Gemeinden mitgeprägt vom Kolonialismus der Vergangenheit. Als weißer Missionar und Träger und Künder der göttlichen Wahrheit war sich Lefebvre in Afrika des Schutzes der weißen Oberschicht gewiss und galt als Vertreter des Papstes und seiner Autorität. Seinem Bemühen in der Glaubensverbreitung wirkten entgegen: der scharfe Wettbewerb der mit reicheren Mitteln und stärkerer staatlicher Unterstützung arbeitenden protestantischen Missionsgesellschaften, die Kirchenfeindlichkeit einzelner Regierungen und die Vermengung politischer und nationaler Zwecke und Ziele mit dem Missionsapostolat.

Über die afrikanische Tätigkeit Lefebvres berichtet Anzévui: „Mgr. Lefebvre spielte in diesen 30 Jahren seiner afrikanischen Tätigkeit eine wichtige Rolle. Er bekundete als Missionar einen hervorragenden Eifer und erwies sich als ein außergewöhnlicher Organisator und als ein Mann der Tat, wie alle seine damaligen Kollegen heute noch bezeugen. Mehrere Missionsgesellschaften, die vorher nicht in Missionsgebieten tätig waren, führte er in Afrika ein, baute eine große Anzahl von Kirchen und gründete Hilfswerke aller Art.“36

Dem Missionsverständnis Lefebvres liegt eine scholastisch orientierte Theologie zentralistischer Prägung zugrunde. Ein vorwiegend statisches Verständnis von Offenbarung, nach dem die ewigen Wahrheiten ein für allemal unverändert vermittelt werden, verbindet sich mit einem ebenso statischen, institutionellen heilsgeschichtlichen Kirchenverständnis (Einpflanzung der Kirche).37 Der einheimische afrikanische Christ übernahm mit dem christlichen Glauben zunächst wie selbstverständlich den Großteil abendländischer Formen der Liturgie und Frömmigkeit.

Durch seine Kenntnisse der Missionierung in Afrika gewann Lefebvre das Vertrauen der römischen Missionszentrale (Propaganda Fide) und später auch das Vertrauen Papst Pius’ XII. In seiner Tätigkeit als Missionar in Gabun, als Bischof und Apostolischer Vikar von Dakar (1947), als Apostolischer Delegierter für alle französisch sprechenden Gebiete Afrikas (1948) und als erster Erzbischof von Dakar ab 195538 arbeitete er, gemäß der Tradition seines Auftrages und seines Amtes, bis zum 23. 1. 1962. In Anbetracht der heraufziehenden Bewegung afrikanischer Unabhängigkeit räumte Lefebvre seine Position einem einheimischen Prälaten, den „er noch selber zum Priester geweiht hatte, dem heutigen Kardinal Hyacinthe Thiandonum“39. Lefebvre wird nachgesagt, dass er weder auf die Stimmen der anderen Missionare seines Gebietes noch auf Vertreter der „Katholischen Aktion“ hörte.40 Er wehrte sich gegen eine Anpassung der Missionsarbeit an die jeweilige Kultur41 und wehrt sich noch heute gegen das Ringen der Teilkirchen der Dritten Welt um ihre Eigenständigkeit in theologischer und kirchenrechtlicher Hinsicht.42

c) Zum Problem der missionarischen Akkommodation

Im Missionsdekret Ad gentes des Zweiten Vatikanischen Konzils finden wir den Gedanken, dass die universale Kirche mit ihrer vom römischen Lehramt ausgelegten Tradition in den „Teilkirchen“ Gestalt gewinnt. Die „Teilkirchen“ dürfen „aus Brauchtum und Tradition ihrer Völker, aus Weisheit und Wissen, aus Kunststil und Fertigkeit“ Vielfältiges entlehnen, um „das christliche Leben dem Geist und der Eigenart einer jeden Kultur“ anzupassen, und zwar „unter voller Wahrung des Primates des Stuhles Petri, der in der ganzen Gemeinschaft der Liebe den Vorsitz führt“43. Und bei der römischen Bischofssynode von 1974 betonte Papst Paul VI. das Recht der pädagogischen und die Grenze der theologischen Akkommodation wie folgt: „Weiter halten wir es für angebracht, ein Wort über die Notwendigkeit zu sagen, eine bessere Ausdrucksweise des Glaubens in Übereinstimmung mit den völkischen, sozialen und kulturellen Umweltbedingungen zu finden. Dies ist gewiss eine notwendige Forderung für die Echtheit und Wirksamkeit der Evangelisierung. Es wäre jedoch gefährlich, von Theologien zu sprechen, die nach Kontinenten und Kulturen verschieden sind. Der Inhalt des Glaubens ist entweder katholisch oder ist es nicht mehr. Wir alle haben andererseits den Glauben von einer konstanten Tradition empfangen: Petrus und Paulus haben ihn nicht verändert, um ihn an die jüdische, griechische und römische Welt anzugleichen, sondern haben über dessen Reinheit und über die Wahrung der einen Botschaft gewacht, die in den verschiedenen Sprachen verkündigt wurde (Apg 2,8).“44

In der letztgenannten Hinsicht stimmt Lefebvre mit Paul VI. überein, wo dieser sich in der Frage der Tradition auf Petrus und Paulus beruft. Lefebvre ist der Ansicht, dass „... niemand mit mehr Anhänglichkeit dem Nachfolger Petri folgen wird als wir, wenn derselbe sich an die apostolischen Traditionen hält und an die Lehren seiner Vorgänger“45.

Er wehrt sich jedoch gegen die Konzeption der einen Kirche mit einer Theologie, die sich in Sitten und Gebräuchen den verschiedenen Kulturen anpasst, und verlangt eine Kirche, wie sie immer war.46 Der Missionar Lefebvre wehrt sich gegen eine Betonung des ortskirchlichen Prinzips durch die Missionstheologen und Bischöfe der Dritten Welt, wonach laut Kirchenkonstitution Nr. 26...