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Jäger des Feuers - Roman

James Barclay

 

Verlag Heyne, 2012

ISBN 9783641087005 , 768 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

1


Es sollte ein ruhmreicher Sieg werden. Lord Senedai von den Heystron-Stämmen stand auf einer erhöhten Plattform und beobachtete die Rauchwolken, die über Julatsa wallten. Ein Gebäude nach dem anderen wurde dort in Brand gesteckt, köstlich stieg ihm der beißende Rauch in die Nase. Durch die Schwaden sah er das weiße und schwarze Feuer, das seine Schamanen dank der Verbindung zu den Wytchlords erzeugen und als Waffe benutzen konnten, um das, was im Herzen der Stadt noch übrig war, in Schutt und Asche zu legen. Die Julatsaner hatten ihnen nichts entgegenzusetzen.

Das weiße Feuer entsprang den Fingerspitzen von einhundert Schamanen und fraß den Stein und das Fachwerk der einstmals stolzen Kollegstadt. Gebäude, Zäune und Barrikaden wurden in Trümmer gelegt. Wo Männer und Frauen entsetzt fortliefen, riss ihnen das schwarze Feuer das Fleisch von den Knochen und ließ ihre Augen im Schädel platzen, während sie kreischend und qualvoll starben.

Senedai empfand kein Mitgefühl. Er sprang von der Plattform herunter und rief seine Leutnants zu sich. Jetzt hielten nur noch die Magier seinen Vorstoß zum Kolleg auf. Sie schirmten große Bereiche am Stadtrand ab, und die feindlichen Soldaten schützten die Magier vor den Schwertern seiner Krieger. Es war an der Zeit, diesen lästigen Widerstand zu beseitigen.

Als er ins Schlachtgetümmel rannte, Befehle gab und zusah, wie die Standarten und Banner geschwenkt wurden, während die Stämme seinen Befehlen Folge leisteten, entstand vor ihm eine Flammenwand. Die magische Explosion griff um sich; Schamanen wurden von den Flammen erfasst und starben wie die Fliegen.

»Angreifen, angreifen!«, befahl er. Hier, direkt vor ihm, war der Schlachtlärm ohrenbetäubend. Schwerter klirrten, und die Männer schrien panisch oder vor Furcht und vor Schmerzen. Befehle wurden gebrüllt, manchmal verzweifelt und manchmal siegesgewiss, und er hörte Metall auf Leder klatschen, Steine poltern und Balken knacken.

Seine Leibwache bildete einen schützenden Halbkreis um ihn, während er sich knapp außerhalb der Bogenschuss-Reichweite hielt, wie es alle bis auf die verwegensten Schamanen taten. Die Reihen der Julatsaner waren fast aufgerieben und standen kurz vor dem Zusammenbruch. Sobald die feindlichen Linien durchbrochen waren, konnten sie geradewegs bis zu den Mauern des Kollegs vorstoßen.

Hornsignale wurden gegeben, und seine Krieger griffen erneut an. Hinter den feindlichen Linien wurden die Magier vom schwarzen Feuer in Stücke gerissen, noch während sie ihre schützenden Sprüche wirkten. Er konnte die Qualen der Gegner fühlen, und die Äxte seiner Wesmen hoben und senkten sich und ließen Blut in den rauchigen, trüben Himmel spritzen.

»Die Magier auf der rechten Seite müssen vernichtet werden!«, rief er einem Leutnant zu. »Gib sofort das Signal! « Der Boden erbebte unter der mächtigen julatsanischen Magie, kalte Luft vertrieb die Wärme des Tages, und aus dem Himmel regneten brennende Tropfen herunter. Seine Stammesbrüder bezahlten teuer für jeden Schritt, den sie machten.

Eine Abteilung Schamanen löste sich aus dem Verband und rannte nach rechts. Sobald sie sich in Bewegung setzten, wurden sie mit einem Pfeilhagel eingedeckt. Einer stürzte und wand sich hilflos am Boden, als ein Pfeil tief in seinen Oberschenkel eindrang. Er wurde zurückgelassen. Senedai sah den anderen nach und schauderte, als ihre Hände und Lippen sich bewegten, während sie das Feuer aus den abgrundtiefen schwarzen Seelen der Wytchlords heraufbeschworen und seine entsetzliche Kraft auf die hilflosen Opfer lenkten.

Doch während er die Schamanen beobachtete, spürte er eine Veränderung. Das Feuer, das vor den ausgestreckten Fingern pulsierte, wurde kurz stärker, dann flackerte es und erstarb. Irgendetwas lief wie eine Welle durch die Stämme. Überall auf dem Schlachtfeld wurden Rufe laut, die Schamanen starrten ihre Hände und dann einander an, verständnislos und plötzlich voller Furcht.

Vom Feind waren Jubelrufe zu hören, die auf alle Linien der Verteidiger übergriffen. Sofort nahm das Sperrfeuer der Sprüche an Heftigkeit zu, und die Verteidiger nutzten die Verwirrung, die von den Wesmen Besitz ergriffen hatte. Die Angreifer wurden zurückgetrieben.

»Mein Lord?«, fragte ein Hauptmann. Senedai drehte sich zu ihm um. Das Gesicht des Mannes verriet eine Furcht, die eines Wesmen-Kriegers unwürdig war, und der Feldherr spürte eine heiße Wut in sich aufsteigen. Er betrachtete noch einmal den erlahmenden Angriff und die Magie, die seine Männer vernichtete, er sah die Schwerter der erschöpften Verteidiger, die auf einmal mit frischer Kraft und Entschlossenheit geschwungen wurden. Er stieß den Hauptmann zur Seite und rannte, ohne Rücksicht auf das Risiko, nach vorn.

»Bei allen Geistern, sind wir denn auf einmal keine Krieger mehr?«, überbrüllte er den Schlachtlärm. »Hörner, blast zum Angriff! An allen Fronten angreifen! Zur Hölle mit der Magie, wir kämpfen mit Stahl. Greift an, ihr Bastarde, greift an!« Er stürzte sich in den Kampf, seine Axt fuhr durch die Schulter eines Julatsaners, der seine Stadt verteidigen wollte. Der Mann brach zusammen, und Senedai trampelte über die Leiche hinweg, riss die Axt heraus und schlug sie mit der flachen Seite dem nächsten Gegner ins Gesicht. Ringsum folgten die Stammesbrüder seinem Beispiel und begannen, Schlachtlieder zu singen, während sie zum Angriff übergingen.

Die Hörner gaben neue Befehle, die schwankenden Standarten wurden von den Trägern aufgerichtet und nach vorn gebracht. Die Wesmen stürzten sich wieder in die Schlacht um Julatsa, ignorierten die Sprüche, die ihren Gefährten den Tod brachten, und schlugen erbarmungslos zu. Die Verteidiger wichen unter dem ungestümen Angriff zurück.

Lord Senedai wagte es, sich einen Moment zwischen den Schlachtreihen umzuschauen. Viele Krieger würden ohne das Feuer der Wytchlords sterben, aber die Wesmen, so glaubte er, mussten dennoch siegreich bleiben. Er prägte sich die Positionen ein, an denen Trupps von offensiven Magiern standen, wehrte einen ungeschickten Hieb ab und stürzte sich wieder ins Kampfgetümmel.

 

Der Rabe stand schweigend auf Parves zentralem Platz. Die Schlacht war gewonnen. Dawnthief war gewirkt worden, die Wytchlords waren vernichtet, und ihre Stadt war abermals ein Ort der Toten. Über ihnen hing der Nachhall von Dawnthief braun und wabernd in der Luft, ein fremder und bösartiger Fleck, der wie ein lauerndes Raubtier über Balaia schwebte. Es war ein Dimensionsriss, der ins Nichts führte.

Auf der anderen Seite des Platzes hatten Darrick und die Überreste der Kavallerie der vier Kollegien jeden noch vorhandenen Widerstand beseitigt. Jetzt stapelten sie die Leichen auf primitiven Scheiterhaufen – die Jünger der Wytchlords, die Wesmen und die Wächter auf einer Seite, die eigenen Gefallenen auf der anderen. Die Behutsamkeit, mit der die toten Kavalleristen bewegt wurden, stand in krassem Gegensatz zur Behandlung der toten Feinde, die respektlos geschleift und übereinander geworfen wurden. Styliann und die Protektoren waren in die verwaiste Pyramide eingedrungen und durchsuchten den Schutt, um Aufschluss zu bekommen, wie dieser uralte, entsetzliche Schrecken erneut hatte erstarken können.

Die Stille auf dem Platz war beinahe körperlich spürbar. Keiner von Darricks Männern sagte ein Wort, während sie ihrer undankbaren Arbeit nachgingen. Am Himmel unter dem Riss flog kein einziger Vogel, und der Wind, der über das offene Land wehte, schien sich auf ein Flüstern zu beschränken, sobald er um Parves Gebäude strich.

Was den Raben anging, so wurde auch dieser Sieg von einem Verlust überschattet.

Denser stützte sich schwer auf Hirad, und Erienne legte ihm auf der anderen Seite den Arm um die Hüfte. Ilkar stand beim Barbaren. Ihnen gegenüber, auf der anderen Seite des Grabes, waren Will, Thraun und der Unbekannte Krieger. Alle starrten den verhüllten Leichnam Jandyrs an. Der Bogen des Elfenkriegers lag neben ihm, das Schwert auf dem Toten.

Der Rabe trauerte schweigend. Im Augenblick des Triumphs war Jandyr das Leben genommen worden. Nach allem, was er durchgemacht hatte, war das ein höchst ungerechtes Ende.

Für Ilkar wog der Verlust besonders schwer. Es gab nicht viele Elfen in Balaia. Meist bevorzugten sie die warmen Länder im Süden, und nur die wenigen, die von der Magie gerufen wurden, reisten zum Nordkontinent. Angesichts der kleinen Zahl war der Verlust eines Kriegers wie Jandyr ein schwerer Schlag. Ganz besonders betroffen waren Will und Thraun. Ihr alter Freund war im Dienst für Balaia und den Raben gefallen. Was als einfaches Rettungsunternehmen begonnen hatte, war als verzweifelte Jagd auf den Stufen vor dem Grabmal der Wytchlords zu Ende gegangen, nachdem der einzige Spruch gesucht und gewirkt worden war, der Balaia vor dem uralten Bösen retten konnte. Doch Jandyr war gestorben, bevor er sehen konnte, wie Dawnthief erfolgreich eingesetzt wurde. Das Leben war manchmal grausam. Grausam wie der Tod im falschen Augenblick.

Der Unbekannte sprach die Abschiedsworte des Raben. »Im Norden, im Osten, im Süden und im Westen. Auch wenn du fort bist, wirst du immer zum Raben gehören, und wir werden dich nie vergessen. Die Götter sollen lächelnd auf deine Seele herunterschauen. Gut soll es dir ergehen bei allem, was dir jetzt und in der Ewigkeit noch begegnen mag.«

Will nickte. »Danke«, sagte er. »Ich weiß eure Achtung und Ehrerbietung zu schätzen. Aber jetzt möchten Thraun und ich eine Weile mit ihm allein sein.«

»Selbstverständlich«, sagte Ilkar und entfernte sich.

»Ich bleibe noch ein Weilchen«, sagte Erienne, die sich von Denser löste. »Schließlich war er bereit, meine...