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Schön reich - Steuern zahlen die anderen - Wie eine ungerechte Politik den Vermögenden das Leben versüßt

Sascha Adamek, Kim Otto

 

Verlag Heyne, 2009

ISBN 9783641032463 , 272 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR


 

Einleitung
Wir stecken mitten in der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Zu diesem Crash geführt hat die Renditegier von Managern. Immer größere Spekulationsgeschäfte wurden ungeregelt, unkontrolliert und ungehemmt zugelassen. Die Zeche zahlen werden nun die Steuerzahler: Innerhalb weniger Tage wird ein Gesetz durchgepeitscht, das 500 Milliarden Euro umfasst, um das Bankensystem zu retten. Und das heißt: Wir werden eine neue Steuerdiskussion erleben. Anlass für uns, eine Reise durch ein Land zu unternehmen, das bereits heute eine Steueroase für Superreiche ist. Denn ausgerechnet die, die dem Steuerstaat jahrelang die kalte Schulter gezeigt haben, rufen nun nach eben diesem Staat. Unsere Reise beginnt an der Côte d’Azur, einem Landstrich, der reiche Deutsche schon immer magisch anzog.
Den Arm lässig im offenen Fenster abgestützt, steuert Klaus Barski seinen Mercedes SL über den Boulevard de la Croisette. Das Sonnenlicht fällt durch die Palmen und lässt Barskis brillantenbesetzte Rolex glitzern. Barski ist Millionär und mächtig stolz darauf. »Ich habe mit 30 einfach beschlossen, nicht mehr zu arbeiten – zumindest nicht mehr als eine Stunde pro Tag. Das muss reichen. Denn Reichtum heißt für mich, Zeit zu haben für das, was ich gern mache. Das ist für mich ein irrsinniges Abenteuer«, sagt er. Mit seiner Frau Bonnie lässt er es sich gutgehen in Cannes. Barski ist kein Steuerflüchtling, er lebt nicht an der Côte d’Azur, sondern im mondänen Königstein im Taunus. Über Jahrzehnte hat er mit Immobilienspekulationen ein Vermögen verdient, er selbst schätzt es auf fünf Millionen Euro – Immobilienvermögen. 2007 hatte der Vermögensmillionär ein zu versteuerndes Einkommen von 26 000 Euro. Davon zahlte er 2 300 Euro Steuern. Trotzdem hat er monatlich etwa 5 000 Euro zur freien Verfügung, weil ihm die steuerfreien Verkaufsgewinne der Mietshäuser immer ein gutes Polster bescheren.
Davon kann die Familie Drawitsch aus Bensheim-Gronau nur träumen. Bei ihnen ist es mal wieder spät geworden. Schweißnass kommt Jürgen Drawitsch zur Tür herein. Er fährt täglich mit dem Rad zum Bahnhof – auch bei Minusgraden -, von dort mit dem Zug zu seiner Zeitungsredaktion nach Weinheim. Er verdient gutes Geld mit einem Bruttogehalt von 57 000 Euro. Das Auto braucht seine Frau, die 48 Kilometer entfernt im Heidelberger Uniklinikum arbeitet. Und ihr Job ist kein leichter. Als Krankenpflegerin in der Kinderonkologie kümmert sie sich um krebskranke Kinder und deren Familien und versucht alles zu tun, um den Kindern den Tag angenehm zu gestalten. »Jede schöne Stunde zählt. Denn die Freude, die ich bereiten kann, ist heute wichtig«, sagt Dagmar Drawitsch und klingt sogar fröhlich dabei. Anders hielte sie den Job wohl gar nicht aus, hat sie doch täglich mit existenziellen Sorgen zu tun, begleitet die schwer kranken Kinder während der Therapie und, wenn es schlimm kommt, auch beim Sterben. Für diese aufreibende und verantwortungsvolle Aufgabe erhält sie 2 800 Euro brutto im Monat. Netto bleiben ihr davon gerade mal 1 200 Euro, weil sie mit ihrem Mann bei der Steuer gemeinsam veranlagt ist und eine schlechtere Steuerklasse hat. Früher haben sich wenigstens die häufigen Schichtwechsel – zwei Tage Frühdienst, zwei Tage Spätdienst, dann eine Nachtschicht – finanziell ausgezahlt, doch seit die rot-grüne Bundesregierung die Steuerfreiheit für Schicht- und Wochenendarbeit eingeschränkt hat, bleiben ihr von den 210 Euro an Zuschlägen lediglich 90 Euro übrig.
Es ist 21 Uhr. Dagmar Drawitsch bereitet schon alles für das Frühstück vor, denn um sechs Uhr muss sie zur Frühschicht aus dem Haus. Jürgen Drawitsch drückt Sohn Jakob den Laptop in die Hand. Der 15-Jährige muss mit dem »Familienlaptop« noch seine Hausaufgaben machen. Jürgen und Dagmar Drawitsch leben mit ihren drei Söhnen im Alter von 15, 16 und 18 Jahren in einer 130 Quadratmeter großen Eigentumswohnung. Obwohl die beiden gemeinsam sehr viel verdienen, muss die Familie aufs Geld achten: Von ihren gut 80 000 Euro brutto im Jahr zahlen sie 16 240 Euro Steuern – siebenmal so viel wie Millionär Barski.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Klaus Barski profitiert davon, dass Deutschland auf die Erhebung einer Vermögensteuer verzichtet. Sonst müsste er seine Wertzuwächse versteuern. Jürgen und Dagmar Drawitsch hingegen können als »normale« Arbeitnehmer nicht mal einen Millimeter an der Steuerschraube drehen.
Der finanzielle Druck auf die Arbeitnehmer wird immer größer. Dabei sind gerade sie es, die am zuverlässigsten Steuern zahlen – weil ihnen der Staat das Geld gleich direkt vom Gehalt abzieht. Einkommensmillionäre, vermögende Unternehmer oder Selbstständige hingegen profitieren häufig von der deutschen Steuerpolitik. Sie greifen zu immer neuen Tricks, Steuern zu hinterziehen, oder nutzen ganz legal die zahlreichen Schlupflöcher. Und das gerade zu einer Zeit, in der der Staat Milliarden an Steuergeldern in die Wirtschaft pumpen muss, um diese nicht zusammenbrechen zu lassen, einer Zeit, in der Konzernherren und Bankmanager, die stets und noch bis vor kurzem »weniger Staat« gefordert hatten, auf einmal ganz laut nach staatlicher Hilfe rufen.
In diesem Buch wollen wir vor allem mit der Legende aufräumen, Reformen am Steuerrecht allein führten zu mehr Gerech tigkeit, denn schon heute ginge es gerechter zu, wenn die Steuern, die Unternehmen und Selbstständige leisten müssten, tatsächlich gezahlt würden. Vom Anspruch einer flächendeckenden und gleichmäßigen Besteuerung seiner Bürger hat sich der Staat jedoch längst verabschiedet. Allein durch den desolaten Zustand der Finanzverwaltung entgehen dem deutschen Staat jährlich etwa 70 Milliarden Euro Steuern. Die deutsche Steuerverwaltung – vom einfachen Finanzamt über die Betriebsprüfer bis zu den Steuerfahndern – wurde personell so ausgedünnt, dass sie es längst nicht mehr aufnehmen kann mit gewitzten Unternehmern und Selbstständigen, mit cleveren Wirtschaftsanwälten und Steuerberatern, die ihr fast immer eine Nase voraus sind. So erzählt eine Finanzbeamtin im Innendienst von »Durchwinkwochen«, in denen die Einkommensteuererklärungen von Selbstständigen und Unternehmen eins zu eins übernommen würden, um den Bearbeitungsrückstand aufzuholen. So macht sich auch unter den Angestellten im Finanzamt Frust breit und das Gefühl, längst nicht mehr nach Recht und Gesetz arbeiten zu können. Ein Betriebsprüfer berichtet von Anweisungen seines Chefs, »sich doch mal die Sonnenbrille aufzusetzen« bei der Prüfung. Und von der Ansage von ganz oben, bei bestimmten Unternehmen mal ein Auge zuzudrücken. Steuerfahnder erzählen, wie sie ausgerechnet in den Millionärshochburgen Taunus und München von ihren Vorgesetzten ausgebremst würden. In Hessen wurden 2003 sogar 15 sehr erfolgreiche Fahnder, die sich an die Fersen reicher Steuerhinterzieher und deren Helfer in den Banken geheftet hatten, aus ihrem Job katapultiert.
Hinzu kommt eine steinzeitlich anmutende technische Ausstattung: Die Finanzämter sind untereinander nicht vernetzt, die Computerprogramme vollkommen veraltet, und viele Finanzbeamte haben nicht einmal einen simplen Internetanschluss zur Überprüfung von Angaben. Damit nicht genug: Uns liegt eine Reihe brisanter Dokumente vor, etwa über eine deutsche Millionärshochburg, wo von 100 Einkommensmillionären keiner je vom Finanzamt sondergeprüft wurde. Und Mecklenburg-Vorpommern weist seine Steuerbeamten sogar schriftlich an, Steuerpflichtige möglichst wenig zu behelligen und auf Kostenbelege zu verzichten. Dokumente, die selbst uns Autoren noch immer staunend zurücklassen.
Wir wollen einen Eindruck davon vermitteln, wie es reiche Leute schaffen, sich immer reicher zu »sparen«. Vom Staat gespon serte Luxusleben – mitten in Deutschland. Denn zwar reden alle über Liechtenstein oder die Schweiz, aber Deutschland selbst ist längst ein Steuerparadies für Superreiche.
Wir werden den Millionär Klaus Barski begleiten und darstellen, wie er – ganz legal – vom deutschen Steuersystem profitiert. Hinzu kommen zwei abenteuerliche Beispiele von Steuerhinterziehungen, die an Raffinesse kaum zu überbieten sind. Und wir werden die Einstellung und die Methoden derer vorstellen, die ihr Einkommen einer gerechten Besteuerung entziehen. Wir werden zeigen, wie sie »schön reich« geworden sind und wie sie sich dabei Stück für Stück aus der Gesellschaft verabschieden, der sie ihren Reichtum letztendlich verdanken. Das Buch zeichnet das Sittengemälde einer Gesellschaft, die sich schon längst vom Grundkonsens einer sozialen Marktwirtschaft verabschiedet hat.
Rund 30 Milliarden Euro gehen dem Staat im Jahr durch Steuerhinterziehung verloren. Die Höhe des Schadens beeindruckt nicht nur quantitativ, sondern auch durch eine neue gesellschaftliche Qualität: Da klauen gebildete Führungskräfte und Konzernmanager – deren Funktion ja auch darin besteht, Verantwortung für andere zu übernehmen und gesellschaftliches Vorbild zu sein – dem Staat Millionen, und während jeder Ladendieb sofort angezeigt würde, kommen sie meist straffrei davon. Wenn Konzernmanager ihre Position dazu missbrauchen, sich selbst zu bereichern: Wohin driftet dann die Gesellschaft? Das Bild einer redlichen und verantwortungsvollen Wirtschaftselite mit Wertebewusstsein ist kollabiert. Sie entzieht sich immer mehr ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Mit weitreichenden Folgen: »Die da oben lügen und betrügen doch eh alle«, denken dann die da unten und lügen und betrügen mit Blick nach oben einfach auch.
Geschätzte knapp 500 Milliarden Euro haben reiche Deutsche inzwischen am Fiskus vorbei im Ausland angelegt. Die häufigsten...