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Die Party Queen von Manhattan - Roman

Lauren Weisberger

 

Verlag Goldmann, 2009

ISBN 9783641034061 , 480 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR


 

1
»How does it feel to be one of the beautiful people?«
Aus »Baby, You’re a Rich Man« (1967) von John Lennon und Paul McCartney
Obwohl ich das braune Tierchen, das da über mein welliges Parkett huschte, nur aus dem Augenwinkel erspäht hatte, wusste ich gleich, dass es nur eine Kakerlake sein konnte – und zwar die mit Abstand fetteste, fleischigste Küchenschabe, die je meinen Weg gekreuzt hatte. Bevor das Biest unter dem Bücherschrank verschwand, schrammte es haarscharf an meinen nackten Füßen vorbei. Schlotternd aktivierte ich die Chakrenatmung, die ich seit einem unfreiwilligen Aufenthalt in einem indischen Aschram beherrschte, in den ich von meinen Eltern vor ein paar Jahren zwangsverschleppt worden war. Einige Male konzentriert Luft geholt, und mein Herzschlag beruhigte sich wieder. Nach ein paar Minuten hatte ich mich so weit gefangen, dass ich zum Gegenangriff übergehen konnte. Als Erstes rettete ich Millington aus ihrem Versteck, denn sie hatte sich, ebenso erschrocken wie ich, unter der Couch verkrochen. Dann ging alles blitzschnell. Ich sprang in ein Paar kniehohe Lederstiefel, riss die Wohnungstür auf, um dem Geziefer einen Fluchtweg zu bieten, und versprühte in sämtlichen (zwei) Räumen ein hochwirksames, nur auf dem Schwarzmarkt erhältliches Insektengift. Ich umklammerte die Spraydose wie eine tödliche Angriffswaffe und ließ den Knopf erst zehn Minuten später wieder los, als das Telefon klingelte.
Das Display zeigte Penelopes Nummer an. Fast hätte ich in meiner Panik den Apparat einfach klingeln lassen, aber dann fiel mir ein, dass sie eine der insgesamt zwei Personen war, bei denen ich im Notfall um Asyl bitten konnte. Sollte die Kakerlake den Giftgasangriff überstehen und noch einmal durchs Wohnzimmer spazieren, würde ich bei Pen oder Onkel Will unterschlüpfen müssen. Und weil ich nicht genau wusste, wo sich Will heute Abend rumtrieb, war es wohl klüger, die Kommunikation zu Penelope nicht abreißen zu lassen. Ich ging ran.
»Pen, ich bin gerade von der riesigsten Küchenschabe in ganz Manhattan überfallen worden. Was soll ich machen?«, platzte ich heraus, kaum dass ich den Hörer in der Hand hatte.
»Bette, ich muss dir was Wichtiges erzählen!«, legte sie ungerührt los. Meine missliche Lage ließ sie offensichtlich kalt.
»Wichtiger als der Angriff der Killerkakerlake?«
»Avery hat mir gerade einen Heiratsantrag gemacht!«, trällerte Penelope. »Wir sind verlobt!«
Verdammt. Wir sind verlobt, drei kleine Wörter, die für sie das Glück auf Erden bedeuteten und für mich den Super-GAU. Ich schaltete sofort auf Autopilot um. Es wäre, gelinde gesagt, nicht gerade angemessen gewesen, das auszusprechen, was ich in diesem Moment wirklich dachte. Er ist eine Niete, Pen. Ein verzogener kleiner Junge im Körper eines zugekoksten und zugekifften Riesenbabys. Er weiß, dass er dir nicht das Wasser reichen kann. Deshalb steckt er dir schnell einen Verlobungsring an den Finger, bevor du irgendwann von selber draufkommst. In spätestens zehn Jahren serviert er dich wegen einer Jüngeren ab, und dann stehst du vor einem Scherbenhaufen. Tu es nicht! Tu es nicht! Tu es nicht!
»Das gibt’s doch nicht!«, rief ich. »Herzlichen Glückwunsch. Wie ich mich für dich freue!«
»Ach, Bette, das dachte ich mir. Ich kann kaum sprechen, es geht alles so schnell.«
So schnell? Es war doch irgendwie zu erwarten gewesen. Seit du neunzehn warst, hast du keinen anderen Mann mehr angeguckt. Das sind jetzt immerhin acht Jahre. Ich hoffe bloß, er fängt sich bei seinem Junggesellenabschied keinen Herpes ein.
»Ich will alles wissen, jede Einzelheit. Wann? Wie? Was für ein Ring?« Trotz des Schocks spielte ich die Rolle der besten Freundin gar nicht so übel und betete die unvermeidlichen Fragen ziemlich überzeugend herunter.
»Ich kann nicht lange reden, wir sind nämlich im Plaza Hotel. Weißt du noch, dass er mich heute Abend unbedingt von der Arbeit abholen wollte?« Sie ließ mir keine Zeit für eine Antwort und plapperte aufgeregt weiter. »Er ist in einer Limousine vorgefahren und hat behauptet, er hätte sie nur gemietet, weil er kein Taxi kriegen konnte. Seine Eltern würden uns in zehn Minuten zum Essen erwarten. Ich war ein bisschen sauer, weil wir eigentlich ins Per Se wollten. Du weißt ja, wie schwer es ist, da überhaupt einen Tisch zu kriegen. Als wir dann bei ihm zu Hause waren und in der Bibliothek noch einen Cocktail getrunken haben, kamen plötzlich unsere Eltern rein, seine und meine. Und bevor ich wusste, wie mir geschah, lag er schon vor mir auf den Knien.«
»Eure Eltern waren dabei? Er hat dir vor allen Leuten einen Antrag gemacht?« Mir war klar, dass ich entsetzt klang, aber ich konnte es nicht ändern.
»Vor allen Leuten? Es war ja schließlich kein Massenauflauf, Bette. Er hat die allerliebsten Sachen gesagt. Und ohne unsere Eltern hätten wir uns schließlich nie kennen gelernt, deshalb konnte ich ihn schon verstehen. Und jetzt die Krönung – er hat mir zwei Ringe geschenkt!«
»Zwei Ringe?«
»Zwei Ringe. Einen lupenreinen runden Sechskaräter in einer Platinfassung, der seiner Ururgroßmutter gehört hat und in der Familie als eigentlicher Verlobungsring weitervererbt wird, und einen bildhübschen, rechteckigen Dreikaräter, der sehr viel tragbarer ist.«
»Tragbarer?«
»Man kann doch nicht mit so einem dicken Klunker am Finger in New York rumspazieren. Ich fand das echt eine klasse Idee.«
»Zwei Ringe?«
»Nun krieg dich wieder ein. Nach den Cocktails sind wir in die Gramercy Tavern gegangen. Mein Vater hat während des gesamten Essens tatsächlich nicht ein einziges Mal sein Handy eingeschaltet, und einen einigermaßen gelungenen Trinkspruch hat er sich auch noch ausgedacht. Reife Leistung. Anschlie ßend sind wir mit der Pferdekutsche durch den Central Park gefahren, und jetzt haben wir uns im Plaza eine Suite genommen. Ich musste dich einfach anrufen, um dir die gute Nachricht zu erzählen.«
Ich erkannte Penelope kaum wieder. Wo war meine alte Freundin geblieben? Die Frau, die sich Verlobungsringe noch nicht mal in der Auslage beim Juwelier anschaute, weil sie fand, dass sie sowieso alle gleich aussahen? Die Frau, die vor gerade einmal drei Monaten, als sich eine ehemalige Studienkollegin von uns in einer Pferdekutsche verlobte, mit dem Kommentar »Kitschiger geht’s nicht« reagiert hatte? Diese Frau sollte sich von einem Tag auf den anderen in die Billigversion einer Stepford-Verlobten verwandelt haben? Oder war ich bloß neidisch? Natürlich war ich neidisch. Für mich lag eine Verlobung in weiter Ferne. Ich kam mit dem Thema Hochzeit höchstens sonntags beim Brunch in Berührung, wenn ich die Heiratsanzeigen in der New York Times studierte, besser bekannt auch unter dem Namen »Sportseite für weibliche Singles«. Aber darum ging es überhaupt nicht.
»Danke, dass ich es als Erste erfahre! Ich will unbedingt noch mehr hören, ich bin ja schon so gespannt. Aber jetzt musst du erst mal deine Verlobung vollziehen. Nun lauf und mach deinen Bräutigam glücklich. Klingt das nicht irre? Deinen Bräutigam?«
»Ach, Avery hat gerade einen Anruf aus dem Büro bekommen. Ich sag ihm die ganze Zeit, er soll endlich auflegen...« Sie sprach lauter, damit er es mitbekam. »Aber er hört einfach nicht auf zu reden. Und wie war dein Abend?«
»Ein typischer Freitag. Mal sehen. Millington und ich haben einen Spaziergang gemacht, bis rüber auf die andere Seite vom Fluss. Unterwegs hat ihr ein Obdachloser ein Plätzchen geschenkt, da war sie ganz aus dem Häuschen. Und als ich wieder zu Hause war, habe ich – mit ein bisschen Glück – das größte Insekt der westlichen Hemisphäre gekillt. Ich habe mir was beim Vietnamesen bestellt, das Essen dann aber doch in den Müll gekippt, weil mir wieder eingefallen ist, was letztens in der Zeitung stand. Bei mir um die Ecke wurde ein vietnamesisches Restaurant geschlossen, weil sie dort Hundefleisch verarbeitet haben. Und jetzt freue ich mich schon auf ein königliches Mahl aus aufgewärmtem Reis mit Bohnen, begleitet von einem Päckchen Twizzlers. Hilfe, ich klinge ja wie eine Diätwerbung.«
Statt mich zu trösten, lachte sie bloß. Dann klickte es in der Leitung: noch ein Anruf.
»Ah, das ist Michael. Ich muss es ihm sagen. Du hast doch nichts gegen eine Konferenzschaltung?«
»Nur zu. Ich kann es kaum erwarten, dass du es ihm erzählst.« Sobald Penelope aufgelegt hatte, würde Michael mir bestimmt sein Beileid aussprechen. Schließlich konnte er Avery noch weniger leiden als ich.
Klicken, Stille, noch ein Klicken. »Ist da jemand?«, kiekste Penelope aufgeregt. Und das von einer Frau, die sonst nicht zum Kieksen neigte. »Michael? Bette? Seid ihr beide dran?«
Michael arbeitete wie Penelope und ich bei UBS, aber seitdem er zum Vizepräsidenten befördert worden war, bekamen wir ihn viel seltener zu sehen als...