dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Amore siciliano - Roman

Luzie Bronder

 

Verlag Aufbau Verlag, 2012

ISBN 9783841202215 , 298 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

8,99 EUR


 

Kapitel 2: PREPARAZIONE


»Nanu, was soll das denn sein?«

Staunend blieb ich vor einem Gerät stehen, das laut Beschilderung »Genmanipulator« hieß und aussah wie eine riesige Zentrifuge. Hier wurde bedrohlich, wenn auch nicht sehr realistisch, die Herstellung genveränderter Pflanzensamen dargestellt. Unter dem Namen des Phantasiegerätes stand in leuchtend roten Buchstaben: »Wir wissen nicht, was sie tun.«

Direkt daneben zeigte eine Schautafel die möglichen Auswirkungen, die die Gentechnik auf Tiere, die sich von solchem Gemüse ernährten, und Menschen, die sich wiederum von diesen Tieren ernährten, haben könnte. Zur Abschreckung versteht sich.

»Hier siehst du genau, wie gefährlich das ist, was die in Frankreich mit dem Mais anstellen«, sagte Malte. »Keiner kann kontrollieren, was da wirklich passiert.«

»Es ist noch lange nicht erforscht, welche Auswirkungen diese Genveränderungen auf uns und unsere Umwelt haben«, nickte die Frau hinter dem Stand zustimmend und erläuterte Malte und mir detailliert, mit welchen Verschleierungskampagnen die Hersteller die Verbraucher über die Gefahren der Gentechnik im Unklaren ließen. »Es gibt zahlreiche unerwartete und schlicht nicht erklärbare Eigenschaften bei genveränderten Organismen, und es ist überhaupt nicht geklärt, wie sich deren Verzehr langfristig auf die menschliche Gesundheit auswirkt. Ich bin übrigens die Klara«, stellte sie sich vor.

»Hallo Klara, ich bin Malte, und das« – er deutete auf mich – »ist Lexi.«

»Alex«, korrigierte ich und schüttelte Klara die Hand.

Ich mochte es nicht, wenn Malte mich Lexi nannte, wie es meine Eltern taten. Das war in meinen Augen ein Name für ein kleines Kind oder eine Figur aus Hallo Spencer, aber doch nicht für eine erwachsene Frau.

»Ich hab mal gehört, dass in Frankreich genverändertes Futter bei Ratten ausprobiert wurde und die Tiere alle krank geworden sind«, sagte ich zu Klara.

»Ja, von solchen Experimenten hört man immer wieder! Aber auch die Artenvielfalt ist durch solche Eingriffe in die Ökosysteme gefährdet«, erklärte sie. »Und ob es überhaupt Produktionsvorteile durch die Resistenzen der Pflanzen gibt, ist längst nicht erwiesen.«

Sie versicherte uns, dass es auf das Konsumverhalten des Einzelnen ankomme, wenn wir erfolgreich Produkte aus genveränderten Organismen vom Markt verbannen wollten, und wir kamen gemeinsam zu der Überzeugung, dass wir dringend etwas gegen die Unwissenheit vieler Bürger unternehmen müssten. Klara lud uns direkt zur nächsten Anti-Gentechnik-Demo ein, die anlässlich der in diesen Tagen angesetzten EU-Landwirtschaftsminister-Konferenz am Brandenburger Tor veranstaltet wurde.

Wir versprachen, zu kommen, nahmen jeder einen auf Recyclingpapier gedruckten Flyer mit einem weinenden Maiskolben darauf mit und schlenderten Hand in Hand weiter zum nächsten Messestand.

Ich war zum ersten Mal auf der Grünen Woche. Und das, obwohl ich in Berlin lebte, wo diese große Bio- und Umweltmesse schon seit über achtzig Jahren stattfand. Aber bis vor kurzem hatte ich zu meiner Schande ein eher wenig umweltbewusstes Leben geführt. Dafür gab ich allein meinen schwerreichen Eltern die Schuld. Für sie waren andere Dinge wichtig, vor allem ihr Vermögen. Ihnen gehörten neben der Familienvilla auch drei Mietshäuser sowie eine Einkaufsladenzeile, was quasi halb Teltow entsprach. Und genauso verhielten sie sich auch.

Ich hatte eine Weile gebraucht, um zu realisieren, dass ich ganz anders leben wollte, nicht im Stile von Heinrich Freiherr und Viola Freifrau von Herzogenaurich und ihren verwöhnten Sprösslingen. Aber kurz vor meinem 21. Geburtstag war ich schließlich so weit gewesen und zu Hause ausgezogen, kurz nachdem ich die Ausbildung zur Biolaborantin abgebrochen hatte. Gegen den Willen der hohen Herrschaften hatte ich dann ein Jahr später mit meinem Studium an der Filmhochschule begonnen, und sosehr meine Eltern zuvor gegen die Ausbildung im Labor waren – immerhin hatten sie ihre älteste Tochter mit einem Abitur von 1,7 längst als Promovendin der Humboldt-Universität gesehen –, so sehr waren sie dann dagegen gewesen, dass ich die Ausbildung nicht zu Ende bringen und stattdessen den eher brotlos klingenden Studiengang Regie wählen wollte. Aber ich hatte keinen Sinn darin gesehen, weiterhin mein Leben im Labor vorm Mikroskop oder Reagenzglas zu fristen, nachdem ich endlich erkannt hatte, was ich wirklich machen wollte – Filme. Ich wollte große, wichtige Geschichten erzählen, und vor allem sollten meine Filme auch ein bisschen die Welt verändern.

Und deshalb hatte ich dem Labor Lebewohl gesagt und es nach einem langen, mühevollen Bewerbungsverfahren geschafft, mich an der Hochschule für Film und Fernsehen einzuschreiben, wo ich nun seit gut drei Jahren die Grundsätze von Kameraführung, Schnitt und Produktion und im Hauptfach Regie studierte. Nebenbei jobbte ich wie gesagt für die Filmproduktionsfirma Studio Berlin, und ohne diesen Job hätte ich Malte niemals kennengelernt. Nicht auszudenken! Dann wäre ich wahrscheinlich immer noch ein Fleisch essendes, Müll produzierendes Geschöpf, genau wie meine jüngeren Geschwister, und würde die Umwelt mit Füßen treten.

»Lexi?«

»Hm, was?«

»Ich hab gefragt, ob wir was essen wollen.« Malte grinste. »Du hast wohl gerade geträumt. Also, was ist, hast du auch Hunger?«

»Auf jeden Fall! Ich könnte ein Pferd verdrücken«, antwortete ich, und fügte sicherheitshalber hinzu: »Das war natürlich nur bildlich gemeint.«

Ich hatte nicht gefrühstückt, und mein Magen knurrte mächtig, aber deswegen würde ich natürlich nicht wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen und Fleisch essen. Das kam nicht in Frage!

»Ich hab Lust auf ein Wrap, komm, da vorn hab ich einen Stand gesehen.«

Er zog mich zu einer Bude, und wir bestellten zwei vegetarische »Italian Wraps« mit Mozzarella, Basilikum und Tomate. Das war etwas für den hohlen Zahn, richtig satt wurde man davon nicht, aber immerhin, mein Heißhunger war gestillt. Außerdem schmeckte mir Caprese in jeder Lebenslage. Ich bestellte noch einen Cappuccino. Es war erst mein dritter an diesem Vormittag, dennoch bekam ich Ärger.

»Du trinkst zu viel von dem Zeug«, befand mein Freund, der meinem Genussmittelkonsum kritisch gegenüberstand. »Irgendwann kriegst du noch einen Herzklabaster davon. Probier doch zur Abwechslung mal entkoffeinierten.«

»Und du machst dir zu viel Sorgen um mich«, gab ich zurück. »Ich bin jung und vertrage ein paar Tassen Kaffee am Tag.« Zum Beweis seiner These rutschte mir genau in diesem Moment der Kaffeelöffel durch die Finger und klirrte auf den Boden. Die waren aber auch verflixt klein, diese Cappuccinolöffelchen.

»Siehst du, du bist schon ganz hibbelig! Ich sag doch, das ist nicht gut für dich! Und dazu noch deine ewige Raucherei.«

Malte selbst trank ein stilles Mineralwasser. Er ernährte sich wirklich ziemlich gesund, und das fand ich auch beeindruckend. Immer wieder versuchte ich, seinem guten Beispiel zu folgen. In puncto Fleischverzicht gelang mir das ja auch einigermaßen. Aber ich brauchte Kaffee und Zigaretten, und auch Malte hatte mich davon noch nicht abbringen können.

Wir waren seit mittlerweile einem halben Jahr ein Paar. Ich war schon eine ganze Weile bei Studio Berlin, als wir uns zum ersten Mal über den Weg liefen. Ich kämpfte gerade mit dem Kopierer, während er vom gleichen Gerät ein Fax absenden wollte. Leider hatte ich beim Scannen eines handgeschriebenen Drehplans eine Tackernadel übersehen, die nun im Einzug klemmte und im Display des Geräts eine angsteinflößende Fehlermeldung aufblinken ließ. Ich war schon kurz vorm Verzweifeln, doch Malte brauchte nur ein paar Minuten, und meine Befürchtung, das zigtausend Euro teure Gerät von meinem Minigehalt ersetzen zu müssen, erwies sich als unbegründet. Ich war Malte zutiefst dankbar. Dies war der Tag, an dem ich meine erste eigene Haftpflichtversicherung abschloss – sicher war sicher. Und gleichzeitig war es mein Glückstag, denn nach Drehschluss lud Malte mich ein, mit ihm und ein paar Kollegen auf ein Glas Wein in eine Biobar zu gehen. Ich kannte das Lokal noch nicht und war überrascht, auf was man alles achten musste, wenn man Wein ökologisch korrekt produzieren und vertreiben wollte. Die Bar faszinierte mich. Sie war von diesem Tag an eines meiner Lieblingslokale, und da auch Maltes Sachkenntnis mich faszinierte – und ihn meine grünen Augen, wie er mir später gestand –, trafen wir uns dort immer öfter nach Feierabend, führten endlose Gespräche und verliebten uns schließlich. Malte hatte mein Leben von Grund auf verändert, kein Mann zuvor hatte so großen Einfluss auf mich ausgeübt. Das lag vermutlich daran, dass sie alle in meinem Alter gewesen waren. Aber mit Malte an meiner Seite hatte ich begonnen, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Er war acht Jahre älter als ich und arbeitete schon eine ganze Weile im Medienbereich. Bei Studio Berlin war er seit drei Jahren Redakteur, bisher jedoch nur bei kleineren Produktionen.

Vor allem war Malte ein sehr bewusst lebender Mensch, der sein Handeln genau reflektierte und den Nutzen oder Schaden für die Umwelt dabei bewertete. Er ernährte sich vegetarisch, sparte Energie, wo es nur ging, und trennte natürlich seinen Müll. Ich hatte mehrfach versucht, auch meine Eltern von den Vorteilen der Mülltrennung und -vermeidung zu überzeugen, mit dem Erfolg, dass Johanna nun das Altpapier aus den Papierkörben des Hauses heraussortieren und in den Pappcontainer beim Supermarkt werfen durfte. Immerhin wurde Glas in meinem Elternhaus sogar nach Farben sortiert, aber auf saisonale Produkte...