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Einladung ins Christentum - Was das Kirchenjahr über den Glauben verrät

Ulrich Lüke

 

Verlag Kösel, 2009

ISBN 9783641036300 , 224 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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18,99 EUR


 

Ist das Christentum einladend? Um das zu beantworten, müsste man wohl erst fragen, wer oder was das Christentum genau ist. Schließlich gibt es, Gott sei's geklagt, Hunderte von christlichen Glaubensgemeinschaften, Christentümern oder gar Christentümeleien.
Sind wenigstens wir Christen einladend? Um das zu beantworten, käme man um eine Einzelfallprüfung kaum herum. So gerne ich beide Fragen bejahen möchte, es beschleichen mich grundlegende Zweifel. Und die sollen in diesem Buch nicht klein- oder weggeredet werden.
Aber darin bin ich mir sicher: Christus ist einladend. Wie er sensibel auf Menschen zugeht, auch auf die abgeschobenen und missachteten, wie er souverän mit Menschen umgeht, auch mit den reichen und einflussreichen, wie er Gott den Menschen menschlich nahebringt und als Gott den Menschen menschlich nahe ist, das ist einladend.
Wo sich ein Mensch auf das Lebenskonzept Jesu Christi einlässt, da wird er zum Christen. Wo sich viele Menschen auf das Lebenskonzept Jesu Christi einlassen, da entsteht Christentum als Einheit auch über Konfessionsgrenzen hinweg. Und beide, Christen wie Christentum, sind dann und in dem Maße einladend, wie in ihnen der Geist Jesu Christi wirklich und wirksam wird. Am besten laden wir daher wohl ins Christsein und zum Christsein ein. Jesus selbst hat seine unschlüssigen, zweifelnden Jünger berufen mit den lapidaren Worten: »Kommt und seht!« (Joh 1,39). Damit begann für sie ein praxisorientierter Nachfolgeweg, ein Grundkurs des Glaubens im Mitgehen und Mitleben.
Christsein ist nicht erschütterungsresistent, garantiert nicht die stoische Gelassenheit und irritationsfreie Verblüffungsfestigkeit derer, die glauben, sie hätten die ganze Welt verstanden und im Griff, sondern es kommt von Herzen und geht zu Herzen.
Christsein ist ebenso wenig ein akademisch-intellektueller Grund- oder Leistungskurs, aber man kann den Verstand auch nicht beiseitelegen oder gleich unbenutzt links liegen lassen, man muss ihm schon etwas abverlangen, das Hirn ganz in Dienst nehmen.
Christsein ist auch nicht weltanschauungsneutrales, beanstandungsfreies Gutmenschentum in stromlinienförmiger Unanstößigkeit, sondern hat ein gelegentlich scharfkantiges Profil, hat praktische Konsequenzen und verlangt christliche Wert- und Handarbeit von dem, der es zu leben versucht. Kurzum, die Einladung zum Christsein betrifft Herz, Hirn und Hand.
Die meisten ins Christentum oder Christsein einführenden Bücher orientieren sich am Glaubensbekenntnis, um das Ganze zum Ausdruck zu bringen. Dieses Buch orientiert sich am Kirchenjahr, das im Jahreslauf die ganze Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk zu vergegenwärtigen versucht. Insofern enthält diese Einladung zum Christsein den Vorschlag, sich auf einen Glaubenslehrpfad zu begeben, einen praxisorientierten Grundkurs des Glaubens zu starten.
Die Feste des Kirchenjahres bringen das Wesentliche des Glaubens zu Bewusstsein, und sie tun es nicht nur intellektuell im Wort, sondern auch durch den Reichtum ihrer Symbole und Ausdruckshandlungen, durch die heilsame und einprägsame Wiederholung der Identität und Kontinuität stiftenden Erzählungen, durch ihre Trost- und Segensworte.
Man kann bei der Lektüre also dort einsteigen, wo das Kirchenjahr gerade angekommen ist, und das Buch zur Begleitlektüre durch die Zeit machen. Man kann sich vorbereitend in die bevorstehende Zeit des Kirchenjahres hineinlesen und hineinleben. Man kann die verflossene Zeit des Kirchenjahres nachbereitend verinnerlichen und vertiefen. Nicht nur in theologischer, sondern auch in spiritueller Absicht werden die drei großen Zeiten des Kirchenjahres wie in einem Grundkurs des Glaubens durchlaufen: die Advents- und Weihnachtszeit, die Fasten- und Osterzeit, die Zeit im Jahreskreis. Das Kapitel »Baustellen des Christlichen« greift abschließend unsere ethischen Halbheiten bzw. (Un-)Tugenden und unsere noch nicht bestandenen Kämpfe zwischen dem angeblich Nur-Natürlichen und dem Über-Natürlichen auf.
Vielleicht können viele der fragmentarischen Abschnitte wie die Teile eines Hologramms das Ganze des christlichen Glaubens aufscheinen lassen. Und hoffentlich sind, wenn schon nicht alle, so doch viele oder die meisten Beiträge ermutigende Einladungen zum Christsein.


VOR-WORT IN GOTTES NAMEN

Pi oder der Name Gottes

Es gibt kein Volk auf der ganzen Welt und in der ganzen Geschichte, das nicht eine Gottesvorstellung entwickelt hätte. Aber es hat in der Menschheitsgeschichte viele Namen für Gott gegeben. Jede Zeit und jede Kultur hat Gott einen Namen beigelegt: Manitu sagten einige der nordamerikanischen Indianer, Thor oder Wotan nannten ihn die Germanen, von Allah sprechen die Muslime, Zeus sagten die Griechen.
Einen sehr merkwürdigen, vielleicht den merkwürdigsten Namen für Gott bringt die Bibel im alttestamentlichen Buch Exodus 3,14: »Jahwe«. Dieser Name erinnert an eine der Sternstunden menschlicher Gotteserfahrung. Mose fragt den Gott, der ihm im brennenden Dornbusch begegnet, wie er heiße. Und Gott nennt sich Jahwe, das heißt übersetzt: Ich bin der »Ich-bin-da«. Wann immer nun Menschen ihren Gott mit diesem Namen Jahwe anrufen, hören sie schon zugleich seine Antwort mit: »Ich-bin-da«. Gott ist gegenwärtig; die Gegenwart ist von Gott erfüllt.
Wo ist das »da«? Wann ist das »da«? Der Gottesname »Ich-bin-da« gilt nicht nur räumlich. Es gibt keinen wirklich gottverlassenen Ort auf dieser Welt. Überall ist der »Ich-bin-da« gegenwärtig. Der Gottesname »Ich-bin-da« gilt auch zeitlich. Es gibt keine wirklich gottlose Zeit. Jederzeit ist er, der »Ich-bin-da«, nahe. Der von den Nationalsozialisten ermordete Jesuitenpater Alfred Delp (1907-1945) hat einmal so formuliert: »Man kann wohl gottlos werden, aber man kann nicht Gott loswerden.«
Nomen est omen, sagen wir, im Namen liegt eine Vorbedeutung. Und diese Vorbedeutung lässt sich in folgende Worte fassen: Ich, dein Gott, bin da, wo immer du bist, wo immer du mich brauchst. Wenn ich weit weg zu sein scheine, ich bin da. Wenn du dich einsam und von allen verlassen fühlst, ich bin da. Wenn du Gipfel deines Erfolgs und die Freude deines Lebens erfährst, ich bin da. Wenn du bei allen unten durch und am Ende bist, ich bin da. Wo und wann auch immer wir sind, er ist da. Wer oder was auch immer wir sind, er ist da. Zeit und Raum übergreifend ist er ohne Ansehen der Person für uns Menschen da, uns Menschen nah. Ob wir meditierend in uns hineinlauschen oder ob wir forschend die Welt durchspähen, er ist da, verborgen zwar, aber unendlich nah. Er ist das Sein schlechthin.
Manche Menschen stellen die etwas eindimensional geratene Frage: Was habe ich davon, dass Gott da ist, dass er mir nah ist? Bringt mich das der Erfüllung meiner Wünsche näher? Oder ist Gottes Dasein und Nahsein existenziell belanglos?