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Ultramarathon Man

Dean Karnazes

 

Verlag riva Verlag, 2007

ISBN 9783864132575 , 278 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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15,99 EUR

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Teil 2


Kapitel 11

Badwater – im Tal des Todes


Running with the devil ...

– Van Halen

Death Valley

26. Juli, 1995

Bei einer bestimmten Temperatur beginnt Brot zu rösten. Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, bei wie viel Grad diese Temperatur liegt – aber ich weiß aus Erfahrung, dass es nicht empfehlenswert ist, bei solch einer Temperatur zu laufen.

Nachdem ich den 100-Meilen-Langstreckenlauf mit Erfolg beendet hatte, wurde das Leben etwas spannender. Es war ein gewisser Schwung in meinem Gang, eine neuentdeckte Zuversicht in meiner Einstellung. Auch wenn die meisten Leute, mit denen ich verkehrte, keine Vorstellung davon hatten, was ich geleistet hatte – ich selbst wusste es. Und nichts anderes zählte. Die größten Preise für große Leistungen, das hatte ich erkannt, waren innere Werte.

Ich wusste von keiner körperlichen Herausforderung, die das Western States übersteigen konnte. Bis ich in der Los Angeles Times einen kleinen Artikel über ein rätselhaftes Laufrennen durch das Death Valley las, das im Hochsommer abgehalten wurde.

Badwater ist der niedrigste Punkt in der westlichen Hemisphäre, mitten im Death Valley, dem Tal des Todes, am südöstlichen Ende von Kalifornien, 282 Fuß (86 m) unter dem Meeresspiegel. Im Sommer können die Temperaturen 130° Fahrenheit (54°C) übersteigen – und der Asphalt kann über 200° Fahrenheit (93°C) heiß werden. Nicht gerade der ideale Ort für einen Lauf.

Aber nachdem ich das Western States gelaufen war, stand ich im folgenden Sommer an der Startlinie des Badwater Ultramarathon. Schweißgebadet – und zitternd vor Erwartung – wartete ich auf das Startsignal.

Wir waren eine Gruppe von vierundzwanzig Leuten – drauf und dran, zu einem Rennen zu starten, das man den härtesten Wettlauf der Welt nannte: ein Lauf von 135 Meilen durch das Death Valley zum Mount Whitney, dem höchsten Gipfel in diesem Teil der USA. Der Western States 100 Mile Endurance Run war bereits mörderisch gewesen; Badwater aber gilt weithin als der ultimative Test für Ausdauer und Entschlossenheit schlechthin. Oder auch als blanker Wahnsinn: Man kann es von beiden Seiten her betrachten.

Aus aller Herren Länder reisen die Athleten an, um sich in Badwater zu messen. Die zähesten Läufer der Welt trotzen ihren Körpern unvorstellbare Leistungen ab – in der Hoffnung, innerhalb der offiziell geforderten Zeit von sechzig Stunden das Ziel zu erreichen. Im Unterschied zum Western States wird Badwater vollständig auf geteerten Straßen gelaufen. Aber es gibt trotzdem noch jede Menge Berge, die man auf dem Weg bewältigen muss – noch bevor die Straße ihren gewundenen Aufstieg zum Gipfel des Mount Whitney beginnt.

Ich musterte die Startlinie. An dieser Linie hatte sich die absolute Elite der Extrem-Langstrecken-Athleten der ganzen Welt versammelt. Sie waren in weiße Wüstenanzüge gekleidet, die Muskeln darunter angespannt, und bereiteten sich darauf vor, es mit der ultimativen körperlichen Herausforderung aufzunehmen. Und hier stand ich, mitten unter ihnen; mein Herz pochte in der flirrenden Hitze – ich war bereit zur Schlacht.

Ich hatte das ganze Jahr über für Badwater trainiert. Zur Vorbereitung auf die harten Bedingungen hatte ich regelmäßig in Wollpulli und Skijacke trainiert, um die Hitze der Wüste zu simulieren. Als ich mich mit einigen meiner Wettbewerber an der Startlinie unterhielt, hörte es sich an, als sei mein Training zu leicht gewesen: Viele von ihnen trainierten in einer Sauna.

Unter den Schlachtrufen und Urschreien der Läufer und ihrer Versorgungs-Crews (ich konnte keinen einzigen Zuschauer in der Menge entdecken) begann das Rennen. Die Hitze war mit nichts zu vergleichen, was ich bis dahin erlebt hatte; es war wie in einer anderen Welt. Die Hitzestrahlung stieg in wogenden Wellen vom Straßenbelag auf und bildete dicke Schichten, als wir unseren Weg nahmen – immer entlang des langen, geraden, leeren Highway. Ein Läufer in der Ferne wurde bald völlig umfangen von der Luftspiegelung, die alles zerfließen ließ, was am Horizont zu sehen war.

Da die Route, die wir liefen, vollständig der Straße folgte, hatte ich mich entschieden, ein Wohnmobil als Crew-Fahrzeug zu mieten. Eine schlechte Wahl: Als wir darin auf dem Weg zur Startlinie durch die Wüste fuhren, brannte die Lichtmaschine durch – und so war meine Familie einschließlich meiner kürzlich geborenen Tochter Alexandria in einem 125° Fahrenheit (50°C) heißen Wohnmobil gestrandet. Es war eine heikle Entscheidung gewesen, Alexandria, die erst sechs Monate alt war, zu diesem Ereignis mitzunehmen. Die meisten Reiseführer empfahlen, in den Sommermonaten keine Kinder ins Death Valley mitzubringen, aber ich hatte sie nicht zurücklassen wollen. Zum Glück hatte ich Julie, meine Eltern und meinen Onkel George zur Unterstützung dabei.

Aus Sorge um Alexandrias Sicherheit (und um unsere eigene ebenfalls) ließen wir hastig das liegengebliebene Wohnmobil zurück und suchten Schutz, wobei wir den größten Teil der Laufausrüstung, der Nahrungsmittel und der übrigen Ausrüstung drinnen ließen.

Gott sei Dank fand uns ein Park-Ranger kurz nachdem wir das Fahrzeug am Straßenrand verlassen hatten und fuhr uns zu einer Unterkunft. Da das Wohnmobil in der Hitze liegengeblieben war, brachte der Ranger Julie, meine Mutter und Alexandria zurück zu einem Hotel, das in der Nähe des Zielbereiches, in einer kleinen Stadt namens Lone Pine, lag. Onkel George fuhr ebenfalls mit und holte seine Mazda-Limousine, die er bei unserem Treffen in der Stadt zurückgelassen hatte. Nun würde ich beim Rennen nicht durch meine gesamte Familie in einem Wohnmobil betreut werden, sondern nur durch eine abgespeckte Crew, die aus meinem Vater und meinem Onkel in einem Pkw bestand. Wir hatten lediglich eine kleine Kühlbox aus dem Wohnmobil geborgen – und wir nur sehr wenig Eis. Das war bei weitem nicht ideal, aber im Death Valley muss man sich mit dem begnügen, was man eben kriegen kann.

Die Nervenprobe auf der Fahrt zum Start war beunruhigend gewesen, aber ich versuchte, mich nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Jeder Zentimeter meines Körpers war – wie eine laufende Mumie – von einem weißen UV-Schutzanzug bedeckt, um zu verhindern, dass die Sonne meine Haut versengte. Ich musste mich darauf konzentrieren, mich kühl zu halten und in dem Anzug nicht zu überhitzen. Es war kein einziger Baum in Sicht, nicht einmal ein Fels, unter dem man Schutz vor der Sonne suchen konnte.

Auf dem »Highway to Hell« kann man – der starken Hitze wegen – nur auf der weißen Linie laufen.

Der Asphalt wurde schnell so heiß, dass die Sohlen meines ersten Paars Laufschuhe innerhalb einer Stunde buchstäblich schmolzen. Ich hatte es nicht kommen sehen; die Sohlen lösten sich einfach auf. Ich tauschte sie gegen ein zweites Paar aus. Ich beobachtete einige meiner Wettbewerber, die konsequent auf der weißen Linie liefen, die den Fahrbahnrand begrenzte: Sie reflektierte genügend Hitze, um zu verhindern, dass dieses neue Paar schmolz, wenigstens vorläufig.

Auch wenn man die weiße Linie entlang lief, war die Luft, die von der Straßenoberfläche abgestrahlt wurde, heiß wie ein Hochofen. Innerhalb von 12 Meilen bildeten sich Blasen an meinen Füßen. Nach 15 Meilen bildeten sich Blasen auf den Blasen. Wir stoppten und schnitten große Fetzen aus meinen Schuhen: So reduzierten wir sie zu selbstgemachten Sandalen. Es half ein wenig.

Man hatte uns empfohlen, einen Wasserzerstäuber mitzuführen, zur Kühlung – und so hatten wir es gemacht. Aber ohne Eis war der Zerstäuber nutzlos. Ich konnte so heftig sprühen, wie ich wollte – der größte Teil der Feuchtigkeit verdunstete, sobald er aus der Mündung sprühte, und erreichte niemals meinen Körper.

Früher in demselben Jahr war ein Tourist aus Europa in den Schlammpfützen neben der Straße zu Tode geröstet worden. Anscheinend war er in die Wüste hineingelaufen, um ein paar Fotos zu schießen. Der Bericht des Leichenbeschauers stellte fest, dass die Füße der Leiche schwer deformiert gewesen waren. Der arme Kerl war durch die schmale Oberflächenkruste in eine Lage brühend heißen Schlamms getreten. Er war bis zu den Knöcheln eingesunken und stecken geblieben – und buchstäblich zu Tode gebacken worden. Auch er hatte einen Wasserzerstäuber mitgeführt, aber der hatte ihm nicht viel genützt ...

Furnace Creek ist der erste entlegene Außenposten an der Strecke; er liegt 17 Meilen hinter dem Start. Es gibt dort eine kleine Tankstelle – die aber geschlossen war – und ein Hotel; und jede Menge sengend heißen roten Sand, der über die Straße weht. Um unseren begrenzten Vorrat zu schonen, trank ich aus dem Wasserschlauch der Tankstelle – bevor ich ein Schild bemerkte: KEIN TRINKWASSER.

Badwater.

Das Erbrechen begann bei Meile 30. Es folgten extremer Flüssigkeitsmangel und Krämpfe. Ich war weniger als ein Viertel des Weges gelaufen – und schon ging alles Mögliche schief.

Badwater: Mein Freund Tom Servais duscht mich...