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Department 19 - Die Mission - Thriller

Will Hill

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2012

ISBN 9783838719887 , 544 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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1

Teenager-Ödnis

Jamie Carpenter schmeckte Blut und Dreck und fluchte in den feuchten Matsch des Spielfelds.

»Geh runter von mir!«, gurgelte er.

Ein schrilles Lachen ertönte hinter seinem Kopf, und sein linker Arm wurde auf seinem Rücken weiter nach oben verdreht, was eine erneute Woge von Schmerz durch seine Schulter jagte.

»Brich ihm den Arm, Danny«, rief jemand. »Reiß ihn aus!«

»Lust dazu hätte ich«, antwortete Danny Mitchell zwischen Runden wilden Gelächters. Dann wurde seine Stimme leise, und er flüsterte Jamie ins Ohr: »Ich könnte es, weißt du? Ganz leicht.«

»Geh runter von mir, du fettes …«

Eine riesige Hand mit Fingern wie Würste packte ihn an den Haaren und drückte sein Gesicht wieder in den Matsch. Jamie kniff die Augen zu und ruderte mit der rechten Hand blindlings umher in dem Versuch, sich aus dem nassen Dreck zu befreien.

»Haltet seinen Arm fest!«, rief Danny. »Haltet ihn fest!« Eine Sekunde später wurde Jamies rechtes Handgelenk gepackt und ebenfalls auf den Boden gedrückt.

Sein Kopf begann zu schmerzen, als sein Körper um Sauerstoff bettelte. Er konnte nicht atmen. Seine Nasenlöcher waren voll mit klebrigem, faulig stinkendem Matsch. Außerdem konnte er sich nicht bewegen mit dem fünfundneunzig Kilo schweren Danny Mitchell, der rittlings auf ihm hockte.

»Das reicht jetzt!«

Jamie erkannte die Stimme von Mr. Jacobs, dem Englischlehrer.

Mein Held und Befreier. Ein fünfzig Jahre alter Pauker mit Mundgeruch und Schweißflecken unter den Armen. Großartig.

»Mitchell! Runter von ihm! Ich will das nicht zweimal sagen!«, rief der Lehrer, und plötzlich waren der Druck auf Jamies Arm und das Gewicht auf seinem Rücken verschwunden. Er hob den Kopf aus dem Matsch und atmete tief durch. Seine Brust bebte.

»Das war nur ein Spiel, Sir«, hörte er Danny Mitchell sagen.

Tolles Spiel. Echt lustig.

Jamie rollte sich auf den Rücken und sah in die Gesichter der Menge, die sich eingefunden hatte, um seine Demütigung zu beobachten. Sie starrten in einer Mischung aus Abscheu und Erregung auf ihn herab.

Dabei mögen sie Danny Mitchell nicht mal. Aber mich hassen sie eben noch mehr als ihn.

Mr. Jacobs ging neben ihm in die Hocke.

»Alles in Ordnung, Carpenter?«

»Alles bestens, Sir.«

»Mitchell sagt, es wär nur ein Spiel gewesen. Stimmt das?«

Über Jacobs’ Schulter hinweg sah Jamie Dannys warnenden Blick.

»Das ist richtig, Sir«, sagte er. »Schätze, ich hab verloren.«

Mr. Jacobs musterte Jamies schlammbesudelte Kleidung. »Sieht ganz danach aus.« Der Lehrer hielt ihm die Hand hin, und Jamie ergriff sie und zog sich daran aus dem Matsch. Es gab ein lautes schmatzendes Geräusch. Ein paar Schüler in der Menge kicherten, und Mr. Jacobs wirbelte mit vor Zorn hochrotem Gesicht herum.

»Geht mir aus den Augen, ihr Geier!«, rief er. »Macht, dass ihr in euren Unterricht kommt, oder wir sehen uns alle beim Nachsitzen wieder!«

Die Menge zerstreute sich, und Jamie stand mit Mr. Jacobs allein auf dem Feld.

»Jamie«, begann der Lehrer. »Wenn du über irgendetwas reden möchtest, dann weißt du, wo mein Büro ist.«

»Worüber reden, Sir?«, fragte Jamie.

»Nun ja, du weißt schon … deinen Vater und … und das, was passiert ist.«

»Was ist denn passiert, Sir?«

Mr. Jacobs sah ihn lange schweigend an, dann senkte er den Blick. »Gehen wir«, sagte er. »So kannst du nicht zur nächsten Stunde gehen. Du kannst die Lehrertoilette benutzen, um dich zu waschen.«

Als die Glocke das Ende des Unterrichts verkündete, schlenderte Jamie langsam über den Hof in Richtung Tor. Seine Instinkte waren normalerweise scharf, insbesondere, wenn Gefahr im Verzug war, doch irgendwie war es Danny Mitchell gelungen, sich in der Pause unbemerkt von hinten an ihn heranzuschleichen. Das würde ihm nicht noch einmal passieren.

Er verlangsamte sein Tempo und mischte sich unter die anderen Schüler, die zu den Bussen und wartenden Autos gingen. Dabei schweiften seine Blicke unablässig hin und her auf der Suche nach einem möglichen Hinterhalt.

Dann entdeckte er Danny Mitchell ein Stück weit links von sich, und seine Brust zog sich zusammen. Mitchell lachte sein albernes Lachen, wedelte wild mit den Armen und ließ vor seiner bewundernden Schar von Speichelleckern die üblichen Prahlereien vom Stapel.

Jamie schlüpfte zwischen zwei Bussen hindurch und überquerte die Straße, während er auf die Rufe und das Geräusch rennender Füße wartete, die anzeigten, dass man ihn gesehen hatte. Doch sie kamen nicht. Dann war er außer Sicht und verschwand zwischen den hübschen Reihen identischer Häuser des Wohnviertels, in dem er mit seiner Mum lebte.

In den zwei Jahren seit dem Tod von Jamies Dad waren die Carpenters dreimal umgezogen. Unmittelbar nach jenem Abend waren Polizeibeamte zu ihnen gekommen und hatten ihnen erklärt, Jamies Vater wäre in eine Verschwörung verwickelt gewesen und hätte geheime Informationen von seiner Arbeit beim Verteidigungsministerium an eine britische Terrorzelle verkaufen wollen. Die Polizisten waren freundlich und mitfühlend gewesen und hatten ihnen versichert, dass es keinerlei Beweise für eine Verwicklung Jamies oder seiner Mutter in diese Angelegenheit gäbe, doch das spielte keine Rolle. Die Briefe hatten fast zur gleichen Zeit angefangen. Briefe von patriotischen Nachbarn, die nicht wollten, dass in ihrer ruhigen, respektablen Gegend die Familie eines Verräters wohnte.

Wenige Monate später hatte Marie Carpenter das Haus in Kent verkauft. Jamie war es egal gewesen. Seine Erinnerungen an jene grauenvolle Nacht waren verschwommen, doch der Baum im Garten machte ihm Angst, und er konnte nicht über den Kiesweg laufen, auf dem sein Vater gestorben war. Stattdessen ging er jedes Mal über den Rasen und hielt dabei so viel Abstand zu der Eiche wie nur irgend möglich. Vor dem Haus angekommen, sprang er jedes Mal mit einem großen Satz über den Kies auf die Türschwelle.

An das Gesicht vor dem Fenster und das hohe, furchterregende Lachen, das durch die eingeschlagene Fensterscheibe ins Wohnzimmer gedrungen war, erinnerte er sich überhaupt nicht mehr.

Kurze Zeit später war er mit seiner Mum bei seiner Tante und seinem Onkel eingezogen, die in einem Dorf in der Nähe von Coventry lebten. Eine neue Schule für Jamie, eine Anstellung als Sprechstundenhilfe bei einem Hausarzt für Jamies Mutter. Doch die Gerüchte und wilden Geschichten verfolgten sie, und nachdem Jamie einem Klassenkameraden, der über seinen Vater herzog, die Nase gebrochen hatte, war ein Ziegelstein durch das Küchenfenster des Reihenhauses seiner Tante geflogen.

Am nächsten Morgen waren sie erneut umgezogen.

Sie hatten ein Haus in einem Vorort von Leeds gefunden, das aussah, als hätte man es aus Legosteinen erbaut. Als Jamie zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten wegen wiederholten Schwänzens von der Schule flog, schimpfte seine Mutter nicht einmal mehr. Sie schrieb die Kündigung an den Vermieter und begann ihre Sachen zu packen.

So waren sie in dieser ruhigen Wohngegend am Stadtrand von Nottingham gelandet. Hier war es grau, kalt und trostlos. Jamie, der auf dem Land aufgewachsen war, ein Naturkind aus tiefster Seele, war plötzlich dazu gezwungen, über Supermarktparkplätze und durch Unterführungen zu streifen. Mit hochgeschlagener, tief ins Gesicht gezogener Kapuze und den Kopfhörern seines iPods in den Ohren, aus denen hämmernde Musik dröhnte, blieb er für sich und vermied die Gangs, die sich in den Schatten der Ecken dieser vorstädtischen Ödnis sammelten. Jamie wich Schatten aus, wo immer er konnte. Er wusste nicht, warum.

Jetzt lief er eilig durch das Viertel, durch stille Straßen voll nichtssagender Häuser und Gebrauchtwagen. Er passierte eine kleine Gruppe von Mädchen, die ihn mit unverhohlener Feindseligkeit musterten. Eine von ihnen sagte etwas, das er nicht genau verstand, und ihre Freundinnen lachten. Er ging weiter.

Er war sechzehn Jahre alt und fühlte sich hundeelend und schrecklich einsam.

Jamie schloss die Eingangstür der kleinen Doppelhaushälfte auf, in der er zusammen mit seiner Mutter ein so ruhiges und unauffälliges Leben führte, wie es ihnen nur möglich war. Er wollte direkt in sein Zimmer gehen und seine schmutzigen Sachen ausziehen, kam aber nur bis zur Hälfte der Treppe, als seine Mutter nach ihm rief.

»Was denn, Mum?«, rief er zurück.

»Kannst du bitte mal herkommen, Jamie?«

Jamie stieß einen unterdrückten Fluch aus und stapfte die Treppe wieder hinunter, durch den Flur und ins Wohnzimmer. Seine Mutter saß im Sessel vor dem Fenster und sah ihn mit einem Blick an, der so traurig war, dass sich sein Herz verkrampfte.

»Was ist denn, Mum?«, fragte er.

»Einer deiner Lehrer hat mich heute angerufen«, antwortete sie. »Mr. Jacobs.«

Herrgott noch mal, warum kümmert er sich nicht um seinen eigenen Kram? »Tatsächlich? Was wollte er?«

»Er hat gesagt, du wärst heute Nachmittag in eine Prügelei verwickelt gewesen.«

»Er irrt sich.«

Seine Mutter seufzte. »Ich mache mir Sorgen um dich, Jamie.«

»Das musst du nicht. Ich kann selbst auf mich aufpassen.«

»Das sagst du immer.«

»Dann solltest du vielleicht anfangen, auf mich zu hören.«

Ihre Augen verengten sich.

Das hat weh getan, nicht wahr? Gut. Jetzt kannst du mich anbrüllen, und ich kann nach oben gehen, und wir müssen heute Abend nicht mehr miteinander reden.

»Ich vermisse ihn auch, Jamie«, sagte seine Mutter leise, und er...