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Den großen Boss betrügt man nicht - Kriminalroman

Jerry Cotton

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2009

ISBN 9783838700465 , 223 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Kapitel 1


Angie Turner hatte Angst. Todesangst. Und das aus gutem Grund. Denn sie war einem Irren in die Hände gefallen. Der Kerl war total durchgeknallt.

Er tanzte fortwährend vor ihr herum, als müsse er ganz dringend aufs Klo, führte Selbstgespräche, richtete das Wort zwischendurch aber auch mal an sie und stellte Fragen, obwohl er wusste, dass sie nicht antworten konnte, weil er nämlich selbst dafür gesorgt hatte.

Das scharfe Metzgermesser in seiner Hand sei fürs Häuten von Tieren gedacht, hatte er ihr erklärt. Man könne es aber auch bei Menschen verwenden.

Und dabei hatte alles so harmlos begonnen.

Susan, Angies beste Freundin, hatte sie am Morgen angerufen und gesagt: »Hach, was würde ich mich gern mal wieder ein bisschen auf dem Rummelplatz von Long Island herumtreiben.«

»Was hält dich zurück?«, hatte Angie gefragt.

»Ich mag nicht allein so weit fahren.«

»Meine Güte, was bist du umständlich. Warum sagst du nicht gleich, ich soll mitkommen?«

»Würdest du?«

»Ich hätte nichts dagegen.«

Sie hatten Hoboken um neun Uhr verlassen und sich den ganzen Tag auf dem Rummelplatz vergnügt. Irgendwann war ihnen ein toller Typ über den Weg gelaufen, dessen Hintern Susan so süß gefunden hatte, dass sie ihm einfach nicht widerstehen konnte.

»Es macht dir doch hoffentlich nichts aus, wenn ich mich mit ihm verziehe, hm?«, hatte sie im Waschraum eines Strandcafés – um Zustimmung bettelnd – gefragt. »Hm? Du bist mir doch nicht böse, nein? – wenn ich mit ihm … Nicht wahr, Angie, du verstehst das? Eine so einmalige Gelegenheit darf ich mir nicht entgehen lassen. Der Junge sieht zum Niederknien aus. Und er hat ordentlich was in der Hose. Ist dir das aufgefallen?«

Sie hatte kichernd vor dem großen Spiegel gestanden und kokett an ihren blonden Löckchen herumgezupft. Ihre grünen Augen hatten vor Lebenslust gesprüht und gefunkelt, und sie hatte sich geschüttelt, als würde sie frösteln.

»Ich bin schon ganz kribbelig. Verrückt, dass ich auf bestimmte Kerle immer gleich so heftig reagiere, was? Aber so bin ich nun mal. Ich kann es nicht ändern.«

So war Angie, die verständnisvolle Freundin, dann noch eine Stunde allein umhergebummelt, hatte sich am Strand auf eine Bank gesetzt und auf den Sonnenuntergang gewartet – und dann hatte er sich zu ihr gesellt.

Er hatte auf die Bank gezeigt und höflich gefragt: »Ist hier frei?«

Sie hatte genickt, und er hatte neben ihr Platz genommen. Sein edles Profil hatte ihr gefallen. Er hatte ein weißes Poloshirt und marineblaue Hosen getragen. Und schwarze Gucci-Schuhe.

Pechschwarzes, nicht zu langes Haar – sehr dicht und korrekt gescheitelt. Glatt rasierte Wangen. Markante Gesichtszüge. Eine elegante Erscheinung.

Der Wind hatte sanft mit ihren roten Haaren gespielt, und sie hatte sie immer wieder mit einer anmutigen Bewegung aus ihrem aparten Gesicht gestrichen.

Es hatte sich eine nette, unverfängliche Unterhaltung ergeben. Angenehmer Smalltalk. Leicht dahinplätschernd, aber dennoch nicht uninteressant.

Angie wäre nie auf die Idee gekommen, es mit einem gefährlichen Psychopathen zu tun zu haben, sonst hätte sie sich niemals von ihm zum Essen einladen lassen.

Nach dem Essen, beim Verlassen des Restaurants, waren ihr plötzlich die Knie eingeknickt. Der junge Mann, der sich Peter genannt hatte, hatte sofort nach ihrem Arm gegriffen und sie gestützt.

»Ist dir nicht gut?«, hatte er besorgt gefragt.

»Ich – weiß – nicht …« Sie hatte sich verwirrt und verlegen an die Stirn gegriffen. Der Schwächeanfall war ihr peinlich gewesen. »Mir ist auf einmal so – komisch …«

»Mein Wagen steht zum Glück gleich um die Ecke. Ich fahre dich nach Hause.«

»Das ist weit.«

»Wo wohnst du denn?«

»In Hoboken.«

»Das ist doch nicht weit. Los Angeles ist weit. San Franzisko ist weit. Aber doch nicht Hoboken.«

Sie hatte es mit seiner Hilfe gerade noch bis zu seinem Wagen geschafft. Wie er sie auf den Beifahrersitz verfrachtet hatte, hatte sie schon fast nicht mehr mitbekommen.

Als er die Tür zugeklappt hatte, waren bei ihr sämtliche Lichter ausgegangen, und als sie irgendwann wieder zu sich gekommen war, hatte sie hier, in diesem aufgelassenen U-Bahn-Tunnel, gefesselt und geknebelt mit hochgestreckten Armen an einem Eisenrohr gehangen, und Peter hatte ihr sein wahres Gesicht gezeigt.

»Baby, du hast ein Problem«, sagte er soeben, als wäre er in großer Sorge.

Sie machte verzweifelt »Mpf! Mpf!«. Ihre grauen Augen schwammen in Tränen. Er hatte ihr inzwischen gestanden, dass er ihr K.-o.-Tropfen in den Drink getan hatte. Und er war mächtig stolz darauf, dass sie es überhaupt nicht mitbekommen hatte.

»Wie war das?«, fragte er zynisch und legte die Hand hinter sein Ohr. »Was hast du gesagt? Was heißt ›Mpf! Mpf!‹? Scheiße, du blödes Stück! Das ist doch nicht zu verstehen. ›Mpf! Mpf!‹ Ist das Chinesisch? Japanisch? Kisuaheli?« Er kniff die Augen zusammen. »Ich glaube, du machst dich über mich lustig.« Er schüttelte grimmig den Kopf. »Das solltest du nicht tun. Nein, Honey, das solltest du wirklich nicht tun. Ich vertrage es nämlich nicht, wenn sich jemand über mich lustig macht. Ich will ernst genommen werden …«

Die Situation wurde immer verrückter. Peter antwortete sich selbst plötzlich mit der Stimme einer Frau: »Will das nicht jeder?«

»Natürlich will das jeder«, sagte er wieder als Mann. »Aber die wenigsten scheren sich darum.«

Und als Frau: »Dann verschaff dir Respekt. Wozu hast du das Messer?«

»Das Messer. O ja. Damit werde ich ihr beibringen, dass man sich über den schönen Peter nicht lustig macht.«

»Aber sieh zu, dass sie dein weißes Poloshirt nicht mit ihrem Blut versaut.«

»Ich hätte was überziehen sollen. Einen Arbeitskittel. Oder einen Regenmantel. Ja, ein Regenmantel wäre ideal gewesen. Mit Kapuze. Ich muss mir so was zulegen. Dann kann es ruhig mal ein bisschen spritzen.«

»Mach sie fertig, die Schlampe!«

Peter nickte. »Keine Sorge, sie kommt von hier nicht lebend weg.«

»Sie lebt schon viel zu lange.«

Peter lachte meckernd. »Ist doch schön, zu sehen, wie sehr sie sich fürchtet.«

»Tu es endlich!«

»Ja doch«, stieß Peter mürrisch hervor. »Dräng mich nicht. Ich will es genießen.«

»Hüte dich vor den Gezeichneten. Sie ist eine Gezeichnete. Sind wir uns in dem Punkt einig?«

»Natürlich ist sie eine Gezeichnete«, bestätigte Peter. »Das sieht man doch. Sieht doch jeder, dass sie rote Haare hat.«

»Und was hat mit den Gezeichneten zu geschehen?«

Peter senkte den Kopf und schaute auf sein Messer. »Eliminieren … Man muss sie eliminieren. Ausrotten muss man sie. Alle. Ausnahmslos. Damit sie ihr dreckiges Erbgut nicht weitergeben können. Es sollte jedermanns vordringlichste Pflicht sein, zu verhindern, dass sie sich vermehren.«

»Dann drück dich nicht davor.«

»Tu ich doch gar nicht«, verteidigte sich Peter.

»Doch, das tust du.«

Er tippte sich mit der Messerklinge an die Stirn. »Blödsinn.«

»Bist du diesmal etwa zu feige?«

»Machst du Witze?«, schnarrte Peter. »Willst du mich zum Lachen bringen? Ich – feige. Der schöne Peter feige. Das war er noch nie und wird er nie sein.«

»Beweise es!«

Peter wandte sich an sein Opfer. »Hast du das gehört? Sag jetzt bloß nicht wieder ›Mpf! Mpf!‹, sonst …« Er fuchtelte mit dem Messer drohend vor Angies entsetzensstarren Augen herum.

Und dann stach er unvermittelt zu.

Ich stieg in meinen roten Jaguar, wartete, bis Phil Decker neben mir saß, und fuhr dann los. Mein Partner presste grimmig die Lippen zusammen.

»Ich wollte, wir brauchten da nicht hinzufahren«, sagte er dunkel.

Ich nickte. »Mir geht es genauso.«

Er runzelte die Stirn. »Wie kann man so pervers sein?«

Ich hob die Schultern. »Der Mann ist krank.«

»O ja, das ist er«, pflichtete mein Kollege mir bei. »Und wie. Ich wüsste zu gern, was in seinem Kopf vorgeht.«

»Vielleicht weiß er das selbst nicht.«

»Und so jemanden soll man aus dem Verkehr ziehen, damit er nicht noch mehr rothaarige Frauen bestialisch ermordet.«

Ich fuhr über die Brooklyn Bridge. Der Verkehr war dicht. Unser Ziel war die Flushing Avenue. Dort, wo sie auf den Auburn Place stieß, gab es – zwischen Büschen und Bäumen versteckt – die Möglichkeit, zu einem aufgelassenen U-Bahn-Tunnel hinunterzusteigen. Und dort wurden wir erwartet.

Weil jemand das dritte Opfer des Serienkillers, hinter dem wir seit geraumer Zeit her waren, entdeckt und anonym die Polizei angerufen hatte.

Sein erstes Opfer war eine Austauschstudentin aus Idaho gewesen. Sein zweites eine Sekretärin aus Suffolk. Das dritte Opfer war noch nicht identifiziert.

Alle drei jungen Frauen waren rothaarig gewesen, und wir gingen davon aus, dass sie deshalb hatten sterben müssen. Unser Mann, der nicht richtig tickte, hatte offensichtlich etwas gegen rothaarige Frauen.

Der Grund hierfür war in seinem kranken Kopf...