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Der Herrscher des Himmels - Historischer Roman

Barbara Goldstein

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2009

ISBN 9783838700717 , 695 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR

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Kapitel 1


Der letzte Feind


Du entkommst mir nicht!«, rief ich ihr nach. Übermütig lachend galoppierte Kokatschin vor mir den Hügel hinab. Immer wieder sah sie sich um, ob ich ihr noch folgte.

Schwer atmend trieb ich mein Pferd an und stürmte hinter ihr her, hinunter zum Bach. Mein Hengst war schneller als ihrer, und so hatte ich sie bald eingeholt. Wir galoppierten nebeneinander her, so nah, dass unsere Stiefel aneinander rieben und die Steigbügel sich immer wieder verhakten. Ich beugte mich aus dem Sattel und griff nach den Zügeln ihres Hengstes, als sie das Pferd plötzlich in einem Wirbel aus Gras und Erde herumriss und in einer anderen Richtung davonstob. Ich wendete und folgte ihr.

Meine Gedanken rasten meinem galoppierenden Pferd voraus: die Vorfreude auf das, was wir tun würden, wenn …

Erneut änderte sie die Richtung, galoppierte über die blühende Steppe, setzte mit einem Sprung über den Bach, in dem sich der rotgoldene Abendhimmel spiegelte, und stürmte auf der anderen Seite einen Hügel hinauf. Mein Hengst war kräftiger als ihrer, und so hatte ich sie bald eingeholt. Ich drängte mein Pferd gegen sie, bis wir uns berührten, beugte mich vor, um ihr die Zügel zu entwinden, aber sie schlug nach mir.

Lachend wich ich ihren Schlägen aus, neigte mich zu ihr hinüber und legte meinen Arm um ihre Hüfte, um sie im Galopp auf mein Pferd zu reißen. Mit einem Ruck saß sie vor mir im Sattel. Ihr Hengst, nun ohne Reiterin, blieb hinter uns zurück.

Kokatschin hielt sich an mir fest, damit sie nicht abrutschte. Keuchend zügelte ich das Pferd.

Sie wandte mir ihr Gesicht zu, legte einen Arm um meine Schulter, als ob sie sich an mir festhalten wollte, schenkte mir ein verführerisches Lächeln und hauchte einen Kuss auf meine Lippen. Bevor ich sie festhalten konnte, glitt sie aus dem Sattel und floh erneut. Ich sprang ab und rannte ihr hinterher.

Von hinten warf ich mich auf sie, und sie fiel ins weiche Steppengras. Lachend tollten wir zwischen den Sommerblumen herum, und sie tat so, als wehrte sie sich gegen mich, indem sie mich mit Blüten bewarf.

Als ich mich erschöpft neben sie legte, um zu Atem zu kommen, drehte sie sich zu mir um, beugte sich über mich und strich mir eine Haarlocke aus der Stirn. Ich legte meine Arme um ihre Schultern und zog sie zu mir herunter. Tief atmete ich ihren betörenden Duft ein: Sie trug das chinesische Rosenparfum, das ich ihr geschenkt hatte.

Unser Kuss war stürmische Verliebtheit, gefühlvolle Zärtlichkeit, ein Aufflammen der hitzigen Leidenschaft der letzten Nacht – und er war ein Versprechen.

»Ich liebe dich, Temur!«, hauchte sie.

»Und ich …«, begann ich, doch sie küsste die Worte von meinen Lippen.

Ihr Kuss war sanft, aber fordernd. Ihre Zunge streichelte meine Lippen, und als ich sie öffnete, drang sie ein, provozierte, erregte, wollte entfliehen, ließ sich aufhalten, festhalten, spielte ihr lustvolles Spiel. Dann zog sie sich zurück und ließ mich bebend vor Erregung zurück.

Sie begann, die Verschlüsse an der rechten Schulter meiner Seidenrobe zu öffnen. Ich lag im Gras, beobachtete sie und genoss die Berührung ihrer Finger auf meiner Haut, als sie den Seidenstoff zurückschlug und zart über meine Brust strich. Ihre Nase und ihre Lippen huschten wie ein leiser Lufthauch über meine Haut, als sie mich küsste. Ihre Hände wanderten an der Innenseite meiner Schenkel hinauf, fanden, was sie suchten, glitten sanft darüber hinweg, streichelnd, liebkosend, aufreizend, kehrten zurück, dieses Mal zielsicher zupackend. Mit langsamen Bewegungen erregte sie mich weiter, bis ich mich kaum noch beherrschen und still liegen konnte. Durch die Falten meiner seidenen Hose fühlten sich die Berührungen wundervoll an.

Ungeduldig öffnete ich die Verschlüsse ihrer Seidenrobe, schob den Stoff zur Seite und liebkoste ihre Brüste. Meine Lippen umspielten die aufgerichteten Knospen, während sie sich wohlig unter mir räkelte und seufzte. Schließlich zog sie mich auf ihren bebenden Körper und öffnete sich mir.

Sanft glitt ich in sie hinein und begann mit langsamen, rhythmischen Bewegungen. Sie stöhnte lustvoll und schlang ihre Arme um meine Schenkel, um mich tiefer in sich hineinzuziehen.

»Ich liebe dich«, seufzte ich und barg mein Gesicht in ihrem offenen Haar. »Ich wünsche mir eine Tochter von dir. Eine süße kleine Tochter, die so wunderschön ist wie du, meine Geliebte!«

»Keinen Sohn, der so mächtig ist wie du?«, neckte sie mich. »So gut aussehend, so unwiderstehlich, so stark …« Sie lächelte verzückt: »… derart verliebt in die Liebe … und in mich.«

»Ich habe zwei Söhne«, erinnerte ich sie. »Willensstark und eigensinnig, wie ihr Vater – das behauptet zumindest ihre Mutter, wenn die beiden ihr Kriegsgeschrei anstimmen, weil etwas nicht nach ihrem Willen geschieht.« Ich küsste sie. »Nein, Geliebte, ich will eine Tochter von dir: still, zurückhaltend …«

Kokatschin lachte, als sei mein Ansinnen völlig undenkbar: nicht mit mir, ihrem leidenschaftlichen und temperamentvollen Geliebten, als Vater dieses Kindes!

Wir wanden uns ausgelassen im Gras, küssten uns, streichelten uns mit zärtlichen Worten, verführten uns mit einem verliebten Lächeln, erhitzten und entzündeten uns aneinander, rangen um jeden Funken der Lust, stiegen hinauf in den Himmel, höher und immer höher, errangen gemeinsam den Sieg über uns selbst. Ich gab mich ihr hin und verschenkte mich an sie. In einem Feuer der Leidenschaft ergaben wir uns unserem Schicksal: dem Abstieg in die Wirklichkeit, der Rückkehr zu uns selbst.

Als ich mich immer noch vor Lust bebend neben sie legte, schloss ich erschöpft die Augen und versuchte, die entschwindenden Gefühle festzuhalten, um mich erneut an sie zu verlieren. Aber trotz meiner geistigen Kräfte, über die ich als Schamane verfügte, trotz meiner Fähigkeiten der Selbstbeherrschung gelang es mir nicht. Sie lösten sich auf, vergingen in wohliger Entspannung.

Von ferne hörte ich das Donnern von Hufen auf dem Steppenboden. Seufzend setzte ich mich auf. Vom Lager her galoppierte ein Reiter heran. Er hatte die beiden grasenden Pferde schon von weitem gesehen und hielt auf uns zu.

Fluchend brachte ich meine Kleidung in Ordnung, erhob mich und erwartete seine Ankunft.

Dschebe zügelte sein Pferd und brachte es direkt vor mir in einem Wirbel aus Staub und Gras zum Stehen. Mein Freund grinste unverschämt, als er Kokatschin hinter mir erkannte, die sich ein paar Blüten aus den zerwühlten Haaren zog.

Kokatschin war eigentlich Dschebes Kriegsbeute aus dem Kampf gegen das Volk der Naimanen gewesen, doch als er erkannte, wie stürmisch wir uns ineinander verliebt hatten, hatte mein Freund sie mir überlassen. Nach unserer Rückkehr vom Feldzug wenige Wochen zuvor hatte er selbst unsere Hände zum ewigen Bund ineinander gelegt und uns dann zum Hochzeitsbett geleitet.

Mit vierundzwanzig Jahren war Dschebe, »der Pfeil«, der siegesverwöhnte Feldherr des Khans, das Idol aller jungen Männer und der umschwärmte Märchenprinz nicht nur der ledigen Frauen. Seine Lippen verzogen sich zu einem anzüglichen Grinsen: »Ich hoffe, ich konnte dich retten, bevor Kokatschin über dich herfällt, dir die Kleider vom Leib reißt …«

»Um mich zu retten, hättest du früher kommen müssen«, gab ich missgelaunt zurück. »Was ist geschehen? Kann ich nicht einmal für zwei Stunden verschwinden, ohne dass man mir den besten Feldherrn des Khans hinterherschickt, um mich zu suchen?«

»Die Delegation des Kaisers von Chin ist im Lager angekommen. Ein kaiserlicher Prinz wartet im Audienzzelt«, erklärte Dschebe, unbeeindruckt von meinem Unmut.

»Ist der Khan schon zurückgekehrt?«, fragte ich.

»Nein, er ist noch nicht wieder da. Ich habe ihm einen Pfeilboten entgegengeschickt, aber keine Antwort von ihm erhalten. Offenbar hat er Wichtigeres zu tun, als einen Neffen des Himmelssohnes zu empfangen. Da bin ich hergeritten, um dich zu suchen …«

Mit einem unwilligen »Du hättest mich ja nicht unbedingt finden müssen« ging ich zu meinem Pferd und schwang mich in den Sattel.

Ich hatte mich auf ein paar sinnliche Stunden mit Kokatschin gefreut, auf ein köstliches Abendessen in ihrer Jurte, auf eine Zeit der Besinnung und des Nachdenkens, ohne Verpflichtungen, ohne Verantwortung und Zeremoniell. Dieser kaiserliche Prinz hatte mir den Abend verdorben! Aber dass noch jemand anderer diese Nacht zu einer der schlimmsten meines Lebens machen würde, konnte ich nicht ahnen …

Die Strahlen der untergehenden Sonne hatten die Wolken in Brand gesteckt und tauchten die weißen Jurten des Lagers in feuriges Licht. Tausend Jurten und mehr Pferde, als der Himmel Sterne hatte. Jenseits des Lagers wand sich der Fluss wie ein goldschimmernder Drache durch die Unendlichkeit der Steppe.

Dschebe folgte mir, als ich den Hügel hinabgaloppierte und den breiten Weg zwischen den Jurten entlangtrabte, die in großen Kreisen um das Zelt des Khans in der Mitte aufgestellt waren. Ein paar Schritte abseits des Weges wurden Stuten gemolken, ein paar Kinder trieben die Fohlen zurück auf die Weiden außerhalb des Ordu, des Zeltlagers. Von irgendwoher duftete es köstlich nach Lammbraten und frischem Brot.

Als ich vor meinem Zelt aus dem Sattel sprang, eilte einer meiner Diener herbei, um das Pferd wegzuführen und abzusatteln. Dschebe warf ihm die Zügel zu und folgte mir.

Meine Jurte, die ich allein bewohnte, war größer als die Rundzelte mit den üblichen vier oder fünf faltbaren Scherengittern, die die Wände bildeten. An den Gittern...