dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Ein Hauch von Skandal - Roman

Sandra Brown

 

Verlag Blanvalet, 2012

ISBN 9783641103415 , 608 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

8,99 EUR


 

Kapitel 1


Palmetto, South Carolina, 1976

 

»Du spinnst doch!«

»Ich schwör’s bei Gott.«

»Du bist ein Lügner, Patchett.«

»Was sagst du, Lamar? Lüge ich oder nicht? Kann eine gute Nutte das Gummi nur mit dem Mund überstülpen oder nicht?«

Lamar Griffiths Blick wanderte unsicher zwischen seinen beiden besten Freunden, Hutch Jolly und Neal Patchett, hin und her. »Keine Ahnung, Neal. Kann sie’s?«

»Ach, was frage ich dich überhaupt«, zischte Neal verächtlich. »Du warst sowieso noch nie bei ’ner Nutte.«

»Aber du...«, lästerte Hutch.

»Ja, ich. Und mehr als einmal.«

Die drei High School Seniors hatten eine Nische in der örtlichen Milchbar in Beschlag genommen. Hutch und Lamar teilten sich eine der Vinylbänke, Neal lümmelte sich auf der anderen, zwischen ihnen die Tischfläche.

»Ich glaub’ dir kein Wort«, sagte Hutch.

»Mein alter Herr hat mich mitgenommen.«

Lamar mußte bei der Vorstellung grinsen. »War dir das nicht peinlich?«

»Scheiße, nein!«

Hutch warf Lamar einen höhnischen Blick zu. »Er lügt, du Vollidiot.« Wieder Neal zugewandt fragte er: »Und wo soll dieser Puff sein?«

Neal musterte sein Spiegelbild im Fenster. Sein hübsches Gesicht starrte ihm entgegen. Sein dunkelblonder Pony über den sexy grünen Augen hatte genau die richtige Länge. Die rotbraun-weiße High-School-Lederjacke war angemessen abgewetzt und hing ihm lässig über die Schultern.

»Ich hab’ nicht gesagt, daß er mich in einen Puff geschleppt hat. Er hat mich zu einer Nutte mitgenommen.««

Hutch Jolly war lange nicht so attraktiv wie sein Freund Neal. Er war ein hochaufgeschossener Junge mit breiten knochigen Schultern, hellrotem Haar und ausgeprägten Segelohren. Hutch bewegte sich vor und leckte sich über die fleischigen Lippen. Dann flüsterte er verschwörerisch: »Du willst mir also weismachen, daß es hier in unserer Stadt eine Nutte gibt? Wer ist sie? Wie heißt sie? Wo wohnt sie?«

Neal schenkte seinem Freund ein träges Lächeln. »Ihr glaubt doch nicht im Ernst, daß ich das ausgerechnet euch verraten würde. Als nächstes hör’ich dann, daß ihr zwei an ihrer Tür klopft und einen verdammten Narren aus euch macht. Ich müßte mich ja schämen, mit euch in Verbindung gebracht zu werden.«

Er winkte die Kellnerin heran und bestellte eine neue Runde Cherry Coke. Sobald die prickelnde Erfrischung auf dem Tisch stand, langte Neal in die Innentasche seiner Jacke, fischte einen Flachmann heraus und bediente zuerst großzügig sich selbst, bevor er dann die Flasche weiterreichte. Hutch goß sich von dem Bourbon ein.

Lamar lehnte ab. »Danke. Ich hab’ genug.«

»Kinderkacke«, meinte Hutch und stieß seinem Freund den Ellenbogen in die Seite.

Neal ließ den Flachmann wieder in der Jackentasche verschwinden. »Mein alter Herr sagt immer, von zwei Dingen kann man nie genug haben. Von Whiskey und von Frauen.««

»Amen.« Hutch gab Neal immer recht.

»Und was meinst du, Lamar?« stichelte Neal.

Der dunkelhaarige Junge zuckte mit den Achseln. »Klar.«

Neal runzelte unzufrieden die Stirn und ließ sich gegen die Rückenlehne fallen. »So langsam, aber sicher fange ich an, mir deinetwegen Sorgen zu machen, Lamar. Wenn du nicht mitziehen kannst, müssen wir eben auf dich verzichten.««

Lamars dunkle Augen füllten sich mit Furcht. »Was meinst du mit ›mitziehen‹?«

»Was ich meine? Ich meine aufmischen. Bumsen. Saufen.«

»Seine Mama hat es aber gar nicht gern, wenn ihr Junge so böse Dinge tut.«

Hutch faltete affektiert die großen, roten Hände unter dem Kinn und klimperte mit den Wimpern. Sein Falsett und seine Miene wirkten albern, doch Lamar nahm die Spöttelei ernst.

»Habe ich mir Freitag etwa nicht, genau wie ihr beiden, die Seele aus dem Leib gekotzt?!« platzte er heraus. »Und im Sommer die Wassermelonen geklaut, wie du’s wolltest, Neal? Und wer hat die Farbe für den Spruch an der Post besorgt, he?«

Hutch und Neal fingen an zu lachen. Neal langte über den Tisch und tätschelte Lamars Wange. »Stimmt. Warst ein braver Junge. Wirklich brav.« Er konnte nicht ernst bleiben und lachte wieder los.

Hutchs knochige Schultern zuckten vor Lachen. »Du hast mehr gekotzt als wir beide zusammen, Lamar. Was hat deine Mama übrigens zu deinem Kater gestern morgen gesagt?«

»Sie hat’s nicht gemerkt. Ich bin im Bett geblieben.«

Die drei langweilten sich. Die Sonntagabende waren immer langweilig. Die scharfen Girls erholten sich von den wüsten Feiern des Samstagabends und wollten nicht belästigt werden. Und die braven Girls gingen zur Kirche. Sonntags standen keine Sportereignisse auf dem Programm. Zum Krebse sammeln oder Angeln hatten sie an diesem Abend keine Lust.

Und so hatte Neal, stets ihr Anführer und Stratege, die beiden in seinen Sportwagen verfrachtet, war mit ihnen durch die Straßen Palmettos gekreuzt und hatte Ausschau gehalten nach etwas, was sie amüsieren könnte. Aber auch nach ein paar Runden war weit und breit nichts in der Stadt zu entdecken gewesen.

»Wollen wir hoch zu Walmart und uns umsehen?« hatte Lamar vorgeschlagen.

»Nein!« hatten die beiden anderen im Chor gestöhnt.

»Ich hab’s.« Neal war eine Idee gekommen. »Los, wir fahren zu einer der Nigger-Kirchen. Das bringt’s immer.«

»Mmm-mm.« Hutch hatte seinen roten Schopf geschüttelt. »Mein Alter hat gesagt, er zieht mir das Fell ab, wenn wir das noch mal machen. Beim letzten Mal ging’s haarscharf an ’nem Rassenkrawall vorbei.« Hutchs Vater, Fritz Jolly, war der Sheriff im County und schon bei unzähligen Gelegenheiten das Gewissen der Jungs gewesen.

Ihnen war also nichts übriggeblieben, als in die Milchbar einzukehren und zu hoffen, daß etwas passieren würde. Solange sie etwas bestellten und sich benahmen, würde der Wirt sie nicht rauswerfen. Sollte sich Neal allerdings mit dem Flachmann erwischen lassen, würde die Hölle los sein.

Als Neal losgefahren war, hatte sein Vater, Ivan, ihn ermahnt, diesmal das Bier zu Hause zu lassen. »Wieso? hatte Neal gefragt.

»Weil mich gestern morgen Fritz angerufen hat. Er war völlig außer sich. Hutch ist Freitagnacht sturzbetrunken nach Hause gekommen, und du sollst das Bier besorgt haben. Er hat gesagt, der Sohn des Sheriffs könne es sich nicht leisten, besoffen durch die Stadt zu fahren und die Sau rauszulassen. Dora Jolly war kaum wieder zu beruhigen. Ich hab’ ihm versprochen, mich drum zu kümmern.«

»Und?«

»Und?! Genau das werde ich tun! Laß das Bier heute stehen!« hatte Ivan gepoltert.

»Verdammt. Neal war aus dem Haus gestürmt. In seinem Wagen hatte er sich grinsend auf die Jacke geklopft, in der er den silbernen Flachmann mit dem teuren Bourbon versteckt hatte. Ivan würde es nie im Leben merken.

Doch jetzt war die Schadenfreude über seinen alten Herrn abgeklungen. Hutch war dabei, seinen zweiten Hamburger zu vertilgen. Neal fand Hutchs Tischmanieren abstoßend. Er verschlang jedes Essen, als wäre es sein letztes, biß riesige Happen ab, rülpste laut und dachte gar nicht daran, die Unterhaltung zu unterbrechen, während er kaute.

Was Lamar betraf – der war einfach nur ein Schlappschwanz. Ständig hatte er Schiß, und Neal duldete ihn nur wegen seiner Büßerrolle. Es war eben amüsant, einen Trottel dabeizuhaben, über den man sich lustig machen konnte. Lamar war gutmütig und sah nicht schlecht aus, doch Neal brauchte ihn lediglich als Punchingball.

Heute abend war Lamar, wie immer, reizbar und nervös. Er ging jedesmal an die Decke, wenn er nur angesprochen wurde. Neal vermutete, daß Lamar so daneben war, weil er alleine mit seiner Mutter lebte. Der alte Drachen würde jeden nervös machen.

Myrajane Griffith hielt sich für was Besonderes, weil sie eine geborene Cowan war. Die Cowans waren früher mal mit die größten Baumwollpflanzer zwischen Savannah und Charleston gewesen. Aber das lag schon Urzeiten zurück. Der Glanz der Cowans war erloschen; die meisten von ihnen waren inzwischen verstorben. Das alte Farmhaus an der Küste stand zwar immer noch, aber es war schon vor vielen Jahren verlassen und verriegelt worden.

Doch Myrajane klammerte sich noch immer an ihren Mädchennamen wie eine Ertrinkende an den Strohhalm. Jetzt arbeitete sie als Angestellte auf der Sojabohnenplantage der Patchetts, wie fast alle anderen in der Nachbarschaft auch, und das Seite an Seite mit Farbigen und Leuten, die sie in besseren Zeiten noch nicht einmal angespuckt hätte. Ihrem Mann hatte sie so lange zugesetzt, bis er schließlich starb. Als Ivan ihn im Sarg liegen sah, hatte er bemerkt, daß der arme alte Kerl zum erstenmal seit Jahren lächelte.

Jesus, dachte Neal, kein Wunder, daß Lamar so schlottert. Die Hexe macht jeden fertig.

Neal war froh, daß seine Mutter gestorben war, als er noch ein Baby war. Er war von etlichen, vorwiegend farbigen Kinderschwestern aus der Umgegend Palmettos großgezogen worden, bis er zu alt zum Versohlen wurde und zurückschlug. Seine Mutter, Rebecca Flory Patchett, war blond gewesen, blaß und der schlechteste Fick, den Ivan jemals gehabt hatte – so ähnlich hatte Ivan es ausgedrückt, als Neal ihn nach seiner Mutter gefragt hatte.

»Rebecca war ein süßes kleines Püppchen, aber sie zu ficken, das...