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Den lass ich gleich an - Kein Single-Roman

Ellen Berg

 

Verlag Aufbau Verlag, 2012

ISBN 9783841200884 , 288 Seiten

2. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

8,99 EUR


 

Kapitel 1


Sie haben genug vom Single-Frust?

Und wie.

Sie suchen Ihren Traummann?

Her damit!

Lulu klickte auf das große rosarote Herz, das auf ihrem Laptop pulsierte. Sofort zerfiel es in unzählige kleine Herzchen. In Zeitlupe schwebten sie davon.

So, liebes Schicksal, nun servier mir mal den Richtigen, dachte Lulu. Sende mir ein Zeichen. Heute geht es um alles. Ungeduldig sah sie zu, wie sich die elektronische Wundertüte öffnete.

Sie haben null Flirtmessages.

Wie bitte? Vier Wochen lang trieb Lulu sich nun schon auf diesem Flirtportal herum. Anfangs hatte sie einen wanderbegeisterten Rentner und einen verklemmten Mathematikstudenten weggeklickt, seitdem war nichts mehr passiert. Null Flirtmessages. Der Offenbarungseid an der Männerfront.

Fassungslos starrte Lulu auf ihren Laptop. Am liebsten hätte sie ihn so lange geschüttelt, bis er doch noch einen Mann ausspuckte. Dann klickte sie ihr Profil an. Gut, das Foto wirkte vielleicht etwas zu brav. Es zeigte sie in ihrer alten, ausgebeulten Lieblingsjeans und einem verwaschenen T-Shirt mit dem Aufdruck »Mama ist die Beste«. Aber ihre Selbstbeschreibung klang doch ganz vielversprechend: Kennwort: Mutter sucht Schraube. Alter: Anfang dreißig. Hobbys: Fotografie und Kochen. Vor allem aber: humorvoll, lebenslustig, begeisterte Mutter eines Kindes.

Das Kennwort hatte sie sich zusammen mit ihrer Freundin Sabrina ausgedacht. »Immer schön ehrlich sein«, hatte die nach dem dritten Glas Wein gekichert. »Irgendwann erfährt der Typ ja sowieso, dass du nur im Doppelpack mit Kind zu haben bist. Mutter sucht Schraube – das passt!«

Ach, Sabrina, dachte Lulu, du hast es gut. Du musst nicht in trüben Datingportalen fischen. Sabrina war ein rasend attraktiver, kinderloser Single. Bei ihr standen die Männer Schlange. Mehrmals hatte sie versucht, den einen oder anderen Herrn an Lulu durchzureichen. Leider ohne Erfolg.

Lulu hatte schon alles ausprobiert. Wirklich alles. Flohmärkte, Über-dreißig-Partys, Open-Air-Konzerte, Kuppeleinladungen besorgter Freunde, die ihr todsichere Kandidaten präsentierten – sogar ein Blind Date hatte sie hinter sich. Doch es war sinnlos. Auf dem Highway der Herzen war sie eine Geisterfahrerin. Als hätte ihr jemand ein Schild um den Hals gehängt: »schwer vermittelbar«. Sobald sie nämlich gestand, dass sie alleinerziehende Mutter war, verschwanden diese Steinzeittypen eins, zwei, drei wieder in ihrer Höhle.

Hajo, ein athletischer Bankkaufmann, hatte Lulu rundheraus gesagt, dass ihm Kinder zu anstrengend seien. Steffen, ein zerstreuter Nerd, hatte was von »Also echt jetzt, Verantwortung ist nicht mein Ding irgendwie« gemurmelt, und Jan-Friedrich, ein geschiedener Lehrer, hatte erklärt, er wolle nicht auch noch in seiner Freizeit von Kindern belästigt werden. So weit die magere Ausbeute. Von Ralf ganz zu schweigen, der Kinder vollkommen überflüssig fand. Um diese Enttäuschungen zu verkraften, hätte Lulu einen emotionalen Airbag gebraucht. Doch wo, bitte, gab es den?

Sie haben null Flirtmessages.

Immer noch stand der Satz auf dem Display. Das Orakel hatte gesprochen. Also würde Lulu heute Abend mit Mike ausgehen.

Sie wusste, dass Mike ein schwerer Fall war. Ein wandelndes Flirtportal sozusagen: Suche Frau to go. Aber vielleicht war es ja ein Zeichen, dass sich niemand auf Lulus Profil gemeldet hatte. Vielleicht wollte ihr das Schicksal noch eine Chance geben, eine Chance aus Fleisch und Blut. Und vielleicht war dieser Mike ja gar nicht der aalglatte Aufreißer, für den ihn alle hielten.

Seufzend klappte Lulu den Laptop zu. Wäre auch nur irgendein männerähnliches brauchbares Wesen aus den ewigen Jagdgründen des Internets aufgetaucht, sie hätte das Date mit Mike abgesagt. Doch das Urteil war eindeutig: Mike und kein anderer. Immerhin, er war gutaussehend, charmant und hatte ein Funkeln im Blick, das eine ganze Menge versprach.

Fröstelnd verkroch sich Lulu in ihren Bademantel. War Mike der Mann, auf den sie gewartet hatte? Sehnlichst, mit der ganzen Hoffnung ihres ziemlich verschrammten Herzens? Sie schluckte. Vor einer Woche hatten sie sich kennengelernt, bei einem beruflichen Termin. Es hatte ganz schön geknistert, und sie hatten ihre Handynummern ausgetauscht. Eine ganze Woche war verstrichen, bevor seine SMS eingetrudelt war.

Morgen Essen in der Olive? Acht Uhr? Kuss, Mike.

Das war gestern Abend gewesen. Die ganze Nacht hatte Lulu kein Auge zugetan. Wieder und wieder hatte sie ihr Handy vom Nachttisch geangelt und die SMS gelesen. Wieder und wieder hatte sie auf das Display gestarrt, das im Dunkel der Nacht wie ein Leuchtfeuer strahlte: Abend, Essen, Olive, Kuss. Kuss? Merkwürdig. Sie waren sich noch nicht nähergekommen. Sie siezten sich sogar. Aber das konnte sich schnell ändern.

Jetzt war es sieben Uhr morgens, Zeit zu handeln. Entschlossen griff sie nach ihrem Handy.

Hallo Mike. Nette Idee. Bis später dann, schrieb sie zurück.

Bloß keine allzu große Begeisterung zeigen. Den Ball flachhalten. Die Wahrheit aber war: Am liebsten hätte sie Limbo getanzt. Sie hatte ein Date! Und Herzklopfen. Schluckbeschwerden. Ein Date? Wie ging das noch mal?

Ein greller Schrei durchschnitt die Luft. »Achtuuuung – UFO!«

Mit einem tollkühnen Sprung landete ihre Tochter Lotte auf der Couch. Ihre dunklen Locken bildeten einen aparten Kontrast zum quietschrosa Pyjama, auf dem kleine Äffchen herumturnten.

»Hallo, unbekanntes Flugobjekt«, sagte Lulu, während Mike sich im morgendlichen Grau des anbrechenden Tages auflöste. »Gut geschlafen, mein Schatz?«

»Ich habe geträumt. Dass ich auf einem Schiff bin, mit lauter Piraten. Und dass ich mit ihnen über das große, blaue Meer fahre. Zu einer Insel mit Palmen und Papageien.«

Ein Urlaub am Meer war, abgesehen von einer Katze, Lottes sehnlichster Wunsch. In den Wellen toben, Sandburgen bauen, Muscheln sammeln. Doch dafür reichte das Geld einfach nicht. Und für eine Katze war zu wenig Zeit.

»Mama, was machst du eigentlich heute?«, fragte Lotte, während sie die Couch zum Trampolin umfunktionierte.

Es war immer wieder erstaunlich, wie viel Energie schon am frühen Morgen in einer Achtjährigen stecken konnte.

»Ich? Na, was ich immer mache«, gähnte Lulu. »Ich bringe dich zur Schule, knipse irgendwas, und dann hole ich dich aus dem Hort ab.«

Lulu war Fotografin. Im Grunde war sie sogar eine Künstlerin. Aber da sich leider niemand für Gräser im Gegenlicht interessierte, verdiente sie ihr Geld mit Werbeaufnahmen. Joghurt, Schokoriegel, Waschpulver – ihr war alles recht. Hauptsache, sie konnte die Miete bezahlen.

»Sonst machst du nichts?«

Mindestens so erstaunlich wie Lottes Energie war ihre Intuition. Sie hörte auf zu hopsen und betrachtete Lulu mit Kennermiene. Als ob sie ahnte, dass dies kein Tag wie jeder andere werden würde.

Zärtlich strich Lulu ihrer Tochter eine Haarsträhne aus dem Gesicht und drückte sie an sich. Sie war heilfroh, dass nichts an Lotte dem Mann ähnelte, der sie einst schnöde verlassen hatte. Einfach so, Lotte war noch ein Baby gewesen.

»Was ich sonst mache? Mal sehen …«, antwortete sie gedehnt.

Mike verschwieg sie besser erst einmal. Lotte war zwar der Meinung, dass ihre Mutter endlich einen Ersatzpapa mit nach Hause bringen sollte. Doch sobald ein Anwärter auf diesen Traumjob auch nur in ihre Nähe kam, wurde es kompliziert. Dann spielte Lotte die Staatsanwältin: »Mag er Kinder? Kann er Nintendo spielen? Geht er mit mir auf den Spielplatz? Wird er ein guter Papa?«

Ein geheimdienstliches Verhör war ein Kaffeekränzchen gegen Lottes Fragen. Also behielt Lulu lieber für sich, was das Schicksal beschlossen hatte: Mike und Lulu aufeinander zurasen zu lassen wie zwei führerlose Lokomotiven.

Der Countdown lief. Lulu meinte, das Ticken einer riesigen Uhr zu spüren, deren Sekundenzeiger sie vorwärtsschubste. Schlaftrunken wankte sie ins Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Dunkle Locken fielen ihr in die Stirn und verdeckten halb die blauen Augen. Sie wirkte immer noch mädchenhaft. Selbst jetzt, am frühen Morgen, sah man ihr die fast vierzig kaum an.

Natürlich hatte sie geschummelt bei ihrem Flirtprofil. Was denn sonst? Anfang dreißig klang nun mal besser als Ende dreißig. Kochen konnte sie auch nicht besonders. Aber Kochen als Hobby kam gut an bei solchen Portalen, hatte Sabrina gesagt. Schließlich schummelten alle.

Heute Abend jedoch half kein Schummeln. Heute Abend würde Mike sie aus nächster Nähe scannen, Millimeter für Millimeter. So, wie die Natur und ein wechselvolles Schicksal sie geschaffen hatten. Noch einmal überprüfte Lulu ihr Spiegelbild. Doch ja, wenn man genau hinschaute, sah man schon die eine oder andere Sorgenfalte und den müden Zug um die Augen, der auf ein stressiges Leben schließen ließ. Sie lächelte sich Mut zu. Wenn sie lächelte, sah man ihre allerliebsten Grübchen, und aus den Sorgenfalten wurden Lachfalten.

Du lieber Himmel, Lulu, das wird schon, sprach sie sich Mut zu. Das Restaurant Olive ist bestimmt in ein Meer von Kerzenlicht getaucht. Sei froh, dass Mike dich nicht in eine Imbissbude eingeladen hat. Neonlicht macht einen grünen Teint und gräbt selbst in Pfirsichhaut tiefe Gletscherspalten. Die teuren Lokale dagegen haben kosmetische Beleuchtung, den eingebauten Weichzeichner. Merke: Je reicher die Gäste, desto gnädiger das Licht. Und Mike stand ohne Frage am oberen Ende der Nahrungskette. Er war...