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Eine unzüchtige Lady - Roman

Emma Wildes

 

Verlag Blanvalet, 2010

ISBN 9783641044855 , 416 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,99 EUR


 

Kapitel 1
»Das ist interessant.« Nicholas griff zugleich nach der Brandykaraffe und goss einen großzügigen Schluck in das Glas, das neben seinem Ellbogen stand. Er stellte die Flasche ab und überflog erneut den Pergamentbogen in seiner Hand. Die Rückkehr nach London nach diesem anspruchsvollen, aber durchaus erfolgreichen Tag mit dem Sport der Könige hatte ihn in gute Laune versetzt. Diese wurde durch den Sieg und die sich daraus ergebende Feierlichkeit noch besser. Ein Rückzug in sein Refugium schien ihm jetzt aber angebracht. Dieser Raum war in vielerlei Hinsicht sein Rückzugsort, auch wenn er übermäßig viel Zeit damit zubrachte, hier zu arbeiten.
Das Zimmer erinnerte ihn an seinen Vater. Dies war wohl eine sentimentale Seite an ihm, die er nie jemandem offenbaren würde, aber er hatte nichts darin verändern lassen. Derselbe Teppich bedeckte den polierten Boden und war an der Stelle ausgeblichen, an der die Sonne schon seit vielen Jahren durch das zweiflügelige Fenster fiel. Der Schreibtisch war ebenso unordentlich und übervoll. Bücher standen in den Eichenholzregalen neben der Feuerstelle und verbreiteten den vertrauten Duft von langsam vermoderndem Leder und vergilbendem Papier.
»Was ist interessant? Hat es mit den Rennen zu tun?« Ihm gegenüber hob Derek Drake, der Earl of Manderville, eine dunkelblonde Braue und rutschte tiefer in seinen Sessel. Wie immer war Derek nach der neuesten Mode gekleidet. Die maßgeschneiderte Kleidung saß perfekt an seinem schlanken Körper. Die glänzenden Reitstiefel gekreuzt, lehnte er sich im Sessel zurück und schien sichtlich entspannt. Sein schmales Gesicht zeigte nur leise Neugier. »Nick, deine Pferde haben sich heute selbst übertroffen. Bestimmt ist das für dich keine schreckliche Überraschung. Nicht, dass ich etwas dagegen habe. Ich habe eine hübsche Summe auf das letzte Rennen gesetzt, weil du mir dein Wort gegeben hast, dass Satan in ausgezeichneter Form ist. Danke für den Hinweis.«
»Immer wieder gern. Aber das ist es nicht, was mich überrascht.« Nicholas verhielt sich nicht so abwertend, weil ihm die Galopprennen nichts ausmachten – seine Rennpferde waren seine Leidenschaft, und er liebte den Wettkampf so sehr, dass es fast schon eine persönliche Schwäche war. Aber die enge Schrift auf dem Papier in seiner Hand fesselte ihn mehr. Er blickte auf und hielt das Schreiben mit zwei Fingern weit von sich. »Schau dir das an, Derek.«
Sein Freund nahm das gefaltete Stück Papier, und sein Interesse wuchs sichtlich, während er die Worte studierte. Wie auch Nicholas zuvor, las Derek den in akkurater Handschrift verfassten Brief zweimal, ehe er aufblickte. »Nun, das klingt vielversprechend, nicht wahr?«
»Es ist nicht unser erstes Angebot.« Nicholas nahm einen Schluck von dem französischen Brandy, der sich in seinem Mund wie warme Seide anfühlte. Da der Brandy eingeschmuggelt werden musste, hatte Nicholas ein kleines Vermögen dafür bezahlt, doch er war das Geld durchaus wert. »Aber ich muss gestehen, mir gefällt die direkte Art der Lady.«
»Eine Herausforderung an unsere Herausforderung. Ja, das ist einfallsreich. Ich bewundere sie schon jetzt. Es wäre trotzdem nett, ihre Identität zu erfahren.« Dereks Mund verzog sich, als er laut vorlas: »›Wenn Ihr mir völlige Diskretion zusichert und eine unparteiische Richterin für Eure lächerliche Wette wünscht, werde ich Euch helfen. Aber seid gewarnt; meine bisherigen Erfahrungen in Bezug auf die Dinge, die zwischen Männern und Frauen geschehen, haben mich nicht beeindruckt. Wenn Ihr an einem Treffen interessiert seid, um diese Sache zu besprechen, bin ich gern bereit, Eurer Einladung zu folgen.‹«
Das war klug, dachte Nicholas. Sie benutzt diese abwertende Bemerkung über ihre bisherigen sexuellen Enttäuschungen, um unser Interesse anzustacheln. Die Lady hatte recht, wenn er sich gestattete, ehrlich zu sein; die Wette war lächerlich und in einem Moment geboren worden, als Derek und er mehr als bloß angetrunken waren.
»Ich nehme in dieser Nachricht eine kleine Beleidigung wahr«, kommentierte Nicholas amüsiert. »Ein Angebot mit Ecken und Kanten. Unsere geheimnisvolle Lady hat Mumm. Das gefällt mir.«
»Ist das so?« Derek warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. Sie neigten dazu, Frauen mit demselben sexuellen Interesse zu betrachten, das vor allem darauf abzielte, sich nicht in eine emotionale Abhängigkeit zu begeben. Sexuelle Eroberung war ein Spiel, und sie waren beide geübte Spieler.
Nicholas führte seinen Gedanken nicht näher aus. Er spürte den wachsenden Druck, sich zu verheiraten, der von der Gesellschaft und seiner Familie gleichermaßen ausgeübt wurde. Es wurde von ihm erwartet – das hatte er immer gewusst -, aber wenn er sich seinen Unwillen eingestand, eine Frau zu suchen, hieß das für ihn, dass er sich auch einigen Wahrheiten über sich selbst stellen musste, wozu er noch nicht bereit war.
Alle Männer machten Fehler. Sein denkwürdiger war katastrophaler Natur gewesen. Aber andererseits war diese weit zurückliegende Katastrophe allein seine Sache. Sie entstand einst, weil er jung und unerfahren war. Und er hatte diesen Fehler seitdem auf jede nur erdenkliche Weise getilgt. Dazu gehörten offensichtlich nun auch verrückte Wetten der außergewöhnlichen Art. Mit erzwungenem Gleichmut behauptete er: »Natürlich. Eine abenteuerlustige Frau ist im Schlafzimmer stets anziehend, findest du nicht?«
»Ich stimme mit dir darin überein, dass unser Ruf kaum mehr leiden kann, als er es bereits getan hat. Also warum nicht?«
Das kleine Wörtchen Verlegenheit existierte in Nicholas’ Wortschatz nicht. Er hatte bereits vor langer Zeit begriffen, dass Klatsch ein unvermeidlicher Teil der Londoner Gesellschaft war. Es bedurfte eines zu großen Aufwands und brachte wenig ein, wenn man versuchte, Skandale zu vermeiden. Derek und er waren sich jedoch einig, dass es besser gewesen wäre, wenn sie ihren Wettstreit nicht schriftlich fixiert und einen so großen Betrag auf den Ausgang gesetzt hätten. Jetzt herrschte im haut ton aufgeregtes Raunen.
Er warf Manderville ein müdes Lächeln zu. »Es gibt vermutlich keine Möglichkeit, den Köder nicht zu schlucken, stimmt’s? Bisher kamen die Angebote eher von Frauen zweifelhaften Rufs, die uns bei dieser Wette beispringen – und in unsere Betten hüpfen – wollten und unsere Bekanntheit auszunutzen gedachten. Dieses Angebot aber klingt ein wenig anders. Sie will offensichtlich Anonymität.«
»Ich habe nichts gegen eine erfahrene Frau, aber ich stimme dir zu: Die Verschwiegenheit, um die sie uns ersucht, gibt der Sache eine überraschende Wendung.« Derek klopfte mit dem Finger gegen das Blatt Papier. »Sie könnte perfekt sein. Hauptsache, sie ist nicht unattraktiv oder eine unverheiratete junge Dame, die nach Vermögen und Titel schielt.«
»Amen.« Allein der Gedanke an eine junge Unschuld, die in diese Wette verstrickt werden könnte, verbot sich. Der Wetteinsatz war kaum mehr als ein amüsanter Zeitvertreib gewesen; inzwischen jedoch war die Sache ein bisschen außer Kontrolle geraten. Rückblickend betrachtet war die dritte Flasche Claret an jenem Abend eine schlechte Idee gewesen, aber besonders Derek schien es darauf angelegt zu haben, sich dem Vergessen entgegenzutrinken.
Nun, da Nicholas länger darüber nachdachte, war das nicht so ganz Dereks Art. Er konnte den Finger nicht darauflegen, aber er hatte das Gefühl, irgendetwas sei anders als sonst. Derek verfügte normalerweise über einen guten Humor, doch dieser schien zuletzt eher gekünstelt zu sein. Sein lässiger Charme war einer der Gründe dafür, dass Frauen ihn so attraktiv fanden. Aber er wirkte zumindest in den letzten Monaten gleichermaßen bedrückt und abgelenkt.
»Wir müssen das hier nicht machen, weißt du«, erinnerte Nicholas seinen Gefährten und beobachtete zugleich dessen Gesicht, um Dereks Reaktion abzuschätzen. Die Glut des Brandys stimmte ihn milde und nachdenklich. »Es war ein impulsiver Spaß zwischen zwei Freunden, und wir neigen dazu, miteinander in Konkurrenz zu stehen. Das ist kein Geheimnis.«
»Wollen wir etwa kneifen, Nick?«, fragte Derek mit bitter tadelnder Stimme. Blond, groß und mit Augen, die so blau wie der Azur des Himmels waren, engelsgleich gutaussehend – er war der helle Gegensatz zu Nicholas’ dunklen Farben. »Wer könnte es dir verdenken? Schließlich wirst du verlieren.«
Da war es wieder, diese untypische, ruhelose Stichelei. Es funktionierte aber. Nicholas schnaubte, weil sein Freund eine so selbstgefällige Miene an den Tag legte. »Was lässt dich so denken? Der Schwarm fader Ladys, die permanent in deinem Bett liegen? Lass mich dich daran erinnern, dass Quantität keine Qualität zu ersetzen vermag, Manderville.«
»Wenn du versuchst, mir weiszumachen, du wärst weniger wahllos, Rothay, dann kannst du diese Behauptung jemand anderem verkaufen.«
Das versuchte er gar nicht, und er musste an sich halten, eine irritierte Antwort zu unterdrücken. Er wechselte häufig seine Partnerinnen, egal was auch immer die Gerüchte über sein Privatleben verkündeten. Nicholas genoss die Frauen – aber seinem Ruf zum Trotz wählte er seine Gespielinnen mit Bedacht und bemühte sich um Diskretion. Insofern wusste er, dass Derek nicht so verderbt war, wie man sich hinter vorgehaltener Hand zuraunte, und ähnlich war es auch bei ihm. Zuletzt hatte er nichts davon gehört, dass Derek nach einer bestimmten Lady strebte. Wenn er nicht zölibatär lebte, hielt er sich in dieser Sache zumindest zurück.
Vielleicht kam daher diese impulsive Wette. Dereks Herausforderung und seine eigene...