dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Der Kuss des Blutes - Guardians of Eternity 2 - Roman

Alexandra Ivy

 

Verlag Diana Verlag, 2010

ISBN 9783641043018 , 464 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

7,99 EUR


 

KAPITEL 1
Das Auktionshaus am Stadtrand von Chicago sah nicht aus wie ein finsteres Loch.
Hinter dem eisernen Zaun breitete sich das elegante Backsteingebäude mit sichtlicher Arroganz in der Landschaft aus. Die Räume waren groß, konnten sich wunderschöner Deckenmalereien und eleganter Kronleuchter rühmen, und auf Anraten eines Profis waren sie mit dicken elfenbeinfarbenen Teppichen, einer glänzenden dunklen Holztäfelung und handgeschnitzten Möbeln ausgestattet worden.
Die allgemeine Atmosphäre war von der Stille geprägt, die man nur mit Geld kaufen konnte. Einer ganzen Menge Geld.
Es war die Art von protzigem Ambiente, in dem eigentlich mit seltenen Gemälden, unbezahlbaren Edelsteinen und Museumsartefakten gehandelt werden sollte.
Stattdessen war dies nichts anderes als ein Fleischmarkt. Eine Kloake, wo Dämonen verkauft wurden wie Fleisch.
Am Sklavenhandel gab es nichts Angenehmes, auch nicht, wenn hier mit Dämonen statt mit Menschen gehandelt wurde. Es war ein schmutziges Geschäft, das sämtliche dekadenten, verrückten Widerlinge aus dem ganzen Land anzog.
Sie kamen aus allen möglichen erbärmlichen Gründen hierher.
Da waren diejenigen, die Dämonen als Paramilitärs oder Leibwächter kauften. Die, die nach exotischeren Sexsklavinnen und Sexsklaven gierten. Jene, die glaubten, dass das Blut von Dämonen ihnen Zugang zu Magie oder ewigem Leben verschaffte. Und dann noch diejenigen, die Dämonen erwarben, um sie auf ihrem Privatgelände freizulassen und wie wilde Tiere zu jagen.
Die Gebote kamen von Männern und Frauen ohne Gewissen oder Moral. Das Einzige, worüber sie verfügten, war genügend Geld, um ihre perversen Gelüste zu befriedigen.
Und an der Spitze des Ganzen stand der Besitzer des Auktionshauses, Evor. Er war einer der niederen Trolle, der seinen Lebensunterhalt völlig ungerührt mit dem Elend der anderen verdiente.
Shay würde Evor eines Tages töten.
Doch leider nicht heute.
Genauer gesagt, nicht heute Abend.
Mit einer lächerlichen Pluderhose und einem winzigen, paillettenbesetzten Top bekleidet, das deutlich mehr ent- als verhüllte, lief sie in der beengten Zelle hinter den Auktionsräumen hin und her. Ihr langes, rabenschwarzes Haar war zu einem Zopf zusammengebunden, der fast bis zu ihrer Hüfte herunterreichte. Auf diese Weise konnte man besser ihre schräg stehenden goldenen Augen, ihre fein geschnittenen Gesichtszüge und die bronzefarbene Haut erkennen, die zeigten, dass sie etwas anderes als ein Mensch war.
Es war weniger als zwei Monate her, dass sie Sklavin eines Hexenzirkels gewesen war, der eine Katastrophe über alle Dämonen hatte hereinbrechen lassen wollen. Damals hatte sie gedacht, alles andere sei ihrer elenden Existenz vorzuziehen, da sie hilflos hatte zusehen müssen, wie die Hexen ihr böses Werk vorbereiteten.
Schließlich war es schwierig, die Auslöschung einer ganzen Art an Grausamkeit noch zu überbieten.
Erst als sie sich wieder in Evors Gewalt befand, begriff sie, dass der Tod nicht immer das Schlimmste war, was einem zustoßen konnte.
Das Grab war wirklich unbedeutend, verglichen mit dem, was hinter der Tür auf sie wartete.
Ohne nachzudenken, trat Shay mit dem Fuß aus und ließ den Tisch durch die Luft segeln, sodass er mit erstaunlicher Wucht gegen die Eisenstäbe krachte.
Hinter ihr ertönte ein schwerer Seufzer, der sie herumwirbeln ließ, um den kleinen Gargylen anzusehen, der sich in der gegenüberliegenden Ecke hinter einem Stuhl versteckte.
Levet war nicht gerade ein Vorzeigegargyle.
Er besaß zwar die traditionell grotesken Gesichtszüge, eine dicke graue Haut, Reptilienaugen, Hörner und Pferdefüße. Und er verfügte sogar über einen langen Schwanz, den er mit großem Stolz hegte und pflegte. Doch unglücklicherweise war er trotz seines erschreckenden Aussehens kaum neunzig Zentimeter groß. Noch schlimmer war seiner Ansicht nach, dass er ein Paar hauchzarter Flügel hatte, die besser zu einem Naturgeist oder einer Fee gepasst hätten als zu einer tödlichen Kreatur der Finsternis.
Und um die Demütigung noch schlimmer zu machen, waren seine Kräfte bestenfalls unberechenbar, und es mangelte ihm in den meisten Fällen an Mut.
Es war daher nicht weiter verwunderlich, dass er aus der Gargylen-Gilde ausgeschlossen und damit gezwungen worden war, sich allein durchzuboxen. Es hatte geheißen, er blamiere die gesamte Gemeinschaft, und niemand war eingeschritten und hatte ihn verteidigt, als er von Evor gefangen genommen und versklavt worden war.
Shay hatte das erbärmliche Wesen unter ihren Schutz gestellt, sobald sie wieder ins Auktionshaus hatte zurückkehren müssen. Nicht nur, weil sie die bedauerliche Neigung hatte, zur Verteidigung aller zu eilen, die schwächer waren als sie selbst, sondern auch, da sie wusste, dass es Evor auf die Nerven ging, wenn man ihm seinen Lieblingsprügelknaben wegnahm.
Der Troll mochte vielleicht die Macht über den Fluch besitzen, der sie band, aber wenn er sie nur weit genug trieb, wäre sie willens, ihn zu töten, auch wenn das für ihr eigenes Leben das Ende bedeutete.
»Chérie, hat dir der Tisch etwas getan, was ich nicht gesehen habe, oder hast du bloß versucht, ihm eine Lektion zu erteilen?«, fragte Levet. Seine Stimme war leise, und er sprach mit französischem Akzent und in singendem Tonfall.
Das gehörte durchaus nicht zu den Dingen, die seinen Status unter den Gargylen verbessert hätten.
Shay lächelte schief. »Ich habe mir vorgestellt, es sei Evor.«
»Seltsam, sie ähneln sich nicht besonders.«
»Ich habe viel Fantasie.«
»Ah.« Er zuckte albern mit seiner dichten Augenbraue. »Wenn das so ist – ich nehme nicht an, dass du dir vorstellst, ich sei Brad Pitt?«
Shay warf ihm ein trockenes Lächeln zu. »Ich bin zwar gut, aber nicht so gut, Gargyle.«
»Wie schade.«
Ihre kurze Belustigung verblasste. »Nein, schade ist, dass es ein Tisch und nicht Evor war, der hier in Stücke zerbrochen ist.«
»Eine wunderbare Vorstellung, aber nur ein Traum.« Die grauen Augen verengten sich langsam. »Es sei denn, du hast etwas Dummes vor?«
Shay riss mit gespielter Überraschung die Augen auf. »Wer, ich?«
»Mon dieu«, knurrte der Dämon. »Du willst gegen ihn kämpfen.«
»Ich kann nicht gegen ihn kämpfen. Nicht, solange mich der Fluch in den Klauen hält.«
»Als ob dich das je abgehalten hätte.« Levet warf das Kissen beiseite, wodurch sein Schwanz zum Vorschein kam, der heftig um seine Hufe zuckte. Es war ein deutliches Zeichen der Sorge. »Du kannst ihn nicht töten, aber das hält dich nie von dem Versuch ab, ihm in seinen fetten Trollhintern zu treten.«
»Ein kleiner Zeitvertreib.«
»Der dazu führt, dass du stundenlang vor Schmerzen schreist.« Er erschauderte plötzlich. »Chérie, ich kann es nicht ertragen, dich so zu sehen. Nicht noch einmal. Es ist verrückt, gegen das Schicksal anzukämpfen.«
Shay verzog das Gesicht. Es gehörte zu dem Fluch, dass sie für jeden Versuch, ihrem Herrn zu schaden, bestraft wurde. Der durchdringende Schmerz, der ihren Körper packte, konnte dazu führen, dass sie keuchend auf dem Boden liegen blieb, oder sie sogar stundenlang bewusstlos machen, und in letzter Zeit war die Strafe so brutal geworden, dass sie jedes Mal, wenn sie ihr Glück herausforderte, befürchtete, es könne das letzte Mal sein.
Sie zog an ihrem Zopf. Es war eine Geste, in der die Frustration deutlich wurde, die direkt unter ihrer Oberfläche brodelte.
»Du meinst, ich sollte aufgeben? Die Niederlage akzeptieren?«
»Welche Wahl hast du schon? Welche Wahl hat jeder von uns schon? Egal, wie viel wir auch kämpfen, es ändert nichts daran, dass wir Evor gehören, mit …« Levet rieb sich eins seiner unterentwickelten Hörner. »Wie sagt man? Haut und Fell?«
»Haar.«
»Ah, ja, Evor mit Haut und Haar gehören. Und dass er mit uns tun kann, was auch immer er will.«
Shay biss die Zähne zusammen, als sie sich umdrehte, um wütend die Eisenstäbe anzufunkeln, die sie gefangen hielten. »Verdammt. Ich hasse das hier. Ich hasse Evor. Ich hasse diese Zelle. Ich hasse diese elenden Dämonen, die darauf warten, auf mich zu bieten. Ich wünschte fast, ich hätte es zugelassen, dass diese Hexen uns allen ein Ende bereiten.«
»Du wirst von mir keinen Widerspruch hören, meine süße Shay«, stimmte Levet mit einem Seufzen zu.
Shay schloss die Augen. Verdammt. Sie hatte ihre Worte nicht so gemeint. Sie war müde und frustriert, aber sie war kein Feigling. Allein die Tatsache, dass sie das letzte Jahrhundert überlebt hatte, bewies das.
»Nein«, murmelte sie. »Nein.«
Levet flatterte mit den Flügeln. »Und warum nicht? Wir sind hier gefangen wie Ratten in einem Labyrinth, bis wir an den höchsten Bieter verkauft werden. Was könnte denn noch schlimmer sein?«
Shay lächelte freudlos. »Wenn wir das Schicksal gewinnen ließen.«
»Wie bitte?«
»Bisher hat das Schicksal oder das Los oder die Vorsehung, oder wie zum Teufel du es auch nennen möchtest, uns nichts als Dreck gebracht«, knurrte Shay. »Ich werde nicht einfach nachgeben und zulassen, dass es mir die kalte Schulter zeigt, während ich auf dem Weg in mein Grab bin. Eines Tages werde ich die Gelegenheit bekommen, dem Schicksal ins Gesicht zu spucken. Das ist das, was mich dazu bringt weiterzukämpfen.«
Es folgte ein langes Schweigen,...