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Barmherzige Schwestern - 25 Nonnen über Liebe, Leid und Leben

Kathrin Haller

 

Verlag Ankerherz Verlag, 2012

ISBN 9783940138309 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Jesus sagt: »Bleibt in mir,
dann bleibe ich in euch;
denn getrennt von mir könnt
ihr nichts vollbringen.«

(Joh 15,4-5)

Herzensglück

Schwester Birgitta, Jahrgang 1941.
Sie ist Ordensschwester seit ihrem 21. Lebensjahr.

Schwester Birgitta, wie kam es zu der Entscheidung, ins Kloster zu gehen?

Mein Vater war im Krieg gefallen. Ich wuchs ohne Geschwister auf, alleine mit meiner Mutter. Nach der Volksschule besuchte ich die Höhere Handelsschule; ich bekam eine Stelle als Sachbearbeiterin und Sekretärin in einem Betrieb in Singen. Abends ging ich öfters mit meinen Freundinnen aus. Wenn ich nach Hause kam, spürte ich eine Sehnsucht in mir, die ich mir nicht erklären konnte. Schon als Kind war ich eher ernst als ausgelassen. Die Sehnsucht, die ich spürte, gab mir Energie, mich auf den Weg zu machen. Ich wollte herausfinden, was in meinem Leben fehlt. Gott hatte es mir ins Herz gelegt, es musste mir nur noch klar werden.

Meine Ferien verbrachte ich früher oft bei meiner Oma in Bonndorf. Von dort kannte ich die Vinzentinerinnen. Ich nahm an Mädchen-Exerzitien im Mutterhaus teil und erhielt dadurch einen tieferen Einblick in diesen Orden. Mit niemandem sprach ich über meine Gedanken, selbst mit meiner Mutter nicht. Als mir dann klar war, dass ich mich einem Orden anschließen möchte, und ich es ihr erzählte, hat sie meinen Entschluss respektiert und mich freigegeben. Es hat mir viel bedeutet, meinen Sehnsuchtsweg gehen zu können, dem Ruf Jesu zu folgen, obwohl ich meine Mutter alleine zurückließ. Diese Erfahrung ihrer mütterlichen Größe ist mir bis heute ein wertvolles und kostbares Lebensvermächtnis.

Welche Arbeit haben Sie gemacht und wo war das?

In der Anfangszeit, dem Postulat, wurde ich häufig in der Verwaltung eingesetzt. In das gemeinschaftliche Leben fügte ich mich ohne Probleme ein, doch ich hatte meine Schwierigkeiten mit manchen Vorschriften, denen wir ohne Begründung folgen mussten. Was ich beispielsweise nur schwer akzeptieren konnte, war die Regel, dass wir bei Tisch das Essen auf den Teller geschöpft bekamen und uns nicht selbst nehmen konnten. Oder dass es kein Briefgeheimnis gab. Wir erhielten unsere Post geöffnet; und Briefe, die wir schrieben, mussten offen abgegeben werden. Nach dem Postulat, das neun Monate dauerte, wurde ich eingekleidet. Bei der Einkleidung erhielten wir die Schwesternnamen. Ich hätte meinen Namen Ruth gerne behalten, weil mein Vater ihn für mich ausgesucht hatte. In der Zeit des Nationalsozialismus galt »Ruth« als jüdischer Name, und es war für ihn nicht leicht gewesen, diesen Namen beim Standesamt genehmigt zu bekommen. Aber damals durfte man die Taufnamen noch nicht behalten.

Als Novizin arbeitete ich im ersten Jahr weiterhin in der Verwaltung. Sowohl in unserer Haushaltungsschule als auch in unserer sozialpädagogischen Berufsfachschule fehlten Lehrkräfte. Die Ordensleitung beschloss, mich zur Lehrerin ausbilden zu lassen. Ich besuchte die Frauenfachschule, studierte danach vier Semester an der Berufspädagogischen Hochschule und war nach dem praktisch-pädagogischen Jahr Hauswirtschaftsoberlehrerin. Junge Menschen zu unterrichten entsprach meinen Fähigkeiten – und die Arbeit in der sozialpädagogischen Berufsfachschule bereitete mir Freude. Meine Schülerinnen nahmen mich gut an. Nach einigen Jahren schloss der Orden diese Schule, weil es in der Stadt inzwischen mehrere Einrichtungen dieser Art gab und dadurch zudem die Plätze für Krankenpflegeschülerinnen erweitert werden konnten. Da ich bereits in der Krankenpflegeschule eingesetzt war, studierte ich nochmals vier Semester Pädagogik und machte meinen Abschluss als Diplom-Pädagogin. Nun unterrichtete ich an der Krankenpflegeschule und außerdem an der inzwischen neu eröffneten Altenpflegeschule des Ordens in Freiburg. Ich übernahm die sozialwissenschaftlichen Fächer: Pädagogik, Psychologie und Soziologie. Danach übernahm ich für einige Jahre die Leitung von Postulat, Noviziat und Juniorat im Orden und war Mitglied des Generalrats.

1994 wählte das Generalkapitel mich zur Generaloberin. Dieses Amt hatte ich zwölf Jahre lang inne. Die Aufgabe umfasste sowohl die Leitung des Schwesternbereiches und die Sorge für die Schwestern als auch die Vertretung der Gemeinschaft nach außen; es ging auch um die Mitwirkung und Verantwortung im Bereich der ordenseigenen Einrichtungen und der Ordensverwaltung. Als ich begann, zählten wir 494 Schwestern, als ich ausschied, waren es noch 247. Ich musste damit umgehen, dass der Orden von Jahr zu Jahr kleiner wurde, und nach Möglichkeiten suchen, mit den Auswirkungen und Folgen realistisch umzugehen. Es war auch ein Weg der Passion, des Leidens der Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu. Es ist viel leichter, etwas aufzubauen und neu zu gestalten als miterleben zu müssen, wie Gewachsenes und Bewährtes zurückgeht. Es ist schwer loszulassen. Was Paulus in der Bibel schreibt: »Wir sind wie Sterbende, und seht: Wir leben«, dies trifft eine Realität unserer Schwesterngemeinschaft, die wir mit Würde leben.

Meine Aufgabe hat mich sehr gefordert und mir große Flexibilität abverlangt. In einer Stunde führte ich ein Einzelgespräch mit einer Schwester oder besuchte eine Kranke, im nächsten Augenblick musste ich mich wieder um Organisation oder um eine Entscheidung bezüglich einer Einrichtung kümmern. Ständig war ein schneller Wechsel zwischen emotionalem Einfühlen und rationalem Entscheiden erforderlich. Das braucht und verbraucht Energie. Spirituelle Inhalte und Impulse gestaltete ich gerne und gab sie an die Schwestern weiter. Leiten heißt für mich nicht nur vorausgehen, sondern auch in der Mitte zu stehen – und manchmal hinterherzugehen und dazu viel um Gottes Geist zu beten. Für weitreichende Entscheidungen, gerade personeller Art, ließ ich mir immer viel Zeit. Es war mir wichtig, auch mögliche Konsequenzen der Entscheidung zu bedenken, die sich für diesen Menschen und sein weiteres Leben daraus ergeben. Ich trug große Verantwortung, doch spürte ich darin die Hilfe Gottes, seine Kraft und seinen Geist und die unterstützende Mitarbeit anderer und das Gebet der Schwestern. So fehlten auch gute und frohe Situationen und Erfahrungen nicht. Nach meiner Zeit als Generaloberin lebe ich nun in Karlsruhe. Ich bringe mich zum einen in der Citypastoral ein, in der sich Menschen über Kirche und Glauben informieren können oder auch ein Gespräch suchen. Zum anderen engagiere ich mich in einer Seelsorgeeinheit, führe Trauergespräche, halte Trauerfeiern und Beerdigungen, Wortgottesdienste, leite Bibelgruppen und führe Einzelgespräche. Ich bin Mitglied im Pfarrgemeinderat und gestalte spirituelle Inhalte in Frauen- und Seniorengruppen.

Was haben Sie in Ihrer Freizeit gemacht?

Ich lese gerne, schreibe Briefe und persönliche Aufzeichnungen, liebe es aber auch, einmal gar nichts zu unternehmen, sondern die Stille wahrzunehmen. Gerne weile ich so in der Gegenwart Gottes. Und wenn ich früher in Ferien zu Hause war, lag ich oft lange im Garten und schaute mir einfach nur den Himmel an und den Wolken zu. Trotzdem bewege ich mich auch gerne in der Natur, und wenn viel Zeit ist, wandere ich. Gespräche mit anderen Menschen bereiten mir Freude und eine Kostbarkeit ist auch einmal ein schönes Konzert.

Was ist gut daran, in einem Orden zu leben?

Gut ist diese Lebensform, wenn ich weiß und erlebe: Das ist mein Weg. Eine echte Berufung muss sich herauskristallisieren, sonst trägt das Ordensleben nicht. Gut ist, dass ich auch innerhalb der Gemeinschaft mein eigenes Menschsein leben und meine persönliche Christusbeziehung pflegen kann. Und ich nehme teil an einem gemeinsamen Auftrag Gottes für die Menschen. Es ist kein Argument, versorgt zu sein oder sich für ein Leben alleine nicht stark genug zu fühlen. In der Bibel findet sich ein schönes Gleichnis vom »Schatz im Acker«: Jesus ist der Schatz und der Orden der Acker. Der Orden ist das Umfeld, in dem ich das, was Gott von und mit mir will, verwirklichen kann. Aber dies muss ich auf meine Weise tun. Jede Schwester hat ihren besonderen Auftrag und bringt dazu ihre persönlichen Fähigkeiten in die Gemeinschaft ein. In und von der Gemeinschaft erfährt sie Angenommensein und Miteinander, Hilfe und Getragensein. Das Gebetsleben, das liturgische und spirituelle Leben kann in Gemeinschaft oft leichter sein als alleine. Wenn ich durch besondere Situationen nicht beten kann, dann weiß ich, dass meine Mitschwestern es für mich tun im Füreinander.

Fühlen Sie sich manchmal einsam?

Einsamkeit gehört auch zum Leben im Orden. Jedes Leben braucht Einsamkeit, auch in einer Partnerschaft und Gemeinschaft. Ich muss bei mir selbst sein können, mich selbst aushalten im Alleinsein. Wenn ich das nicht kann, kann ich auch nicht eigenständig leben. Einsamkeit im positiven Sinne ist etwas, was ich brauche, weil in der Einsamkeit Raum für Gott ist, für Jesus. Es ist der Raum, in dem ich das »Du« erfahre, durch das ich und mit dem ich lebe. Und manchmal gibt es Momente, in denen ich das Du, seine Nähe, ganz direkt spüren darf, ganz kurz nur, aber sehr intensiv; denn oft ist Gott auch sehr fern.

Was waren glückliche Momente in Ihrem Leben?

Meine Zeit, als ich unterrichtete, war eine glückliche Zeit. Es war schön, wenn ich gemerkt habe, dass die Schüler mitgehen, verstehen und gut lernen. Glücklich war ich auch, wenn sich personelle Entscheidungen, die ich treffen musste, als richtig erwiesen und schwierige Situationen gut ausgingen. Andere Menschen begleiten, ihnen beistehen, raten und helfen in Wort und Tat machte...