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Die nackte Wahrheit - Die Enthüllungen eines schwulen Callboys

Aiden Shaw

 

Verlag Bruno-Books, 2012

ISBN 9783867872850 , 255 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

Sommer 1989

Das ›Burlington‹

Samstag

»Psst!«, flüsterte ich. »Sei leise!«

Terrys Mund formte ein Warum?

Ich hielt mir eine Hand hinters Ohr, als würde ich jemanden belauschen, und legte gleichzeitig den Zeigefinger der anderen auf meinen Mund. Vor der Toilettenkabine waren die üblichen Nachtclub-Geräusche zu hören: das Stimmengemurmel der Leute in der Schlange vor dem Klo, Schritte auf Beton, tropfende Wasserhähne und der Herzschlag der Bässe in den Boxen, den ich sogar fühlen konnte.

»Entschuldige Baby«, sagte ich leise, »Ich dachte, ich hätte die Security gehört.«

»Dann beeil dich, und nimm endlich was von dem Koks«, sagte Terry.

Ich beugte mich runter und zog mir die Line rein, die auf dem Toilettendeckel bereit lag. Dann rollte ich den Zehn-Pfund-Schein wieder auf und wollte ihn gerade einstecken, als Terry sagte: »Moment mal! Wenn ich nicht ganz falsch liege, gehört der mir.«

»Hättest du wohl gern!«, erwiderte ich. »Ich wette, bei anderen kommst du mit der Nummer sogar durch.« Ich knuffte ihn freundlich in die Rippen. Unsere T-Shirts hatten wir längst ausgezogen, weil wir high waren und so versuchten, uns abzukühlen und gleichzeitig mit unseren tollen Körpern anzugeben. Ich schlief jetzt seit drei Monaten mit Terry, und ich hatte ihn immer noch nicht über. Das war eine ungewöhnlich lange Zeit für mich und hatte sicher etwas damit zu tun, dass er so verdammt gut aussah. Sein weiches, karamellfarbenes Haar stand ein wenig ab, seine Haut war weich und blass. Aber vielleicht lag es auch an seiner kleinen, roten Nase, die immer den Eindruck erweckte, Terry hätte stundenlang mit jemandem geknutscht. Zudem roch seine Haut selbst in den verrauchtesten Clubs noch nach einem Glas frischer Milch. Das Entzückendste an Terry waren jedenfalls seine Schlafzimmeraugen, die ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit wie jemand aussehen ließen, der gerade erst auf die Welt gekommen war. All das bewirkte, dass ich Terry einfach nur beschützen wollte – und ständig mit ihm ficken konnte.

Terry schnippte den obersten Knopf seiner Jeans auf. »Wenn die Security hier ist«, sagte er, während er an seiner Unterlippe kaute, »bin ich dann jetzt auch vor dir in Sicherheit?«

Ich schüttelte den Kopf. »Vergiss es, mein Freund!«

»Zu Hilfe!«, sagte er melodramatisch.

»Ist das eine Herausforderung?«, fragte ich hoffnungsvoll.

»Weiß nicht …«

Ich presste mich an ihn und drückte ihn gegen die Kabinenwand. Gleichzeitig schob ich ihm meine Zunge so tief ich konnte in den Mund, um ihm klarzumachen, wie sehr ich in ihn rein wollte. Nach ein paar Minuten mussten wir Pause machen.

»Du bist heute so was von drauf«, flüsterte ich.

»Auf dir, wenn ich Glück habe.«

Jemand klopfte an der Tür.

»Tut mir leid, Kumpel«, sagte ich. »Eine Minute noch.« Und nach einer Pause: »Ich hab was Falsches in den Hals gekriegt.« Terry hielt sich die Hand vor den Mund, um ein Lachen zu unterdrücken. »Vielleicht sind’s auch meine Pillen.«

»Kein Ding«, hörte ich von der anderen Seite der Tür in der üblichen Nachtclubverbindlichkeit. Die meisten Leute, die auf eine Kabine warteten, wussten, dass darin vor allem drei Dinge abliefen: Drogen, Sex und Durchfälle von zu viel Ecstasy. Eigentlich hatten Terry und ich nur rasch ’ne Line ziehen wollen, aber er war einfach unwiderstehlich.

Weil ich versuchte, so leise wie möglich zu sprechen, flüsterte ich direkt in Terrys heißes, pochendes Ohr. »Habe ich schon ›Bitte, Bitte‹ gesagt?«

»Musst du wohl!«, antwortete er leise. »Jedenfalls darfst du auch den Hintereingang benutzen. Du hast einen VIP-Ausweis: Access all Areas

»Ist das dein Ernst?«

Terry lehnte seinen Kopf gegen meine Brust und seufzte tief. »Das sind wahrscheinlich nur die Drogen. Und wenn ich nicht ganz falsch liege, werd ich’s morgen früh total bereuen, aber … ja.«

Ich drehte sein Gesicht zu mir. »Du Scherzkeks!«, sagte ich. »Glaubst du echt, ich bin morgen früh schon fertig mit dir?« Mit warnend hochgezogener Augenbraue fügte ich hinzu: »Wenn du das glaubst, überleg’s dir lieber noch mal, Süßer.« Nicht jeder brachte mich dazu, solche albernen Schlüpfrigkeiten abzusondern, aber bei Terry war mir danach. Ich verdrehte meinen Hals und schob mein Gesicht nur wenige Zentimeter vor seins. »Terry«, sagte ich andächtig, »Ich liebe dich …«, nur um nach einer kurzen Pause zu ergänzen: »Und meine E liebt dich auch.«

Er entwand sich mir, rollte die Augen, und wir bekamen einen Lachanfall.

Dann wurde gegen die Kabinentür gewummert. »Ey Typ! Verarsch mich nicht!«, sagte dieselbe Stimme wie eben.

»Tut mir leid!«, sagte ich. »Eine Minute noch.«

»Ich krieg zu viel!«, flüsterte Terry lachend.

»Besser zu viel als nicht genug, oder?«

»Zu viel von dir«, sagte er und machte einen Kussmund, »ist grade genug für mich.«

Ich zog ihn zärtlich an mich heran. »Du hörst mir jetzt mal zu, meine Kleine, schon weil ich viel älter und schlauer bin als du. Zu viel ist erst der Anfang.«

»Du bist ein totaler Spinner«, sagte er mit seinen Lippen auf meinen, sodass ich die Worte nicht nur hörte, sondern auch spürte.

Ich erwiderte à la Clark Gable: »Aber man muss mich einfach lieben.«

»Muss die Kleine das, ja? Na dufte.« Er lächelte beglückt. »Also … von mir aus.«

»Dann sehen wir uns nachher.« Ich entriegelte die Klotür. Bevor ich sie aufdrückte, drehte ich mich um und sagte: »Der Laden hier macht in einer Stunde zu. Dann gehört dein Arsch mir. Super!«

Draußen wartete eine lange Schlange Männer mit ebenso nackten Oberkörpern, und alle waren high. Einige kauten energisch auf Kaugummis rum, die anderen auf den Innenseiten ihrer Wangen. Viele waren sauer, dass wir so lange gebraucht hatten, andere sahen aus, als hätten sie inzwischen schon vergessen, warum sie eigentlich in der Schlange standen. Einer von ihnen stach aus der Masse heraus. Er schien in einer Pfütze zu stehen, die goldenes, weiches Licht reflektierte, und als dieser Engel wirkte er vor den siffigen Toiletten des ›Heaven‹ völlig fehl am Platz.

(In meiner E musste wirklich eine Menge Acid gewesen sein.)

Es war David.

Er war mir in den letzten Monaten schon aufgefallen. Es fiel mir nicht schwer, rumzuvögeln. Die meisten Männer, mit denen ich Sex hatte, waren mir völlig egal, aber nicht dieser Typ. Ich wagte nicht mal den Versuch, ihn abzuschleppen. Deshalb hatte ich das Gefühl, ich müsste ihm nun erklären, warum ich mit einem sexy Typen wie Terry aus einer Kabine kam. Um meine Unsicherheit zu überspielen, machte ich auf cool und pulte mit einem Daumen in einem meiner Nasenlöcher, um zu verdeutlichen, dass Terry und ich gekokst hatten. David lächelte – was nicht viele in den Clubs taten –, und zu meiner absoluten Überraschung wirkte es sogar echt.

Terry merkte nicht, was in mir abging, ging hinaus und ließ mich mit David allein. Ich beugte mich zu ihm und sagte: »Ich …«, unterbrach mich aber selbst, um sicherzustellen, dass uns niemand zuhörte. »Ich finde …« Wieder brachte ich meinen Satz nicht zu Ende. Was wohl daran lag, dass ich wirklich meinte, was ich sagte. Endlich aber brachte ich es über mich: »Ich finde, daß du wunderschön bist.«

David lächelte wieder. »Dankeschön.«

Jemand schob sich zwischen uns hindurch zu den Pissoirs, und im selben Moment wurde eine Kabine frei. David lief darauf zu, drehte sich aber noch einmal um und sagte: »Schön, dass wir uns mal wiedergesehen haben.«

Während sich die Tür hinter ihm schloss, fühlte ich mich wie in der Schlussszene zu einem film noir: Die Kamera zoomte langsam in die Supertotale, und ich blieb allein und nüchtern zurück. Es war nicht schlimm, dass mein High kurzzeitig unterbrochen worden war, denn es war David gewesen, der das verursacht hatte.

Ich schaute kurz in den Spiegel und begab mich dann wieder in die lichtdurchflutete, verrauchte, feuchte Hitze des Clubs. Sobald ich den Raum betrat, war mein High wieder da. Terry musste zu seinen Freunden in den zweiten Stock zurückgegangen sein, aber wir würden uns ja sehen, sobald die Lichter angingen und der Club schloss. Zuversichtlich marschierte ich zurück auf die Tanzfläche, dahin, wo ich Cubus zurückgelassen hatte. Er war einfach auszumachen: Sein Haargel leuchtete im UV-Licht.

Das ›Heaven‹ war eigentlich noch genauso wie zehn Jahre zuvor. Damals war ich dreizehn gewesen, und der Club war der angesagteste der Stadt. Ich kam mir ungeheuer provinziell vor, verglichen mit den Punks, Goths und New Romantics, die hierher gingen. Seitdem war die gesamte Clubszene ein bisschen den Bach runtergegangen, feierte aber gerade ihre Wiederauferstehung. Das lag nicht daran, dass das Licht, die Einrichtung, die DJs oder die Club-Kids besser gewesen wären oder hätten sein müssen. Es lag einzig und allein an einer kleinen Pille namens Ecstasy. Alle Zeitungen schrieben darüber, wie euphorisch E machte, was für schöne Halluzinationen man haben konnte und wie viel emotionaler man durch Ecstasy wurde. Ich fand, das kam ganz auf die jeweilige Pille an. Auf einer schwachen E fühlte ich mich ganz gut, und mir wurde heiß, auf einer starken liebte ich alles und jeden und schwitzte mich tot.

Cubus und ich tanzten, bis die Musik nicht mehr zu unserem High passte. Ich machte...