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Don Quijote von der Mancha - Illustrierte Fassung - Beide Bände

Miguel de Cervantes Saavedra

 

Verlag Null Papier Verlag, 2019

ISBN 9783954180912 , 1659 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz frei

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0,99 EUR


 

Vorrede


Müßiger Leser! Ohne Eidschwur kannst du mir glauben, daß ich wünschte, dieses Buch, als der Sohn meines Geistes, wäre das schönste, stattlichste und geistreichste, das sich erdenken ließe. Allein ich konnte nicht wider das Gesetz der Natur aufkommen, in der ein jedes Ding seinesgleichen erzeugt. Und was konnte demnach mein unfruchtbarer und unausgebildeter Geist anderes erzeugen als die Geschichte eines trockenen, verrunzelten, grillenhaften Sohnes, voll von mannigfaltigen Gedanken, wie sie nie einem ändern in den Sinn gekommen sind? Eben eines Sohnes, der im Gefängnis erzeugt wurde, wo jede Unbequemlichkeit ihren Sitz hat, jedes triste Gelärm zu Hause ist. Friedliche Muße, eine behagliche Stätte, die Lieblichkeit der Gefilde, die Heiterkeit des Himmels, das Murmeln der Quellen, die Ruhe des Geistes tragen viel dazu bei, daß die unfruchtbarsten Musen sich fruchtbar zeigen und dem Publikum Erzeugnisse bieten, die es mit Bewunderung und Freude erfüllen.

Es geschieht wohl, daß ein Vater einen häßlichen Sohn besitzt, der aller Grazie bar ist, und die Liebe, die er für ihn hat, legt ihm eine Binde um die Augen, daß er dessen Fehler nicht sieht, vielmehr sie für witzige und liebenswürdige Züge erachtet und sie seinen Freunden als scharfsinnige und anmutige Äußerungen erzählt. Jedoch ich, der ich zwar der Vater Don Quijotes scheine, aber nur sein Stiefvater bin, ich will nicht mit dem Strom der Gewohnheit schwimmen, noch dich, teurer Leser, schier mit Tränen in den Augen bitten, wie andre tun, daß du die Fehler, die du an diesem meinem Sohne finden magst, verzeihen oder nicht sehen wollest; denn du bist weder sein Verwandter noch sein Freund, hast deinen eignen Kopf und deinen freien Willen wie der Allertüchtigste auf Erden und sitzest in deinem Hause, darin du der Herr bist wie der König über seine Steuergelder, und weißt, was man gemeiniglich zu sagen pflegt: unter meinem Mantel kann ich den König umbringen. Alles dieses enthebt und befreit dich von jeder Rücksicht und Verpflichtung, und so kannst du von dieser Geschichte alles sagen, was dir gut dünkt, ohne zu besorgen, daß man dich schelte ob des Bösen, noch belohne ob des Guten, das du von ihr sagen magst.

Nur hätte ich sie dir gerne bar und nackt geben mögen, nicht aufgeputzt mit einer Vorrede und dem unzählbaren Haufen und Katalog der üblichen Sonette, Epigramme und Lobgedichte, die man den Büchern an den Eingang zu setzen pflegt. Denn ich kann dir sagen, obschon diese Geschichte zu schreiben mich manche Mühe gekostet hat, so erschien mir doch keine größer, als diese Vorrede auszuarbeiten, die du hier liesest. Oft nahm ich die Feder, um sie niederzuschreiben, und oft ließ ich sie wieder fallen, weil ich nicht wußte, was ich schreiben sollte. Und wie ich einmal so unschlüssig dasaß, mit dem Papier vor mir, die Feder hinter dem Ohr, den Ellbogen auf dem Schreibtisch und die Hand an der Wange, erwägend, was ich sagen sollte, da trat unversehens ein Freund von mir herein, ein Mann von Witz und großer Einsicht; und als er mich so nachdenklich sah, fragte er mich um die Ursache. Ich hielt nicht damit zurück und sagte ihm, ich dächte über die Vorrede nach, die ich zur Geschichte des Don Quijote schreiben müsse und um derentwillen ich mich in einem solchen Zustand befände, daß ich sie gar nicht schreiben und ebensowenig die Taten dieses so edlen Ritters ans Licht treten lassen wolle.

»Denn wie könnt Ihr verlangen, daß mich die Vorstellung: ›Was wird jener alte Gesetzgeber, den man den großen Haufen nennt, dazu sagen?‹ nicht ratlos mache, wenn er sehen wird, daß nach so vielen Jahren, seit ich im Schweigen der Vergessenheit schlafe, ich jetzt mit all meinen Jahren auf dem Halse mit einer Mär hervortrete, die da so dürr ist wie Dünengras, aller Erfindung bar, mangelhaft im Stil, arm an geistreichem Spiel der Worte und aller Gelehrsamkeit und Wissenschaft entbehrend, ohne Zitate am Rand und ohne Notate am Schluß des Buches; dieweil doch, wie ich sehe, andre Bücher alles dies haben und, selbst wenn sie fabelhaften und weltlichen Inhaltes sind, so voll von Aussprüchen des Aristoteles, des Plato und der ganzen Schar von Philosophen einhersteigen, daß sie die Leser in Staunen setzen und daß diese deren Verfasser für belesene, gelehrte und wohlberedte Männer halten. Und wie erst, wenn sie die Heilige Schrift anführen! Man möchte nicht anders glauben, als daß sie lauter heilige Thomase sind oder andre Kirchenlehrer, und dabei beobachten sie die Schicklichkeit so geistvoll, daß, wenn sie in einer Zeile einen verliebten Bruder Liederlich gemalt haben, sie in der nächsten ein Stücklein christlicher Predigt hinschreiben, daß es ein Vergnügen und Genuß ist, es anzuhören oder zu lesen. Alles dessen muß mein Buch entbehren, denn ich habe nichts am Rand zu zitieren, nichts am Schluß zu notieren, und noch weniger weiß ich, welchen Autoren ich in meinem Buche folge, um sie, wie alle tun, nach dem Abc an den Eingang zu stellen, beim Aristoteles anfangend und endigend mit Xenophon und mit Zoilus oder Zeuxis – obschon der eine ein Lästermaul und der andre ein Maler war. Auch wird es meinem Buche an Sonetten zum Eingang fehlen, wenigstens an solchen, die von Herzogen, Marquesen, Grafen, Bischöfen, Edeldamen oder weltberühmten Poeten verfaßt wären. Freilich, wenn ich mir solche von zwei oder drei befreundeten Handwerksburschen erbäte, so weiß ich, sie würden sie mir geben, und zwar so gute, daß ihnen die jener Herren nicht gleichkämen, die am meisten Ruf in unsrem Spanien haben.

Kurz, werter Herr und Freund«, fuhr ich fort, »ich habe beschlossen, daß der Herr Don Quijote in seinen Archiven in der Mancha begraben bleiben soll, bis der Himmel jemanden beschert, der ihn mit so vielen Dingen, die ihm jetzt fehlen, ausschmücke; denn ich fühle mich wegen meiner Unzulänglichkeit und meiner mangelhaften literarischen Bildung unfähig, hier abzuhelfen, und bin auch von Natur zu bequem und zu träge, um nach Autoren suchen zu gehen, die da sagen sollen, was ich für mich schon ohne sie sagen kann. Daher kommt’s, daß ich so unschlüssig und aufgeregt war, wie Ihr mich gefunden habt; und sicher war der Grund, den ich Euch dargelegt habe, ein genügender, um mich in solche Zustände zu versetzen.«

Als mein Freund das hörte, schlug er sich mit der flachen Hand an die Stirn, und in ein mächtiges Gelächter ausbrechend, sagte er zu mir: »Bei Gott, Gevatter, jetzt erst werde ich eines Irrtums völlig los, in dem ich die lange Zeit her lebte, seit ich Euch kenne, denn bisher hielt ich Euch immer in allen Euren Handlungen für verständig und besonnen. Aber jetzt sehe ich, daß Ihr so fern davon seid wie der Himmel von der Erde. Wie ist es möglich, daß Dinge von so geringer Bedeutung, und denen so leicht abzuhelfen ist, die Macht haben, einen so reifen Geist zu beirren und zu verwirren wie den Eurigen, der so dazu angetan ist, weit größere Schwierigkeiten zu bewältigen und aus dem Wege zu räumen? In Wahrheit, das kommt nicht vom Mangel an Geschick, sondern aus Überfluß an Trägheit und aus Denkfaulheit. Wollt Ihr sehen, ob ich die Wahrheit sage? Nun, so schenkt mir einige Aufmerksamkeit, und da werdet Ihr finden, wie ich im Handumdrehen all Eure Bedenklichkeiten zunichte mache und Euch alles das herbeischaffe, dessen Mangel, wie Ihr sagt, Euch so verlegen macht und entmutigt, daß Ihr es aufgebt, die Geschichte Eures berühmten Don Quijote, des Lichtes und Spiegels der gesamten fahrenden Ritterschaft, ans Licht der Welt treten zu lassen.«

»Sagt«, entgegnete ich ihm, als ich dies hörte, »auf welche Weise wollt Ihr die Leere meiner Besorgnis ausfüllen und Helle in das Chaos meiner Verlegenheit bringen?«

Darauf antwortete er: »Das erste, woran Ihr Euch stoßt, nämlich daß Sonette, Epigramme oder Lobgedichte Euch für den Eingang des Buches fehlen, und zwar solche, die von Personen von Ansehen und Adel herrühren – dem kann dadurch abgeholfen werden, daß Ihr selbst einige Mühe darauf wendet, sie anzufertigen, und nachher könnt Ihr sie taufen und jeden Namen, der Euch beliebt, daruntersetzen und könnt sie dem Priester Johannes aus Indien oder dem Kaiser von Trapezunt als Kinder unterschieben, da man von ihnen, wie ich weiß, Nachricht hat, sie seien berühmte Poeten gewesen; und wenn sie es auch nicht gewesen wären und wenn es dann ein paar Pedanten und Schwätzer gäbe, die hinterrücks nach Euch beißen und gegen Eure Angabe belfern wollten, so achtet das nicht eines Dreiers wert; denn wenn sie Euch auch die Lüge nachweisen, so werden sie Euch doch nicht die Hand abhauen, mit der Ihr’s geschrieben habt.

Was nun den Punkt betrifft: am Rande die Bücher und Schriftsteller aufzuführen, woraus Ihr die Lehrsprüche und Kernworte entlehnt, die Ihr in Eurer Geschichte anwendet, so braucht es weiter nichts, als es so einzurichten, daß hie und da zu gelegener Zeit etliche Sprüche oder lateinische Brocken vorkommen, die Ihr etwa schon auswendig wißt oder die aufzusuchen Euch doch nur geringe Mühe kostet; wie zum Beispiel, wenn Ihr da, wo Ihr von Freiheit und Gefangenschaft handelt, folgendes hinschreibt:

Non bene pro toto Libertas venditur auro –

und dann gleich am Rande den Horaz anführt, oder wer sonst es gesagt haben mag. Wenn Ihr etwa von der Gewalt des Todes handelt, dann gleich herbei mit:

Pallida mors aequo pulsat pede pauperum tabernas,
Regumque turres.

Wenn von der Freundschaft und Liebe, die Gott befiehlt gegen den Feind zu üben, dann gleich auf der Stelle in die Heilige Schrift hineingegriffen, was Ihr mit einem wenigen von Beflissenheit fertigbringen könnt, und entlehnt nichts Geringeres als Gottes eigene Worte: Ego autem dico vobis: diligite inimicos vestros. Wenn Ihr von bösen...