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Zeichen des Silbers - Mercy Thompson 5 - Roman

Patricia Briggs

 

Verlag Heyne, 2012

ISBN 9783641104634 , 400 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR


 

Der Anlasser beschwerte sich lautstark, als er versuchte, den schweren Motor des alten Buick zu starten. Ich hatte ziemliches Mitleid mit ihm, denn ich wusste genau, wie es ist, außerhalb der eigenen Liga zu spielen. Ich bin eine Kojoten-Gestaltwandlerin in einer Welt von Werwölfen und Vampiren – zu behaupten, ich wäre unterlegen, war noch eine Untertreibung.

»Noch einmal«, wies ich Gabriel an, meinen siebzehnjährigen Bürochef, der auf dem Fahrersitz des Buicks seiner Mutter saß. Ich schnüffelte und wischte mir die Nase an der Schulter meines Arbeitsanzuges ab. Eine Triefnase gehörte im Winter einfach zur Arbeit dazu.

Ich liebe es, Mechaniker zu sein, trotz Triefnase, öliger Hände und allem anderen.

Es ist ein Leben voller Frustration und aufgeschürfter Knöchel, gefolgt von kurzen triumphierenden Momenten, welche die gesamte Mühe wert sind. Hier finde ich die Ruhe vor dem Chaos, zu dem mein Leben sich in letzter Zeit entwickelt hat: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass jemand stirbt, wenn ich dieses Auto nicht reparieren kann.

Nicht mal, wenn es das Auto von Gabriels Mutter ist. Es war ein kurzer Schultag, und Gabriel hatte seine Freizeit dazu verwendet, zu versuchen, das Auto seiner Mutter zu reparieren. Er hatte es geschafft, dass es nicht mehr nur schlecht, sondern gar nicht mehr lief. Dann hatte er einen Freund dazu gebracht, es zu mir zu schleppen, um zu sehen, ob ich es reparieren konnte.

Der Buick gab noch ein paar ungesunde Geräusche von sich. Ich trat von der offenen Motorhaube zurück. Benzin, Feuer und Luft bringen einen Motor zum Laufen – vorausgesetzt, der Motor war nicht tot.

»Er springt nicht an, Mercy«, sagte Gabriel, als hätte ich das nicht schon selbst bemerkt.

Seine eleganten, aber von der Arbeit rauen Hände umklammerten das Lenkrad. Auf seiner Wange war ein Schmierölfleck, und ein Auge war rot, weil er keine Schutzbrille angezogen hatte, als er unter das Auto gekrochen war. Als Belohnung dafür war ihm ein dicker Batzen Dreck – eine Mischung aus rostigem Metall und Öl – ins Auge gefallen.

Obwohl zwei große Standöfen ein wenig gegen die Kälte anbliesen, trugen wir beide Jacken. Man kann eine Werkstatt nicht wirklich warm halten, wenn man den ganzen Tag das Garagentor öffnet und schließt.

»Mercy, meine mamá muss in einer Stunde in der Arbeit sein.«

»Die gute Nachricht ist, dass ich nicht glaube, dass es an etwas liegt, was du getan hast.« Ich trat vom Motorraum zurück und suchte seinen panischen Blick. »Die schlechte Nachricht ist, dass der Wagen auch in einer Stunde nicht laufen wird. Die Geschworenen beraten noch, ob er jemals wieder auf die Straße kann.«

Er glitt aus dem Auto und lehnte sich unter die Motorhaube, als könnte er die kleine Lokomotive damit wie durch ein Wunder wieder zum Laufen bringen. Ich überließ ihn seinen Grübeleien und ging durch den kurzen Flur in mein Büro.

Hinter dem Tresen hing ein dreckiges, ehemals weißes Brett, an dem die Schlüssel der Autos hingen, an denen ich gerade arbeitete – und noch ein halbes Dutzend geheimnisvoller Schlüssel, die schon vor meiner Arbeit in der Werkstatt existiert hatten. Ich nahm mir einen Schlüsselbund, an dem ein quietschbuntes Peace-Zeichen hing, und trottete zurück in die Garage. Gabriel saß wieder hinter dem Lenkrad des Buicks und wirkte, als wäre ihm übel. Ich gab ihm durch das offene Fenster die Schlüssel.

»Nimm den Käfer«, sagte ich. »Sag deiner Mom, dass die Blinker nicht funktionieren und sie Handzeichen geben muss. Und erklär ihr auch, dass sie nicht zu fest am Lenkrad ziehen darf, weil es sonst abgeht.«

Seine Miene wurde störrisch.

»Schau«, sagte ich, bevor er ablehnen konnte, »es ist ja nicht so, als würde mich das irgendwas kosten. Es werden nicht alle Kinder reinpassen« – nicht, dass das beim Buick der Fall wäre; es waren wirklich viele Kinder –, »und die Heizung funktioniert auch nicht richtig. Aber er fährt, und ich benutze ihn nicht. Wir werden nach Feierabend am Buick arbeiten, bis er fertig ist, und diese Stunden kannst du dann bei mir abarbeiten.«

Ich war mir ziemlich sicher, dass der Motor schon auf dem Weg auf den großen Schrottplatz im Himmel war – und ich wusste, dass Sylvia, Gabriels Mutter, sich keinen neuen Motor leisten konnte, genauso wenig wie ein neues Auto. Also würde ich mich an Zee wenden, meinen alten Mentor, damit er seine Magie wirkte. Echte Magie – an Zee war wenig Metaphorisches. Er war vom Feenvolk – ein Gremlin, dessen natürliches Element Metall war.

»Der Käfer ist dein Autoprojekt, Mercy.« Gabriels Protest war schwach.

Mein letztes Projektauto, ein Karmann Ghia, war verkauft. Mit meinem Anteil am Gewinn, den ich mir mit einem fantastischen Lackierer und einem Polsterer geteilt hatte, hatte ich einen Käfer von 1971 und einen VW-Bus Jahrgang 1965 gekauft. Ein bisschen war noch übrig geblieben. Der Bus war wunderschön und lief nicht; der Käfer hatte genau das gegenteilige Problem.

»Ich arbeite sowieso zuerst am Bus. Nimm die Schlüssel.«

Sein Gesicht wirkte plötzlich älter, als es hätte sein sollen. »Nur, wenn du erlaubst, dass die Mädchen jeden Samstag vorbeikommen und putzen, bis wir dir den Käfer zurückgeben.«

Ich bin nicht dämlich. Seine kleinen Schwestern wussten, wie man arbeitet – ich kam bei dieser Abmachung besser weg. »Geh und bring Sylvia das Auto, bevor sie zu spät kommt.«

»Ich komme danach zurück.«

»Es ist spät. Ich gehe nach Hause. Komm einfach morgen zur üblichen Zeit.«

Morgen war Samstag. Offiziell hatte die Werkstatt an den Wochenenden geschlossen, aber ein paar unvermeidliche Ausflüge, um Vampire zu jagen, hatten mein Konto belastet. Also hatte ich in letzter Zeit länger offen gehabt und auch am Wochenende gearbeitet, um ein bisschen zusätzliches Geld zu verdienen.

Der Kampf gegen das Böse macht nicht reich: Meiner Erfahrung nach war sogar das Gegenteil der Fall. Ich hoffte, dass ich mit Vampiren fertig war – der letzte Vorfall hatte mich fast umgebracht und langsam musste meine Glückssträhne mal enden; eine Frau, deren größtes Talent es war, dass sie sich in einen Kojoten verwandeln konnte, sollte nicht in der Oberliga mitspielen.

Ich schickte Gabriel auf den Weg und machte mich daran, die Werkstatt zu schließen. Garagentore zu, Heizung auf sechzehn Grad, Lichter aus. Kassenschublade in den Safe, meine Tasche auf die Schulter. Gerade, als ich die Hand nach dem letzten Lichtschalter ausstreckte, klingelte mein Handy.

»Mercy?« Es war Zees Sohn Tad, der mit einem vollen Stipendium auf eine Eliteuniversität im Osten ging. Das Feenvolk wurde als Minderheitengruppe angesehen, also hatten ihn seine Noten und sein offizieller Status als Halb-Feenvolk dorthin gebracht. Aber er hielt sich dort, weil er hart arbeitete.

»Hey, Tad. Was ist los?«

»Ich hatte gestern eine seltsame Nachricht auf meiner Mailbox. Hat Phin dir etwas gegeben?«

»Phin?«

»Phineas Brewster, der Kerl, zu dem ich dich geschickt habe, als die Polizei meinen Dad wegen Mordverdachts im Knast hatte und du Informationen über das Feenvolk brauchtest, um herauszufinden, wer den Mann wirklich umgebracht hatte.«

Ich brauchte eine Sekunde. »Der Kerl aus dem Buchladen? Er hat mir ein Buch geliehen.« Ich hatte schon länger vor, es ihm zurückzubringen. Nur … wie oft bekam man schon die Chance, ein Buch über das mysteriöse Feenvolk zu lesen, geschrieben von einem Angehörigen des Feenvolks selbst? Es war handgeschrieben, schwer zu entziffern, und ich kam nur langsam voran – und Phin hatte nicht so gewirkt, als wollte er es so schnell wie möglich zurückhaben. »Sag ihm, es tut mir leid, und ich werde es ihm heute Abend zurückbringen. Ich habe später noch ein Date, aber davor kann ich es noch vorbeibringen.«

Es folgte ein kurzes Schweigen. »Eigentlich hat er sich nicht gerade klar ausgedrückt, ob er es nun zurückhaben will oder nicht. Er hat nur gesagt: ›Sag Mercy, sie soll gut auf dieses Ding aufpassen, das ich ihr gegeben habe.‹ Und jetzt kann ich ihn nicht mehr erreichen; sein Handy ist ausgeschaltet. Deswegen habe ich stattdessen dich angerufen.« Er gab ein angewidertes Geräusch von sich. »Die Sache ist die, Mercy: Er schaltet dieses verdammte Telefon nie aus. Er will immer sicher sein, dass seine Großmutter ihn erreichen kann.«

Großmutter? Vielleicht war Phin jünger, als ich gedacht hatte.

»Du machst dir Sorgen«, meinte ich.

Jetzt klang das Geräusch, das er erzeugte, eher peinlich berührt. »Ich weiß, ich weiß. Ich bin paranoid.«

»Kein Problem«, sagte ich. »Ich sollte es ihm sowieso zurückbringen. Aber wenn er nicht länger geöffnet hat als üblich, wird er auf keinen Fall mehr im Laden sein, wenn ich da ankomme. Hast du eine Privatadresse von ihm?«

Hatte er. Ich schrieb sie mir auf und beendete das Gespräch mit Beschwichtigungen. Als ich die Tür abschloss und die Alarmanlage aktivierte, schaute ich zu der versteckten Kamera hoch. Adam würde wahrscheinlich nicht zuschauen  – wenn niemand einen Alarm auslöste, filmten die Kameras ziemlich selbsttätig und schickten die Bilder zur Aufzeichnung weiter. Trotzdem … als ich auf mein Auto zuging, küsste ich meine Handfläche und blies einen Kuss in Richtung der winzigen Linse, die jede meiner Bewegungen beobachtete, und formte mit den Lippen noch ein »Bis heute Abend«.

Mein Liebhaber machte sich auch Sorgen darum, wie gut ein Kojote mit den Wölfen spielen konnte. Dass er ein Alpha-Werwolf war, sorgte dafür, dass er in seiner Sorge ein wenig zu sensibel war – und da er der Chef einer großen Sicherheitsfirma war, die für verschiedene...