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Auf den Schwingen des Adlers - Roman

Ken Follett

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2010

ISBN 9783838703473 , 543 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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ROSS PEROT WAR sein Leben lang ein Glückspilz gewesen.

Am Morgen des achtundzwanzigsten Dezember 1978 saß er in seiner Berghütte in Vail, Colorado, und ließ sich von Holly, der Köchin, das Frühstück servieren.

Die »Blockhütte«, hoch am Abhang eines Berges und halb versteckt in einem Espenwald gelegen, verfügte über sechs Schlaf- und fünf Badezimmer, einen Wohnraum von zehn Meter Länge und einem »Après-Ski-Erholungsraum« mit einem Strudelbad vor dem offenen Kamin – eben ein Urlaubsdomizil.

Ross Perot war steinreich.

Mit tausend Dollar Startkapital hatte er EDS gegründet, und inzwischen waren die Aktien der Firma, von denen er selbst noch immer über die Hälfte hielt, mehrere hundert Millionen Dollar wert. Außerdem war er alleiniger Besitzer der Petrus Oil and Gas Company, deren Rohstoffreserven einen Wert von mehreren hundert Millionen Dollar darstellten, und besaß zahlreiche Grundstücke in Dallas. Wieviel Geld genau er sein eigen nannte, war schwer festzustellen – das hing auch davon ab, wie es gezählt wurde –, aber es war wohl irgendwas zwischen fünfhundert Millionen und einer Milliarde Dollar.

In Romanen werden die Superreichen immer als habgierig, machtbesessen, neurotisch, verhaßt und unglücklich geschildert – vor allem als unglücklich. Perot las kaum einmal einen Roman. Er war ganz einfach glücklich.

Er glaubte nicht, daß das am Geld lag. Zwar glaubte er ans Geldverdienen, an business and profits, denn das war der Motor Amerikas; auch hatte er seine Freude an manchen Spielsachen, die man für Geld kaufen konnte, an seinem Kabinenkreuzer zum Beispiel, den Schnellbooten, dem Hubschrauber –, aber sich in Hundertdollarscheinen wälzen zu können, war nie sein Traum gewesen. Geträumt hatte er allerdings davon, eine Firma zu gründen, die Tausenden Beschäftigung gab, und seinen schönsten Traum hatte er direkt vor Augen: seine Familie, die in diesem Augenblick noch in Thermounterwäsche herumlief und sich zum Skifahren fertigmachte. Da war Ross junior, zwanzig Jahre alt, und Perot war überzeugt, in ganz Texas sei kein prächtigerer Bursche zu finden. Da waren seine 4 – in Worten: vier – Töchter: Nancy, Suzanne, Carolyn und Katherine. Lauter gesunde, intelligente und liebenswerte Kinder. In Interviews hatte Perot verschiedentlich geäußert, er messe seinen Erfolg im Leben an seinen Kindern: Wenn aus ihnen gute Bürger würden, die sich für ihre Mitmenschen engagierten, dann hätte sein Leben einen Sinn gehabt. Die Reporter sagten gewöhnlich: »Zum Kuckuck, wir glauben Ihnen ja, aber wenn wir so’n Schmus bringen, denken die Leser, Sie hätten uns geschmiert!« Und Perot antwortete dann: »Das ist mir egal. Ich sage Ihnen die Wahrheit. Was Sie schreiben, ist Ihre Sache.« Und bis jetzt hatten sich seine Kinder genau seinen Wünschen gemäß entwickelt. Daß sie mit Reichtümern und Privilegien aufgewachsen waren, hatte sie nicht im geringsten verdorben. Es war beinahe ein Wunder.

Und diejenige, die für dieses Wunder verantwortlich war, nämlich Margot Perot, rannte gerade mit Liftkarten, Wollsocken und Sonnenschutzcreme hinter eben diesen Kindern her. Margot war schön, liebevoll, intelligent, eine Klassefrau und perfekte Mutter. Sie hätte ohne weiteres einen John Kennedy, einen Paul Newman, einen Fürsten Rainier, einen Rockefeller heiraten können – statt dessen hatte sie sich verliebt in Ross Perot aus Texarcana, Texas: einssiebzig groß, mit schiefer Nase und nichts als Rosinen im Kopf. Sein Leben lang hatte Perot an sein Glück geglaubt, und wenn er jetzt, inzwischen achtundvierzig Jahre alt, zurückblickte, erkannte er, daß Margot der Haupttreffer gewesen war.

An diesem Weihnachtsfest fiel ein Schatten über sein Glück: Seine Mutter lag im Sterben. Sie hatte Knochenkrebs. Am Abend vor Weihnachten stürzte sie in ihrem Haus, und da der Krebs ihre Knochen geschwächt hatte, brach sie sich die Hüfte und mußte eilends nach Dallas ins Baylor Hospital gebracht werden.

Perots Schwester Bette hatte die Nacht über an der Seite ihrer Mutter gewacht, und am ersten Weihnachtsfeiertag packten Perot, Margot und ihre fünf Kinder den Kombi voller Geschenke und fuhren zum Krankenhaus. Großmutter war so zuversichtlich und gut gelaunt, daß der Tag für alle sehr fröhlich verlief. Am nächsten Tag jedoch wollte sie keinen von ihnen sehen: Sie wußte, sie wollten zum Skilaufen, und bestand darauf, daß sie trotz ihrer Erkrankung fuhren. Margot fuhr am sechsundzwanzigsten Dezember mit den Kindern nach Vail, während Perot in Dallas zurückblieb.

Was folgte, war ein Machtkampf mit seiner Mutter, wie Perot ihn nur zu gut aus seiner Kindheit kannte. Lulu May Perot war nur etwas über einsfünfzig groß und zierlich, doch deswegen nicht weniger hart im Nehmen als ein Feldwebel. Sie erinnerte ihn daran, daß er schwer arbeitete und seine Ferien brauche, worauf er erwiderte, daß er sie nicht allein lassen wolle. Nach einigem Hin und Her griffen schließlich die Ärzte ein und erklärten ihm, er täte seiner Mutter keinen Gefallen, wenn er gegen ihren Willen bliebe. Am nächsten Tag folgte er seiner Familie nach Vail. Wieder einmal hatte sie sich durchgesetzt, ganz so wie früher, als er noch ein kleiner Junge gewesen war.

Sie hatte ihn nie geschlagen. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, daß sie ihn je angeschrien hätte. Ihn zu ängstigen, hatte nicht zu ihren Erziehungsmethoden gehört. Wie eine liebliche Fee, mit blondem Haar und blauen Augen, hatte sie ihn und seine Schwester Bette an die Kette der Liebe gelegt. Wenn sie einen nur ansah, brachte man es nicht über sich, den eigenen Willen durchzusetzen und sie unglücklich zu machen.

Mittlerweile waren ihre Machtkämpfe selten geworden, denn Perot hatte sich ihre Prinzipien längst zu eigen gemacht. Wie eine konstitutionelle Monarchin herrschte Lulu May über ihre Familie, trug die Insignien der Macht und segnete die wahren Entscheidungsträger ab.

Er hatte nicht nur ihre Prinzipien, sondern auch ihren eisernen Willen geerbt. Auch er brauchte den Leuten nur in die Augen zu sehen. Und er hatte eine Frau geheiratet, die seiner Mutter ähnelte, mit einem Unterschied allerdings: Margot beherrschte ihn nicht.

Für seine Mutter konnte Perot im Moment nichts tun. Zwei Jahre zuvor hatte er nach ihrem Schlaganfall an einem Sonntagnachmittag ganz Dallas auf den Kopf gestellt, um den besten Neurochirurgen aufzutreiben und zu ihr ins Krankenhaus zu bringen. Auf Krisen reagierte er eben mit Taten. Aber wenn er nichts tun konnte, war er ebensogut fähig, das Problem auszuklammern, das Unangenehme zu vergessen und sich neuen Aufgaben zuzuwenden. Auch jetzt würde er seiner Familie nicht die Ferien verderben, indem er mit Trauermiene herumlief.

Das Klingeln des Telefons unterbrach seine Gedanken. Er ging in die Küche und nahm den Hörer ab.

»Ross Perot« meldete er sich.

»Ross, hier ist Bill Gayden.«

»Hallo, Bill.« Gayden, ein EDS-Veteran, war der Firma schon 1967 beigetreten. In mancher Hinsicht war er der Inbegriff des erfolgreichen Vertreters: jovial, jedermanns Kumpel, nie einem Witz, einem Drink, einer Zigarettenpause oder einem Pokerspiel abgeneigt. Außerdem war er ein gewiefter Finanzexperte mit einem besonderen Talent für Akquisitionen, Fusionen und Transaktionen, weswegen Perot ihn zum Präsidenten von EDS World ernannt hatte. Gaydens Sinn für Humor war unbezwingbar – selbst in den heikelsten Situationen fiel ihm immer noch etwas Lustiges ein. Jetzt aber klang er ziemlich bedrückt.

»Ross, wir haben Probleme.«

Das war ein geflügeltes Wort bei EDS. Wir haben Probleme hieß soviel wie: Wir stecken ganz schön in der Klemme.

»Es geht um Paul und Bill«, fuhr Gayden fort.

Perot wußte sofort, was damit gemeint war. Die Machenschaften, mit denen man seine beiden ranghöchsten Mitarbeiter im Iran am Verlassen des Landes gehindert hatte, waren mehr als undurchsichtig; die Sache hatte ihn sogar am Krankenbett seiner Mutter beschäftigt.

»Aber sie sollen doch heute ausreisen dürfen.«

»Sie sind verhaftet worden.«

Die Wut manifestierte sich zunächst als kleiner, harter Knoten in Perots Magengrube. »Also, Bill, man hat mir doch versichert, sie dürften den Iran sofort nach ihrem Verhör verlassen. Jetzt erklär mir mal, wie das passieren konnte.«

»Die haben sie einfach ins Gefängnis geworfen.«

»Aufgrund welcher Anklage?«

»Darüber haben sie sich nicht ausgelassen.«

»Und auf welches Gesetz haben sie sich dabei berufen?«

»Das haben sie nicht gesagt.«

»Und wie kriegen wir sie wieder raus?«

»Die Kaution ist auf neunzig Millionen Toman festgesetzt worden, Ross. Das sind zwölf Millionen siebenhundertundfünfzigtausend Dollar.«

»Zwölf Millionen?«

»Genau.«

»Und wie, zum Teufel, ist es dazu gekommen?«

»Ross, ich habe eine halbe Stunde lang mit Lloyd Briggs telefoniert und versucht, das herauszukriegen, aber Tatsache ist, daß Lloyd es selbst nicht versteht.«

Perot schwieg. Von seinen Managern erwartete er Antworten, keine Fragen. Und Gayden würde sich hüten, ihn anzurufen, ohne sich vorher umfassend informiert zu haben. Im Moment würde er nicht mehr aus Gayden herausbekommen. Gayden hatte alles gesagt, was er wußte.

»Sag Tom Luce Bescheid. Er soll ins Büro kommen«, sagte Perot. »Und ruf das Außenministerium in Washington an. Diese Angelegenheit hat...