dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Halders Ruh

Ulrich Ritzel

 

Verlag btb, 2010

ISBN 9783641035020 , 256 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

6,99 EUR


 

"Tokajer für Kuhlebrock (S. 65-66)

Es ist noch früh, aber auf den Milchglasscheiben des Badezimmerfensters liegt ein erster Widerschein der Morgenröte und lässt sie rosenfarben schimmern, als seien sie aus Transparentpapier. Das wird nun doch ein schöner Tag, denkt Bernhard Contz und schaltet die Neonröhren ein. Aseptisches Licht flutet über Fliesen, Spiegel und Armaturen. Contz geht zu dem vorderen der beiden Handwaschbecken und zieht den beleuchteten Rasierspiegel aus seiner beweglichen und exakt einstellbaren Halterung zu sich her, so kann er sich rasieren, ohne sich über das Becken beugen zu müssen. Wie immer rasiert er sich nass, wie immer mit großer Sorgfalt, das ist an diesem Tag nicht anders als sonst, nur einmal im Urlaub auf Lanzarote hat er sich einen Kinnbart stehen lassen.

Aber Verena mochte es nicht, und im Geschäft wäre es sowieso undenkbar. Für einen Augenblick lässt Contz das Rasiermesser sinken und betrachtet sein noch halb von Rasierschaum bedecktes Gesicht im großen Spiegel. Nicht dass es bei Zainer Technologies eine Kleiderordnung gäbe oder irgendetwas in dieser Art, lächerlich! Es ist einfach so, dass ZT-Professionals keinen Bart tragen, das ergibt sich allein schon aus der selbstverständlichen Zurückhaltung dem Kunden gegenüber. Er zieht den Rasierspiegel näher zu sich heran, jedes Mal freut er sich über die leichtgängige und doch präzise Handhabung, denn auch der verstellbare Rasierspiegel ist ein ZT-Produkt, wenn auch eines aus der Palette der kleinen Alltagshilfen.

ZT führt zusammen, was zusammengehört, ein Spiegel gehört an die Wand und ein Rasierspiegel vors Gesicht. Direkt unter dem rechten Nasenflügel ist ein Mitesser, eindeutig ist es ein Mitesser, er legt den Rasierapparat zur Seite und versucht, den Mitesser mit den Spitzen der beiden Zeigefinger auszudrücken, aber der Mitesser rührt sich nicht, zu lange will er es nicht versuchen, denn das gäbe eine Druckstelle, und er kann nicht den ganzen Tag an seiner Nase entlang schielen, ob man da noch etwas sieht, die Gespräche in der Zentrale werden auch so schwierig genug.

Es müsste für solche Zwecke, denkt er, ein handliches kleines Gerät geben, eine Art Druck- und Zugzange, mit einer kleinen hydraulischen Vakuumpumpe, alles in Edelstahl, mit dem ZT-Logo, er müsste es Kuhlebrock vortragen, mit ganz ernstem Gesicht, der sammelt ja solche absurden Vorschläge, ganz sicher werden sie sich heute in der Mensa I treffen und noch einmal über die schönen Tage in Budapest reden, wo sie damals die Hungaro-ZT aufbauten.

Aber er sollte vorher noch den kleinen Umweg zu Altweggers Weinhandlung machen und eine Flasche von dem Tokajer mitnehmen, den man nur dort bekam, gerade in den Zeiten musste man Gesicht zeigen und Haltung... Einmal hatten sie wegen eines Auftrags von Magyar Truck um eine Flasche Tokajer gewettet, bis heute weiß Contz nicht, warum er sich darauf eingelassen hatte, er wettet sonst nie, aber Kuhlebrock hatte ihn dazu gebracht.