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Perry Rhodan 2522: Winter auf Wanderer - Perry Rhodan-Zyklus 'Stardust'

Uwe Anton

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2011

ISBN 9783845325217 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

1,99 EUR


 

1.


Stardust-System, Aveda, 24. Januar 1463 NGZ

 

Ras Tschubai riss die Augen auf und starrte mich an. Sein Blick ging mir durch Mark und Bein. Ich glaubte, Verzweiflung darin zu erkennen, Verwirrung und ... ja, auch Angst.

Die Angst eines Toten. Die Angst vor dem, was er bei der Rückkehr ins Leben durchmachen musste. Wir hatten seine sterblichen Überreste gefunden, vor fast 300 Jahren, und für eine würdige Bestattung gesorgt. Und nun lag er da, auf einem Medobett.

Ich sah ihm in die Augen und stellte zweifelsfrei fest, dass er mich erkannte.

Tausend Fragen lagen mir auf der Zunge. Was ist mit dir geschehen, nachdem du gestorben bist? Wie war es, als du in ES aufgegangen bist? Denn dass die Superintelligenz sein Bewusstsein zu sich geholt hatte, stand fest. Sonst würde er kaum vor mir liegen, wieder körperlich und lebendig geworden, und mich ansehen.

ES hatte ihn zurückgeschickt. Aber warum?

Ich stellte keine einzige der tausend Fragen, die in mir brannten. Fragen, die vielleicht an die letzten Geheimnisse der menschlichen Existenz kratzten, die den Sinn des Lebens betrafen ... und das, was – vielleicht – danach kam. Wobei die Aufnahme ins Bewusstseinskollektiv einer Superintelligenz zweifellos ein Sonderfall war. Das was kein normaler Tod ...

Ich konnte es nicht. Vielleicht hatte ich sogar Angst vor den Antworten. »Ras«, flüsterte ich nur.

Das Gesicht des Teleporters schimmerte feucht, als würde er von hohem Fieber geplagt. Seine Haut war tiefschwarz, doch sie kam mir irgendwie fahl vor, kränklich. Wie die eines Sterbenden, der mit bedrückender Endgültigkeit wusste, dass seine letzte Stunde geschlagen hatte.

Aber bei Ras war es genau anders herum! Er war erst vor Kurzem ins Leben zurückgekehrt. Und das schien ihm zu schaffen zu machen, ihn stark zu beeinträchtigen.

Wundert dich das?, fragte ich mich. Zurück von den Toten?

Mitte Oktober 1169 NGZ hatte sein Herz zu schlagen aufgehört, war er an rapidem Zellverfall gestorben. Damals war die Superintelligenz ES stark verwirrt gewesen und hatte sämtliche Zellaktivatoren von ihren Trägern zurückgefordert und danach abgeschaltet. Ras und seinem Freund und Kollegen vom Mutantenkorps Fellmer Lloyd war es nicht gelungen, rechtzeitig Wanderer aufzusuchen, um sich einer erneuten Zelldusche zu unterziehen. Im Dezember hatte ich mit einigen Begleitern schließlich auf einer linguidischen Kolonialwelt die schreckliche Gewissheit erhalten, dass sie es nicht mehr geschafft hatten.

Wir hatten ihre Raumanzüge gefunden – und darin jeweils einen kleinen Haufen Asche und einen Zellaktivator, der seine lebensverlängernde Wirkung verloren hatte.

Jeder noch ein ausgebranntes Ei aus Metall.

Dass Ras und Fellmer nach ihrem Tod in der Superintelligenz aufgegangen waren, war uns spätestens seit April 1291 NGZ klar, als ES die beiden gemeinsam mit anderen paranormal Begabten kurzzeitig freigesetzt hatte, damit sie im Kessel von DaGlausch und Salmenghest zur Unterstützung der Superintelligenz eingreifen konnten. Ich wusste die alten Freunde also wohl behütet, wenngleich der Verlust mich sehr schmerzte. Weshalb also nun eine Rückkehr unter solch dramatischen Umständen? Denn nun lag Ras Tschubai vor mir, auf den ersten Blick mehr tot als lebendig, bestimmt nicht gesund, aber bei Bewusstsein und ansprechbar.

Hoffte ich zumindest.

»Ich bin da, Ras«, sagte ich und suchte nach weiteren Worten. Jetzt wird alles gut ...

Nein, das klang abgedroschen und entsprach keineswegs der Wahrheit. Ich wusste nicht einmal, wieso er zurückgekehrt war. Wieso ES ihn zu uns geschickt hatte, was die Superintelligenz mit ihm vorhatte. Sollte er uns lediglich eine Nachricht überbringen und würde dann wieder zu ihr zurückkehren? Oder hatte sie vorgesehen, dass er länger bei uns blieb, vielleicht sogar für immer?

Ich wusste es nicht, und ich durfte ihm keine Versprechungen machen, die ich nicht halten konnte. Ich konnte ihm keine Erlösung verheißen, nicht einmal Hilfe. Aber vielleicht konnte ich ihm ein wenig Trost spenden, ihm zumindest zeigen, dass ich für ihn da war.

»Wie kann ich dir helfen? Was kann ich für dich tun? Du hast mich gesucht?«

Einen Moment lang schien er nicht zu verstehen, was ich gesagt hatte. Er sah weiterhin in meine Richtung, doch sein Blick schien durch mich zu gleiten, als sei ich gar nicht vorhanden.

Dann setzte er sich abrupt auf. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor der plötzlichen Bewegung zurückzuschrecken.

»P... Perry?«, fragte er ungläubig. »Bist du es wirklich? Du bist also doch hier? Du bist gekommen? Wir haben schon nicht mehr damit gerechnet ...«

Wir ...? Also hatte ich es tatsächlich mit einem Konzept zu tun!

»Natürlich, Ras«, antwortete ich sanft. »Du hast schließlich nach mir gefragt. Ich bin sofort gekommen, als man mir mitgeteilt hat, dass du wieder bei Bewusstsein bist. Ich lasse doch keinen alten Freund im Stich. So gut müsstest du mich kennen.«

Der schwarze Hüne schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein. Nicht Ras. Ich bin's ... Fellmer. Fellmer Lloyd. Ras ist ... Ras ist ...« Er verstummte hilflos, als hätte er schon wieder vergessen, was er sagen wollte.

»Fellmer?«

Whistler hatte mir berichtet, dass Ras Tschubai bei seinem ersten Erscheinen behauptet hatte, er sei Fellmer Lloyd.

Bei der Gestalt vor mir handelte es sich also tatsächlich um eine Art Konzept, wie ich es vermutet hatte. Zwei – mindestens zwei! – Bewusstseine, die ES in einen Körper gepackt und freigesetzt hatte. Fellmer und Ras waren gemeinsam gestorben. Da schien es nur logisch, dass sie auch gemeinsam materialisierten.

Andererseits ... was war bei einer Superintelligenz schon logisch, gerade bei einer wie ES?

Und warum sollte ES nun damit anfangen, früher aufgenommene Bewusstseine wieder freizusetzen? Was steckte dahinter? Konnte die Superintelligenz ihre Mentalsubstanz nicht mehr halten? Oder wollte sie uns helfen, indem sie uns wieder Mutanten zur Verfügung stellte? Stand uns eine so gewaltige Aufgabe bevor, dass wir sie ohne die Hilfe paranormal Begabter nicht bewältigen konnten? Fragen über Fragen, aber keine einzige Antwort.

Noch nicht.

Hinter mir räusperte sich Timber F. Whistler leise, doch ich drehte mich nicht um. Der Administrator des Stardust-Systems hatte Mondra und mich bei unserer Ankunft in der Medostation von Ares-Alpha in Empfang genommen und kurz ins Bild gesetzt. Als Ras endlich erwacht war, hatte Whistler mich sofort informieren lassen, und wir waren umgehend von dem neu entdeckten Polyport-Hof in Far Away nach Aveda zurückgekehrt.

»Perry«, sagte Fellmer Lloyd im Körper von Ras Tschubai. »Wir müssen ... wir müssen ... zu ES ...«

Hilflos sah er mich an. Dann schloss er die Augen, und sein Oberkörper erschlaffte, als hätte man jede Spannung aus ihm gezogen. Er fiel zurück auf das Medobett.

 

*

 

Ich hatte schon längst bemerkt, dass Whistler sich in meiner Gegenwart irgendwie unbehaglich fühlte. Schon vom ersten Augenblick an, als er mich im Stardust-System begrüßt und ich ihn mehr oder weniger unsensibel gefragt hatte, wieso er noch unter den Lebenden weile. Er hatte etwas vom »Goldenen Regen« der Superintelligenz ES gemurmelt, aber das hatte ich ihm keine Sekunde lang abgekauft.

Ich vertraute meinem Instinkt. Konkrete Verdachtsmomente hatte ich keine.

Einerseits schien er froh zu sein, dass ich endlich die Fernen Stätten erreicht hatte, ihm vielleicht mit Rat und Tat zur Seite stehen, ihm wichtige Fragen beantworten konnte. Andererseits schien er mir etwas zu verheimlichen, wenn meine Menschenkenntnis mich nicht trog.

Aber was?

Nun, da der Mutant wieder das Bewusstsein verloren hatte, wandte ich mich endlich an ihn. »Du wolltest etwas sagen, Timber?«

Der etwa 240 Jahre alte Terraner zögerte kurz, als überlege er, ob es der richtige Moment sei, mir reinen Wein einzuschenken. Dann schien ihn aber der Mut zu verlassen.

»So verhält er sich, seit er zum ersten Mal erwacht ist.«

Da stand er vor mir, jener Mann, der die Übersiedlung von über 800 Millionen Bewohnern des Solsystems nach Stardust bewirkt hatte. Stardust war für ihn die Chance auf ein Utopia, einen neuen Anfang für einen Teil der Menschheit, in einer von ES garantierten Sicherheit.

Einer Sicherheit, die etwa 116 Terra-Standardjahre gewährt hatte. Nun sah sich das kleine Sternenreich direkt an mehreren Fronten bedroht. Und das Ausmaß dieser Bedrohungen ließ sich nicht genau abschätzen.

Er hatte an seine Vision geglaubt, glaubte noch immer daran. Doch er verschwieg mir etwas, hielt etwas vor mir zurück.

Warum? Was verheimlichte er?

Darüber konnte ich später nachdenken. Unser primäres Interesse musste zurzeit dem Konzept der beiden Mutanten gelten, des Teleporters einer- und des Telepathen und Orters andererseits.

Icho Tolot räusperte sich. Auf eine durchaus angenehme Weise, musste ich ihm zugutehalten. Offensichtlich unterhielten sich alle Lebewesen, auch Haluter, in einer Medostation am liebsten nur flüsternd.

»Ich habe die vergangenen drei Tagen genutzt und mir einen Überblick verschafft«, sagte er. »Die Lage im Stardust-System hat sich in dieser Zeit stabilisiert, hier besteht kein dringender Handlungsbedarf.«

»Sie ist hoffnungslos, aber nicht ernst?«, warf Mondra ironisch ein.

Auch wegen solcher Bemerkungen liebte ich die ehemalige Artistin und TLD-Agentin. Sie verstand es, eine verfahrene Situation...