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Perry Rhodan 2673: Das 106. Stockwerk - Perry Rhodan-Zyklus 'Neuroversum'

Hubert Haensel

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2012

ISBN 9783845326726 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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1,99 EUR


 

1.


 

Reginald Bull stand vor der Panoramascheibe seines Büros hoch oben in der Solaren Residenz. Er genoss den Eindruck direkter Sicht durch das makellose Glasverbundmaterial: Nichts außer dieser unsichtbaren Barriere trennte ihn von den wehenden Dunstschwaden dort draußen, durch die immer mehr kleine Schneeflocken tanzten.

Für kurze Zeit fraß sich sein Blick im Südwesten fest, wo eigentlich Sol am Himmel ihr Licht verströmen sollte.

Die Sonne war da, aber sie blieb unsichtbar – ein schwarzer Stern ohne Leuchtkraft, ohne Wärme. Am 30. September hatten die Spenta das Zentralgestirn gelöscht und damit eine Katastrophe für Terra heraufbeschworen; nun zeigte der Kalender bereits den 1. Dezember, aber Sol war nach wie vor äußerlich tot.

Eine erloschene Sonne ...

Die meisten Terraner hatten sich mittlerweile damit abgefunden, dass ihre Heimat ohne den Pulk der eigenen Kunstsonnen längst zum Eisblock erstarrt und alles Leben an der Oberfläche unmöglich geworden wäre.

Damit abgefunden ... das ist etwas völlig anderes als daran gewöhnt ...

Es gab Dinge, an die gewöhnte man sich nie. Sogar solche, die nicht annähernd so bedeutend waren wie eine erloschene Sonne.

Terrania ertrank im trüben Nachmittag. Ein rötlich düsterer Schimmer überzog den Himmel, als wolle er das Ende aller Tage ankündigen.

Bull verschränkte die Arme vor dem Leib. Er zwang sich zur Ruhe. Ob er es wahrhaben wollte oder nicht, er dachte immer wieder daran, sich mit der Wut des in die Enge Getriebenen zu verteidigen. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Einfach draufschlagen. Als ob wir nichts mehr zu verlieren hätten.

Wie oft hatten fremde Mächte Terra schon eins auf die metaphorische linke Wange gegeben? Und wie oft hatte die Mutterwelt der Menschheit das nicht nur ertragen, sondern auch noch die rechte Wange hingehalten? Dazu war man einmal in der Lage, sogar ein zweites Mal und öfter, aber irgendwann ...

Irgendwann läuft das Fass über. Selbst der Friedlichste sucht dann nicht länger nach Lösungen, sondern schlägt zurück. Weil es keine Rolle mehr spielt, ob er den Kampf gewinnt oder verliert. Er muss ganz einfach handeln, will er sich selbst jemals wieder in die Augen sehen.

Mit einem knappen Kopfschütteln wischte Bully die Feststellung beiseite. So reizvoll der Gedanke sein mochte, etwas zu tun, wusste er genau, wie schnell das in eine Sackgasse führte. Wenn er sich mit so etwas ernsthaft befasste, wirkte er nicht nur auf andere, sondern auch auf sich selbst nur wie ein Verzweifelter.

Und das würde er nicht zulassen.

Es blieb dabei: ein Schritt nach dem anderen.

Der TLD-Tower war das nächste Ziel.

Er blickte hinaus in das stärker werdende Schneetreiben, in dem plötzlich grün leuchtende Zahlen auftauchten: 1. 4. 0. 0.

Für einen Moment war er verwirrt, dann erleichtert. Der Servo projizierte die Uhrzeit seines nächsten Termins.

»Sollen reinkommen«, sagte er in den Raum hinein.

Dann drehte er sich um, sodass er die Tür genau im Blick hatte. Sekunden darauf öffnete sie sich, und drei Personen betraten das Büro; die ersten beiden selbstsicher und dennoch höflich, harmonisch gemeinsam und gleichzeitig wie um den Vortritt rangelnd. Der dritte hielt sich etwas im Hintergrund. Bull registrierte all das, ohne es zu thematisieren. Die beiden merkten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal, was sie da taten.

Instinkte ..., dachte Reginald Bull, der Solare Resident.

Shanda kam auf ihn zu. Die schlanke, hochgewachsene junge Frau nickte knapp. Ihr Blick ging an ihm vorbei.

»Schnee«, sagte sie. »Wenigstens die Kinder haben Spaß daran. Die meisten Erwachsenen sehen ihn als Sinnbild der Katastrophe.«

»Zum Glück sind wir nicht so weit, dass Terrania im Schnee versinkt«, widersprach der Resident.

»Schnee hat etwas Faszinierendes«, sagte der zweite Besucher mit seiner unverkennbaren dunklen Stimme. Er trat mit ein paar schnellen Bewegungen an Bull vorbei und presste die flache Hand gegen die Scheibe. Langsam ließ er die Finger auseinanderwandern, als wolle er die Kälte spüren, die dort draußen herrschte.

»Delorian schickt mich, wenn auch ohne Geschenkverpackung, Reginald Bull«, sagte er, ohne den Residenten anzusehen. »Er meint, du wirst ihm die fehlende Schleife nachsehen.«

Shanda Sarmotte ließ sich in den ersten Sessel der kleinen Besprechungsecke sinken. Mit einer schnellen Handbewegung wischte sie ihr scheitellos fallendes glattes Haar hinters Ohr zurück. Ein breites Lächeln erschien auf ihren Zügen, als sie die beiden Männer betrachtete wie ein interessierter Zuschauer. Und genau das war sie ganz sicher nicht.

»So. Meint Delorian. Ist das so?« Bully kratzte sich an der Schläfe. »So, wie er meint, dass sich das einzige funktionstüchtige Transitparkett und damit die einzige Möglichkeit, ins Herz der Sayporaner vorzustoßen, im Tower des Terranischen Liga-Dienstes befindet?«

»Ach, Effendi«, sagte Toufec und klopfte ihm auf den Rücken. »Du bist ein sehr humorvoller Mann, sagt man. Ich werde versuchen, deinen Humor zu verstehen. Aber ich mag ihn.«

»Effendi?«, echote Reginald Bull.

»Gib zu, du hast die ganze Zeit daran gedacht, jemand, der wie ich aussieht, müsse auch ständig so etwas sagen.«

Toufec war nicht sehr groß, dafür kompakt und muskulös gebaut. Mittlerweile kannte Bully die Geschichte des Mannes, dessen Heimat zwar auf der Erde lag, nur keineswegs in der Jetztzeit, sondern Mitte des 6. Jahrhunderts vor Christus. Toufec war nicht pflegeleicht, ein Naturbursche eben, den die raue arabische Wüste geprägt hatte, doch Bully vertraute ihm instinktiv.

»Ja, Hadschi Halef Omar ...«, murmelte Bull. Eigentlich bewegte er nur die Lippen, weil er plötzlich zu wissen glaubte, woran Toufec ihn erinnerte, aber der Beduine hatte Ohren wie ein Luchs.

»Von wem sprichst du?«, hakte Toufec nach. Mit beiden Händen wühlte er durch seinen schwarzen Vollbart, als müsse er das verfilzte Gestrüpp wenigstens hin und wieder von ungebetenen Gästen befreien. »In Marib habe ich von einem Abu Omar reden hören, einem Karawanenführer, dem viele Überfälle nachgesagt ...«

Mit einer knappen Handbewegung schnitt Bull dem Beduinen das Wort ab. »Unwichtig. Das war nur eine ferne Erinnerung an eine fiktive Figur.«

Eine sehr ferne Erinnerung, gestand Bully sich ein. Wie alt mochte er gewesen sein, als ihm eines von Karl Mays Werken in die Hände gefallen war? Fünfzehn? Zwanzig? Er wusste es nicht mehr. Nur an den Titel der in deutscher Sprache geschriebenen Reisegeschichte erinnerte er sich: Durchs wilde Kurdistan. Jemand in seinem Bekanntenkreis hatte sich als Übersetzer versucht.

»Wähl dir einen Reisebegleiter und dann erst den Weg«, sagte Toufec. »Hast du gut gewählt, wirst du dein Ziel wohlbehalten erreichen.«

»Ich denke, ich habe gut gewählt«, bestätigte Reginald Bull.

Toufecs dunkle Augen verengten sich. »Du denkst?«, fragte er schroff. »Überzeugt solltest du sein!«

»Es liegt an dir, mich zu überzeugen. An dir und deinem Dschinn.«

Ganz betont wandte er sich von ihm ab und dem dritten Besucher zu: Hevaistos a Gellman gehörte zu den Kräften, die Vashari Ollaron für die Eroberung des TLD-Towers eingesetzt hatte. In Bulls Plänen kam ihm die Rolle des Einsatzleiters zu.

Er war ein knorriger Mann, der vom Äußeren her etwa doppelt so alt wirkte, wie er tatsächlich war, und von seiner inneren Flamme her so jugendfrisch wie ein knapp Zwanzigjähriger. Ein auf Terra geborener Marsianer der a-Klasse, so absurd es klang.

»Nehmt Platz.« Reginald Bull wartete, bis jeder sich gesetzt hatte.

»Nur wir vier«, sagte er. »Deshalb habe ich euch in mein Büro gebeten und nicht in Raum Eins-Eins. Es geht weniger um Einzelheiten des bevorstehenden Einsatzes als darum, dass wir uns gegenseitig einschätzen können. Außerdem dürfte Toufec Fragen haben.«

»Für mich ist der TLD-Tower tatsächlich wie eine verborgene Oase«, bestätigte der Beduine.

»Wir sind gemeinsam im Antigravlift nach oben gekommen und konnten uns dadurch bereits bekannt machen«, sagte Gellman. »Und wer kennt den Schatten Toufec und seine Aktivitäten nicht?«

 

*

 

»In Terrania steht also mittlerweile der dritte Tower des Liga-Dienstes«, stellte Toufec fest. »Und jedes dieser Gebäude wurde tief in den Wüstenboden eingegraben, als gälte es, alle Spuren eines Überfalls zu beseitigen?«

»Nicht beseitigen.« Shanda Sarmotte lachte hell. »Verhindern. Der TLD-Tower ist dafür da, Überfälle zu verhindern.«

Toufec schenkte der jungen Frau sein mitfühlendstes Lächeln. »Etwas, das niemand sehen kann, übt keine Wirkung aus«, kommentierte er. »Offensichtlich konnte keiner verhindern, dass der so sorgfältig vergrabene Schatz von den Sayporanern vereinnahmt wurde.«

»So kann man es durchaus sehen«, warf Gellman ein. »Aber das ist nur eine Seite der Medaille, kein komplexes Bild der Geschehnisse.«

»Was geschah mit den anderen versenkten Bauwerken?«, fragte Toufec.

»Der originale TLD-Tower befindet sich in einer fernen Galaxis«, antwortete Reginald Bull. »Um es salopp auszudrücken, er wurde mitsamt eines größeren Areals ...«

»Abtransportiert?«

»Gestohlen!«

Toufec zog die Lippen zurück. Es sah aus, als lache ein Kamel. Ein ausgesprochen spöttisches Kamel. Aber er sagte nichts.

»Der zweite Tower wurde als Ausweichquartier auf dem Mond errichtet«, fuhr Bull fort. »Genügt das als Information?«

»Er...