dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Perry Rhodan-Action 2: Kristallmond-Zyklus

Frank Borsch, Marc A. Herren, Achim Mehnert, Hans Kneifel, Timothy Stahl, Christian Montillon, Andreas Kasprzak, Hermann Ritter

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2012

ISBN 9783845332253 , 768 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

12,99 EUR


 

1.


5. Juni 2167

 

Der junge Bewohner des Planeten Tarkalon, keine zwanzig Jahre alt, sprach mit Perry Rhodan, als wäre er ein erfahrener Lehrmeister, der einen neuen Schüler in eine gefährliche Kunst einweist. Und das tat er auch. Der Mann mit dem glatten Kindergesicht war der Beste der Wolkenreiter, und Rhodan war ein Anfänger, der bislang nicht mehr vorweisen konnte als den Mut, auf die Herausforderung Bentons und seiner Kameraden einzugehen.

»Wie steigst du auf den Strahl?«, fragte Benton.

»Ich gehe an den Absprungpunkt«, antwortete Rhodan und zeigte auf das Loch im Boden des Platzes, einige Schritte von ihnen entfernt.

Es schimmerte etwas feucht. Seine Ränder waren mit Kalk belegt, verfärbt von Bakterienkulturen. Der Kalk versah die Kanten der Explosion, die das Loch einst geschaffen hatte, mit Rundungen, die ihnen die Schärfe nahm.

»Einfach so?«

»Nein. Ich höre auf einen erfahrenen Wolkenreiter wie dich.« Rhodan fühlte sich frei und unbeobachtet. Zu Recht: Er hatte sowohl den Provisorischen Verweser Tarkalons als auch die Kamerasonden, die jeden seiner Schritte auf dem Planeten begleiteten, abgeschüttelt.

Benton hörte die Ironie aus Rhodans Worten nicht heraus. »Und wenn kein Wolkenreiter in der Nähe ist?«

»Dann warte ich ab.«

»Wie lange?«

»Eine Stunde oder auch fünf oder auch zehn. So lange, bis ich den Rhythmus der Eruptionen des Geysirs verinnerlicht habe.«

Rhodan schwitzte. Die Sonne Tarkalons stand hoch am Himmel, sie brannte nahezu senkrecht auf den Platz in dem Ruinenfeld, der von der Stadtmitte Tarkals übrig geblieben war. Der Anzug war steif, und die Panzerplatte drückte ihm auf den Magen. Wie alles auf Tarkalon war er improvisiert, zusammengeschneidert aus einem halben Dutzend defekter Kampfanzüge und einem Bruchstück der Panzerung eines Angriffsgleiters.

»Gut, du hast den Rhythmus erkannt. Was tust du dann?«

»Ich gehe zum Absprungpunkt«, sagte Rhodan und fügte hastig hinzu, bevor Benton ihn unterbrechen konnte: »Aber ich sehe nicht in den Geysir. Darauf wartet er nur.«

»So ist es. Sieh niemals in das Loch, niemals in die Schwärze. Du kannst nicht wissen, was dort unten auf dich lauert.« Der Tarka gab ihm ein Zeichen und trat an den Geysir.

Rhodan folgte ihm, so schnell es ging. Jeder Schritt in dem Anzug bedeutete eine bewusste Anstrengung, einen neuen Schwall von Schweiß, der aus seinen Poren trat, einen neuen, unvermuteten Schmerz, als sich eine Naht oder ein störrisches, steifes Bauteil in sein Fleisch bohrte.

Dem Großadministrator machte es nichts aus. Im Gegenteil: Er genoss jeden Augenblick. Der Schweiß und der Schmerz und der Kitzel, nicht zu wissen, was vor ihm lag, waren ihm aus seiner Zeit als Risikopilot der U.S. Space Force vertraut. Damals, vor 200 Jahren auf einer Erde, die nichts von dem Leben ahnte, das die Milchstraße erfüllte, war es nicht anders gewesen. Sie hatten sich mit lächerlich primitivem Gerät in das Unbekannte vorgewagt. Sie hatten penibel auf jede Einzelheit geachtet, hatten jeden Schritt und Handgriff hundertmal geübt – und dabei vor Angst und Aufregung geschwitzt.

»Wie bringst du dich in Position?«, fragte der Tarka.

»So«, antwortete Rhodan und tat es. Er platzierte sich auf das Loch des Geysirs, sodass sein Bauch genau auf seiner Mitte zu liegen kam. Es war kaum zu verfehlen. Die Panzerplatte vor seinem Bauch zog ihn mit ihrem ganzen Gewicht nach unten, sobald er sich nach vorne beugte. Die Platte schmiegte sich an das Loch und verschloss es.

Benton ging neben Rhodan in die Knie. »Vorsicht, Terraner«, flüsterte er, »werd nicht übermütig!«

Rhodan sagte nichts, sondern streckte die Gliedmaßen von sich, wie es ihm der junge Tarka gezeigt hatte. Er wirkte jetzt wie ein Fallschirmspringer, der auf dem Trockenen übte.

»Gut so. Bleib so und du wirst auf dem Geysir reiten, vielleicht sogar bis in die Wolken«, sagte Benton. Er deutete nach oben, wo vereinzelte Wolken über dem Himmelstal lagen und sich an die Berghänge klammerten, damit der Wind sie nicht fortriss. »Gut, du reitest«, fuhr er dann fort, »was tust du, wenn es schmerzt?«

»Nichts.«

»Du wirst dich nicht zusammenkrümmen?«

»Nein.«

»Wieso?«

»Weil ich auf diese Weise nie die Wolken erreichen werde«, antwortete Rhodan. »Ich kann den Geysir nur reiten, wenn ich meine Angst überwinde und meine Flügel ausstrecke.«

»So ist es! Nur wer Hingabe besitzt, findet den Frieden der Wolken.« Der Tarka sah auf seine verkratzte Uhr. »Wir haben noch zwei Minuten deiner Zeit bis zur Eruption. Was tust du, wenn du oben bist, Terraner?«

»Erreiche ich eine Wolke, verliere ich mich in ihr. Ich finde Frieden.«

»Solltest du eine erreichen.« Es war Benton anzusehen, dass er nicht daran glaubte. »Was tust du, wenn du wieder aus der Wolke fällst?«

»Ich sehe mich um. Ich überblicke die Welt unter mir. Dann steuere ich die Landezone an.«

»Wie steuerst du?«

»Mit den Armen und Beinen. Aber ich bin vorsichtig. Die kleinste Bewegung besitzt im freien Fall eine große Wirkung.«

»Richtig!« Der Tarka sah noch einmal auf die Uhr. »Noch eine Minute. Konzentriere dich!«

Benton blieb bei Rhodan. Der Terraner sah den Tarka an und betrachtete sein Gesicht; er fragte sich, wie die Unschuld sich darin hatte halten können.

Für einige Augenblicke vergaß er, weshalb er nach Tarkalon gekommen war. Die Pflicht, die ihn hierher geführt hatte. Die zahllosen, mühseligen, aber unverzichtbaren Pflichten, die er hier zu erfüllen hatte. Das unnötige Leid, das er auf Tarkalon erblickt hatte.

Rhodans Blick wanderte weiter. Der Tarka trug Teile mehrerer ehemaliger Uniformen. Auf der Brust hatte er zwei animierte Holo-Flächen angenäht. Eine zeigte die kommende Dreimondnacht, die Rhodan nach Tarkalon geführt hatte. Die Tränen des Nert, die tropfenförmigen Monde Tarkalons, schoben sich einer nach dem anderen vor die Sonne und ließen sie erlöschen. Das zweite Holo zeigte Rhodan selbst, wie er, der großzügige Großadministrator des Vereinten Imperiums, sein Schiff verließ und den Tarkas zuwinkte, die sich auf dem Landefeld versammelt hatten, um einen Blick auf den Unsterblichen zu erhaschen. Die Sequenz endete mit dem Bild Rhodans, der beide Arme erhoben hatte, und einem Schriftzug: »Rhodan, unser Retter!«

Sie haben mich auf ein Podest gehoben, dachte Rhodan. So hoch oben, dass sie mich nicht erkennen, selbst wenn ich ihnen gegenüberstehe.

Benton, der weder Rhodans Gedanken ahnte, noch, wer bäuchlings vor ihm lag, erhob sich. »Reit zu den Wolken, Terraner!«, rief er und rannte an den Rand des Kreises. Dort war er vor der zu erwartenden Fontäne aus Dampf und kochendem Wasser in Sicherheit.

Perry Rhodan verschloss das Visier des Helms ...

... und im nächsten Augenblick rammte die Fontäne des Geysirs die Panzerplatte wie eine Faust in einen Magen.

Rhodan stöhnte auf. Er wollte nach Luft schnappen, aber der Druck gegen seinen Bauch war zu stark, es gelang ihm nicht. Durch einen Vorhang aus Dampf und Gischt sah er, wie der Boden unter ihm zurückblieb.

 

*

 

Rhodan ritt den Geysir. Die Glieder von sich gestreckt, gelang es ihm, das Gleichgewicht zu behalten. Benton und die übrigen Wolkenreiter wurden zu Puppen, schließlich zu stecknadelgroßen Punkten.

Als der Höhenmesser von Rhodans Kom-Armband das Äquivalent von 850 terranischen Metern über dem Startpunkt anzeigte, ließ der Druck gegen seinen Bauchpanzer nach. Rhodan schöpfte hechelnd nach Luft. Bunte Punkte tanzten vor seinen Augen, und der Dampf und die Gischt blieben hinter ihm zurück. Für einen Moment lang mutete es ihm an, als schwebe er reglos in der Luft.

Der Terraner sah sich um.

Über ihm, zum Greifen nahe und doch unerreichbar, hing eine makellos weiße Wolke. Um ihn erhoben sich die Flanken der Fünf- und Sechstausender, die Tarkal umringten, überragt vom geköpften Gipfel des Barrat. Und unter ihm schließlich die Stadt selbst. Tarkal erinnerte an den Friedhof riesiger Tiere, von denen nur die Skelette – die stählernen Gerüste von Gebäuden – geblieben waren. Zwischen den Skeletten und an den Rändern der verwüsteten Stadt blühten hier und da bunte Blumen auf, wiedererrichtete oder neue Viertel, wenn auch viel zu wenige, so doch unleugbare Zeugnisse des Neuanfangs.

Dann war der Moment vorüber, und Rhodan fiel. Der Fahrtwind des Falls ließ seinen Anzug flattern und die vergessen geglaubten Reflexe des ehemaligen Risikopiloten erwachen. Rhodan steuerte mit präzisen Handbewegungen auf die Landezone zu, einen platt geschossenen, ehemaligen Wohnblock, in dem Benton und die übrigen Wolkenreiter Trümmer zu einem riesigen Kreuz zusammengetragen hatten.

Ein Flimmern verriet Rhodan, dass das Antigravfeld aktiv war. Rhodan stürzte dem Zielkreuz entgegen und dann, als er bereits glaubte, am Boden zerschellen zu müssen, fing das Antigravfeld ihn auf.

Sein Lehrmeister war zur Stelle und führte ihn aus der Landezone. Anerkennung lag in Bentons Blick. »Gut gemacht«, lobte er den Terraner, als er ihm den Helm abnahm. »Ein gelungener Ritt.«

»Ich habe die Wolken nicht erreicht«, entgegnete Rhodan, benommen von der Schwere, die ihn mit der Ankunft auf dem Boden überkommen hatte, und überrascht von der echten Wärme, die der Tarka ausstrahlte.

»Du hast es versucht. Das ist, was zählt.«

Benton half ihm, den störrisch steifen Anzug auszuziehen. Rhodan ließ ihn machen und atmete tief die dichte Luft Tarkalons ein. Er sah hinüber zum Geysir. Mehrere Dutzend Wolkenreiter saßen und standen in...