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Todesmuster - Roman

Norbert Horst

 

Verlag Goldmann, 2005

ISBN 9783894808822 , 288 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR

  • Der sterbende Detektiv - Roman
    Migrations- und Integrationsforschung - multidisziplinäre Perspektiven - Ein Reader
    Tractatus Satanicus - Die Geschichte des Teufels, von ihm selbst erzählt - Aufgezeichnet und herausgegeben von Andreas Schlieper
    Sein letzter Fall - Roman
    Der faule Henker - Ein Lincoln-Rhyme-Thriller
    Der Insektensammler - Roman
    Zwischen Formation und Transformation - Die Religionen Europas auf dem Weg des Friedens
    Sprachkritik in der Schule - Theoretische Grundlagen und ihre praktische Relevanz
  • Der Hebammenkreißsaal - Ein Versorgungskonzept zur Förderung der physiologischen Geburt
    Eine Szene im Theater der Unendlichkeit - Max Beckmanns Dramen und ihre Bedeutung für seine Bildrhetorik
    Trenn Dich schlank - Abnehmen mit Trennkost für eine Person
    Glaubensgenossen in Not - Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und die Hilfe für aus rassischen Gründen verfolgte Protestanten. Eine Dokumentation

     

     

     

     

     

 

 

MONTAG

11 Uhr 15

»...warum...«
Die Kirchentür schmettert schwer ins Schloss, es hallt. Verdammt, aufpassen. Der Pfarrer stockt, sieht hoch. Die in den hinteren Bänken drehen sich um, ein Alter im schwarzen Anzug schüttelt den Kopf. Die letzten Reihen sind frei, schnell rein und setzen.
»... ist er gegangen, liebe Frau Peters, lieber Jan, liebe Sina, liebe Gemeinde? Von uns gegangen, plötzlich, ohne Vorankündigung, mitten aus dem Leben, wie man so sagt. Wir stehen hier vor seinem Sarg, dem Sarg des Mannes, der uns ein Ehemann war, ein Vater, ein Sohn, ein Kollege, der er uns so vieles war, was uns wertvoll.«
Ganz schön viele Leute hier. Aber kein Wunder. Roberts Sarg vor dem Altar, rundherum wie im Gartencenter. Die Tür öffnet sich leise, der Küster schlurft vorsichtig, das Futter der rechten Jackentasche hängt heraus, glänzt. Mein Gott, ist ja das halbe Präsidium vertreten, sogar der Präsident persönlich. Wäre Robert wahrscheinlich gar nicht so angenehm. Wo sind denn unsere Leute? Da vorne, das könnte Helmut sein. Und das sieht aus wie Ullas Kopf. Was hat die denn wieder für Haare? Der Küster kommt zurück, gebückte Haltung.
Der Pastor hört auf zu reden. Orgel. Schöne Melodie. Sie singen zurückhaltend, einige kräftige Stimmen dazwischen.
»Ach bleib mit deinem Glanze bei uns, du wertes Licht; dein' Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht.« Drei Strophen. Bei den letzten Takten geht der Pastor wieder hinter den Altar, versinkt im Gebet. Alle stehen auf. Stille.
»Herr, himmlischer Vater. Du Schöpfer aller Dinge und Gebieter über Leben und Tod, wir bitten dich: Sei in dieser schweren Stunde bei uns. Schenke uns Trost, wenn wir ihn bei dir suchen, zeige uns den Weg aus der Verzweiflung, wenn wir dich darum bitten, und, Vater, gib uns Antworten, wo wir Fragen haben. Wenn nicht jetzt, dann vielleicht irgendeines Tages, wenn nicht heute, dann zu irgendeiner Zeit, denn neben aller Klarheit, mit der wir in unserer letzten Stunde vor dir, Vater, stehen, so bleiben wir, wenn wir gehen, einigen - vielleicht auch ganz Nahestehenden - ein Rätsel. Denn auf den Grund unserer Seele siehst nur du, Gott. Auch auf den Grund der Seele von Robert Peters. Nimm sie zu dir. Amen.«
Noch mal Amen im Chor. Was redet der für ein Zeug? Die Orgel setzt wieder ein. Keiner singt. Das kenne ich doch. A whiter shade of pale. Mann, das ist tatsächlich A whiter shade of pale. Donnerwetter, Pop in der Kirche. Hätte es bei uns früher nicht gegeben. Hat sich wahrscheinlich Monika gewünscht. Unser Lied oder so. Eine Frau mit lila Fransenschal zwei Reihen voraus heult wie ein Schlosshund.
»Lasst ihn uns nun auf seinem letzten Weg begleiten.«
Vorne räumen sie die Kränze weg, der Küster öffnet beide Flügel der Eingangstür. Sie tragen den Sarg durch den Mittelgang, weiße Handschuhe, Gleichschritt. Der Pastor, Monika mit den Kindern dahinter. Eine Rosenblüte fällt ab, rollt unter eine der Bänke. Hinter den vieren ist eine Lücke, schnell durch und raus. Die Sonne blendet.
Auf dem Kies vor der Kapelle der Leichenwagen. Opel Admiral. Ganz schön altes Schätzchen, lange nicht gesehen. Sie setzen den Sarg mit der Kante auf die Rollschiene. Beim Reinschieben hakt es, ein Ruck, Klappe zu. Sie setzen die Zylinder ab, der Fahrer steigt ein. Sattes Blubbern des Achtzylinders. Langsam, ganz langsam fährt er die Allee hoch bis zum Tor. Einige winken, eine Frau sogar mit Taschentuch. Furchtbar, warum fährt der so langsam. Blinker. Fast alle bleiben stehen, unbeweglich. Weg.
Monika dreht sich als Erste um, die Arme um die Schultern der Kinder gelegt. Sie sieht auf, nickt stumm. Bloß kein »herzliches Beileid«. Komm, sag was Passendes, du kannst das.
»Tag Monika«.
»Tag Konni.«
»Kein guter Tag heute, hmm? Ich habe erst heute Nacht davon erfahren. Tut mir sehr Leid für euch. Wie ich ihn kannte, wart ihr der Mittelpunkt seines Lebens. Wahrscheinlich wart ihr auch sein letzter Gedanke.« Nicht schlecht.
Ihre Kaumuskeln arbeiten, sie geht ohne Gruß. Meine Güte, ist die fertig. Kein Wunder. Von hinten eine Hand auf der Schulter. Helmut.
»Na, du Weltreisender.«
»Tag, Helmut.«
»Wann bist du zurückgekommen?« »Heute Nacht, halb drei.« »Und da bist du jetzt schon hier?« »Ich habe die Post nur durchgesehen, den Totenbrief habe ich natürlich geöffnet.« »Na, du Urlauber. Hätte dich fast nicht wiedererkannt
nach so langer Zeit«, Ulla, feste Umarmung, sie riecht angenehm nach Nikotin und Pfefferminz. »Und? Wie war's?«
»Ganz schön hohe Berge haben die da.«
Pohlmann, Gerber und Grote kommen, rauchen, grüßen, kräftige Hände.
»Was ist eigentlich passiert?«
»Was ist passiert«, sie zieht die Stirn kraus, blickt aus den Augenwinkeln, »er hat wahrscheinlich einen Herzinfarkt gekriegt.«
»Herzinfarkt?! Mit fünfundvierzig? Die Einschläge kommen näher.«
»Sechsundvierzig.«
»Mann soll sich halt nicht überanstrengen«, Pohlmann mit vielsagender Miene.
»Was soll das heißen?« Alle drucksen rum. »Kommt, macht hier jetzt kein Quiz, ja.«
»Er war in der Wohnung seiner Freundin. Robert hatte seit Jahren eine Geliebte«, Ulla mit gedämpfter Stimme.
»Was? Robert?«
»Über fremdem Gebiet abgeschossen.« Pohlmann aus dem Hintergrund. Helmut zieht die Augenbrauen hoch.
»Und in ihrer Wohnung ist das passiert? Weiß Monika davon?«
»Jetzt ja. Der Notarzt hat keinen natürlichen Tod bescheinigt und die Kollegen aus der PI Süd hatten keine Ahnung, dass er Kollege ist. Die haben die Todesbenachrichtigung durchgeführt wie immer.«
Robert! Der trockene Robert. Und ich Idiot hab eben noch was von Mittelpunkt des Lebens gefaselt. Letzter Gedanke. Scheiße.
In einer Gruppe unter der Kastanie wird gelacht, die
Sonne verschwindet hinter einer Wolke. Die meisten gehen langsam Richtung Ausgang. »Seit Jahren?« Ulla nickt.
»Du kennst sie sogar. Es ist Frau Rother aus der Verwaltung.«
»Die Dunkle von den Reisekosten?« »Genau.«
»Alte Beamtenregel. Hausfick bringt Unglück.« Pohlmann zieht den rechten Mundwinkel nach oben, macht eine Grimasse.
»Verdammt noch mal, jetzt isses aber gut!« Helmut schnaubt mit gedrückter Stimme. »Wir sind hier auf einer Beerdigung, auf seiner Beerdigung, genauer gesagt. So ein Rest Pietät sollte doch wohl noch möglich sein.«
»Nun reg dich man nicht künstlich auf. Bin ich fremdgegangen oder er?« Pohlmann leise und bissig.