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Eine WG zum Verlieben (Band 2: Katrin)

Corina Ehnert

 

Verlag édition el!es, 2013

ISBN 9783941598843 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

Kapitel 1


Ich griff nach einer großen Kiste, die auf der Ladefläche des gemieteten Transporters stand. Als ich sie heraushievte, geriet ich ins Taumeln. Der Umzugskarton war höllisch schwer. Ich hatte bestimmt wieder Bücher erwischt, die ich in den fünften Stock tragen mußte. Seufzend wandte ich mich dem Haus zu.

Ein Umzug ist niemals nur ein Einzug in eine neue Wohnung. Vielmehr ist er ein Übergang in einen anderen Lebensabschnitt. Man trägt zwar einen Teil der alten Gewohnheiten, sorgsam in Kisten verpackt, mit in das neue Domizil, doch hat sich längst ein Wandel vollzogen. Das eigene Leben hat sich verändert. Vielleicht rasant, vielleicht schleichend. Auf jeden Fall aber so grundlegend, daß es zur Ursache für einen Auszug wurde.

Neubeginn hin oder her, Umziehen war leider vor allem eine schweißtreibende Angelegenheit. Außerdem haftete diesem Wohnungswechsel allenfalls ein Hauch von Veränderung für mich an. Denn nicht ich zog heute in diese nette Dachgeschoßwohnung. Seit Stunden schleppte ich die Sachen von Alex und Nico, die sich hier ihr neues Zuhause einrichteten.

In meinem Leben war hingegen noch alles beim alten. Daß sich das bald ändern würde, ahnte ich nicht einmal. Ich dachte nur an die mir bevorstehenden Treppen. Denn wie das so ist: Wann der erste Stein ins Rollen kommt, bleibt meist unbemerkt. Es ist die Lawine, die wir nicht übersehen können. Geschweige denn aufhalten.

Beladen wie ein Packesel schritt ich auf das Haus zu. Vielleicht zum fünfzigsten Mal an diesem Nachmittag, weshalb sich meine Arme anfühlten, als wären sie gut einen Meter länger geworden.

An der Tür begegnete ich Franzi, die ihrerseits erschöpft dreinblickte. Sie trug heute ein schwarzes Rippshirt und besonders lässig sitzende Jeans. Ich schmunzelte. Franzi nutzte diese Umzugsaktion natürlich, um den Macho heraushängen zu lassen.

»Schon wieder Bücher?« Sie deutete auf die Kiste in meinen Armen. Ich lächelte gequält. Franzi schob den Pappeinschlag des Kartons beiseite und rollte mit den Augen. »Wie viele von diesen Wälzern haben die denn, zum Teufel.«

»Nico hat neulich sechshundertacht gezählt«, sagte Alex, die gerade aus dem Haus kam.

Franzi zeigte ihr einen Vogel. »Sechshundert Stück! Ihr spinnt.«

»Vielleicht.« Alex lachte. Dabei glänzten ihre wunderschönen, nachtgrauen Augen.

Wahrscheinlich war es dieses Leuchten, in das ich mich ursprünglich verliebt hatte. Alex und ich hatten vor einer Weile eine Affäre miteinander. Beziehung konnte man das kurze Intermezzo zwischen uns beiden nicht nennen. Wir hatten ein einziges Mal das Bett geteilt und uns in wenigen Tagen mehr Nerven gekostet, als es so manches Paar in Jahren vollbrachte.

Was uns heute verband, hatte nicht mehr viel mit diesem stürmischen Kennenlernen zu tun. Das anfängliche Interesse aneinander war letztendlich nur der Grundstein einer tiefen Freundschaft gewesen.

»Ihr wißt gar nicht, wie dankbar ich euch allen bin«, sagte Alex.

Wieder begegnete ich ihrem offenen Blick. Es ist unmöglich, sie nicht zu mögen, dachte ich.

»Allen?« fragte Franzi. Dabei legte sich eine ärgerliche Falte auf ihre Stirn. »Wußtest du schon, daß sich deine Exfreundin gerade die Nägel lackiert, Katrin?«

Ich seufzte. Paula hatte zwar im Gegensatz zu Alex tatsächlich die Bezeichnung Exfreundin verdient, aber unsere Beziehung war dennoch nichts anderes als ein drei Monate lang andauernder Irrtum gewesen. Länger hatten wir es nicht miteinander ausgehalten.

Alex machte eine wegwerfende Handbewegung. »Paula wirst du nicht mehr ändern.«

»Ich frage mich einfach nur, wie sie auf die Idee kommt, mit Stöckelschuhen . . .« Franzi ließ den Satz in der Luft hängen.

»Nicht ärgern, Schatz«, sagte Sanny. Der kleine Wirbelwind mit den vielen Locken schlang von hinten die Arme um Franzi.

»Du bist auch schwach und hilfst trotzdem mit.«

»Schwach?« Sanny begann kurzerhand ihre Freundin zu kitzeln, so daß Franzi tatsächlich ein kleiner, hoher Quietscher entfleuchte.

Ich verbiß mir das Lachen. Diese kurze Unbeherrschtheit empfand die überaus coole Franzi gewiß als schrecklich mädchenhaft.

Sanny und Franzi waren ein ungleiches, aber glückliches Paar. Das einzige, was sie miteinander gemein hatten, war das Temperament. Sie stritten und liebten grundsätzlich italienisch.

Alex zwinkerte mir zu. Wir dachten in diesem Augenblick wieder mal das Gleiche. »Ich rede Paula ins Gewissen«, sagte ich und trat mitsamt Umzugskarton ins Haus. Als ich die Wohnung im fünften Stock erreichte, war ich aus der Puste.

»Allmählich gehen einem die Kräfte aus«, sagte Nicos große Schwester Laura, die aus der Wohnungstür gehuscht kam.

»Die beiden wollten leider nicht Parterre wohnen«, rief ich Laura hinterher, die schon auf dem Weg nach unten war. Dieser Gedanke war mir mehrfach während der einhundertzehn Stufen auf dem Weg nach oben gekommen.

Ich schleppte den Karton ins Wohnzimmer, wo später einmal die Bücherregale stehen sollten. Tatsächlich hatten Nico und Thea mittlerweile eines davon aufgebaut und knieten, mit Schraubenziehern bewaffnet, vor einem weiteren Bausatz. Paula war derweil dabei, lustlos die ersten Bücher einzuräumen. Ich mußte feststellen, daß ihre knallroten Fingernägel verdächtig frischlackiert aussahen. Langsam setzte ich die Umzugskiste ab.

»Ist noch viel unten?« hörte ich Nicos sanfte Stimme.

»Ich habe vorhin etwas von sechshundert Büchern gehört«, sagte ich und schenkte ihr ein Lächeln.

Sie schaute sich verlegen im Raum um, der inzwischen vor Umzugskartons aus allen Nähten platzte. »Davon sind mehr als man glaubt von Alex.« Inzwischen überzog eine zarte Röte ihre Wangen.

Nico war der Grund, weshalb aus Alex und mir am Ende kein Paar geworden war. Während ich mich mit jedem Tag unsterblicher in Alex verliebte, hatte sie ihr Herz längst an diese feingliedrige Schönheit verschenkt.

»Ich gebe es ja zu«, hörte ich Alex sagen. Zwei Sekunden später stand sie mit einem weiteren Karton im Wohnzimmer. »Aber das sind zur Abwechslung mal keine Bücher, sondern der CD-Player.« Sie stellte die Umzugskiste ab.

Zwischen dem Paar flogen verliebte Blicke hin und her. In Momenten wie diesem wußte ich, daß damals alles genau richtig gekommen war. Diese beiden gehörten einfach zusammen.

»Billard um halb zehn, Heinrich Böll«, las Paula laut den Titel eines Buches vor, das sie gerade in den Händen hielt, und wandte den Kopf in Nicos Richtung. »So was liest du?« Sie reckte das Kinn.

Ich sah, wie Thea mit der Arbeit innehielt und den Schraubenzieher weglegte. »Es würde dir auch nicht schaden, das eine oder andere Buch aus diesen Kartons zu lesen, liebe Paula. Aber vielleicht begnügst du dich vorerst damit, sie mit ein bißchen mehr Elan in das Regal einzusortieren.«

Thea war gereizt. Ein untrügliches Warnsignal für Paula, den Bogen nicht noch weiter zu spannen. Denn es kam selten vor, daß die ruhige Thea aus der Haut fuhr. Vermutlich war es ausschließlich ihr zu verdanken gewesen, daß die WG bis zu Alex’ Auszug harmonisch zusammengelebt hatte. Bei dem bunt zusammengewürfelten Haufen, den Franzi, Paula, Thea und Alex abgegeben hatten, war das keinesfalls eine Selbstverständlichkeit gewesen. Aber die WG würde es in dieser Konstellation fortan nicht mehr geben. Ich war gespannt, wer demnächst das freigewordene Zimmer beziehen würde. Soweit ich wußte, hatte Alex ein Inserat in der Stadtzeitung aufgegeben.

»Habt ihr schon einen Nachmieter?« fragte ich in die Runde und beobachtete, wie Paula beleidigt die Lippen aufeinanderpreßte. Wortlos stellte sie das Buch ins Regal.

»Nein, noch nicht«, sagte Alex indessen, »aber morgen abend kommen ein paar Interessentinnen, um sich das Zimmer anzusehen.«

»Redet ihr über das Casting?« Franzi kam gleich mit zwei Kisten beladen ins Wohnzimmer. Auf ihren Armen traten straffe Muskeln zum Vorschein.

»Was für ein Casting?« fragte ich, während Franzi sich der Kartons entledigte.

Thea räusperte sich übertrieben. »Irgend jemand ist auf die geniale Idee gekommen, alle Interessentinnen gleichzeitig einzuladen, damit wir einen direkten Vergleich zwischen ihnen ziehen können.« Sie sah mißbilligend in Franzis Richtung.

»Ich finde, Franzi hat das hervorragend arrangiert; so haben wir kaum Scherereien. Ein Abend und die Sache ist gelaufen«, sagte Paula.

Hätte ich sie nicht besser gekannt, hätte ich ihr das geglaubt. Doch obwohl sie gerade vollkommenes Desinteresse zeigte, war ihr bei dem Gedanken an eine neue Mitbewohnerin bestimmt mulmig zumute. Paula war in Wahrheit wahnsinnig liebesbedürftig. Sie würde es kaum ertragen, anstelle der sensiblen Alex vielleicht mit einem reservierten Eisklotz unter einem Dach leben zu müssen.

Ich suchte Paulas Blick. Als sie mich ansah, schenkte ich ihr ein Lächeln. Paula lächelte zurück. Sehnsuchtsvoll.

Es rumpelte im Flur, und ich wandte den Kopf. Sanny hatte den Lärm verursacht, sie mußte soeben einen der Kartons fallengelassen haben. »Nichts passiert, waren nur Bücher.« Schwer atmend kam sie herein und stellte den ramponierten Umzugskarton demonstrativ mitten im Zimmer ab. »Das hier ist der letzte.« Sie hockte sich auf die Kiste.

»Und wo ist Laura?« fragte Nico. Vorhin war Nicos Schwester auf dem Weg nach unten gewesen; Sanny war jedoch allein in die Wohnung zurückgekehrt.

»Sie gibt den Transporter bei der Autovermietung ab«, sagte Sanny.

»Tja, dann sind wir dich jetzt...